Das Parlamentswahlergebnis ist ein schwerer Rückschlag für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron nur wenige Wochen nach seiner Wiederwahl.

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Die französischen Wähler machten es am Sonntag bis zuletzt spannend. Laut aktuellen Hochrechnungen ist es dem frisch wiedergewählten Präsidenten Emmanuel Macron nicht gelungen, seinem Lager auch für seine zweite Amtszeit eine absolute Parlamentsmehrheit zu sichern. Demnach kommt die Macron-Allianz Ensemble (bestehend aus Renaissance, vormals La République en Marche, Modem und Horizons) auf rund 230 Sitze. Damit liegt das Präsidentenlager zwar vorne, allerdings wurde die absolute Mehrheit, die in der Nationalversammlung bei 289 Sitzen liegt, verfehlt.

Das verheißt nichts Gutes für Macrons nächste fünf Jahre, dessen Lager derzeit noch (mit 300 Sitzen) die absolute Mehrheit im Parlament hat. Französische Medien berichteten von einer Todesstille in der Wahlzentrale der Macron-Allianz nach Bekanntwerden der ersten Prognosen. Finanzminister Bruno Le Maire sprach von einem "demokratischen Schock", aber beteuerte zugleich die eigene Regierungsfähigkeit. Alles hänge nun vom "Verantwortungssinn" anderer Parteien ab.

Mélenchon: "Niederlage Macrons"

Das neue Nupes-Bündnis aus Linkspartei, Sozialisten, Grünen und Kommunisten, angeführt von Macrons Gegenspieler Jean-Luc Mélenchon kam dagegen auf deutlich mehr Sitze im Parlament als bisher – laut ersten Prognosen auf 149 Sitze. Mélenchon bezeichnete das Ergebnis als "Niederlage Macrons". Demnach sei es gelungen, den Präsidenten zu besiegen.

Insbesondere die extreme Rechte um Marine Le Pen fuhr mit prognostizierten 85 Sitzen ein unerwartet starkes Ergebnis ein. Damit kann ihre Partei Rassemblement National (RN, vormals Front National) erstmals seit 1986 wieder eine eigene Fraktion bilden, was wiederum mehr finanzielle Zuwendungen und mehr Redezeit bedeutet. Derzeit haben sie lediglich sechs Abgeordnete. Le Pen gab in einer ersten Reaktion an, eine "starke Opposition" zwischen "linken und rechten Patrioten" bilden zu wollen. Parteichef Jordan Bardella sprach von einem "Tsunami" für den RN.

Während der Liberale Macron bei seiner Wiederwahl zum Präsidenten vor einigen Wochen vor allem die Konkurrenz der erstarkten Rechtsnationalen Le Pen zu spüren bekam, kam sie diesmal besonders stark von Links. Der Wahlsonntag hatte mit einem entsprechenden Rückschlag für das Lager Macrons begonnen: Auf der französischen Karibikinsel Guadeloupe, wo wie in einigen Überseegebieten schon am Samstag gewählt worden war, unterlag Macrons Staatssekretärin für Meeresangelegenheiten, Justine Benin, dem Kandidaten aus dem linken Lager. Laut Medienberichten dürften unter anderem auch Macrons neue Gesundheitsministerin Brigitte Bourguignon, die Ministerin für ökologischen Wandel Amélie de Montchalin und der bisherige Parlamentspräsident und Macron-Verbündete Richard Ferrand ihren Einzug ins Parlament verpasst haben.

Laut den ersten Hochrechnungen bekam das Macron-Bündnis schlussendlich zwar deutlich mehr Sitze als das linke Bündnis. Dennoch reichen diese nur mehr für eine relative Mehrheit für das Mittelager des Präsidenten. Das ist ein schwerer Schlag für Macron, denn der Präsident und die Regierung sind nun wohl gezwungen, Unterstützung aus den anderen Lagern zu suchen. Macrons Regierungssprecherin sagte in einer ersten Reaktion, dass man versuchen werde, "moderaten" Parteien den Arm auszustrecken. Natürlich habe man mit einem besseren Ergebnis gerechnet, räumte Olivia Gregoire ein.

Für Macron dürfte es nun jedenfalls schwieriger werden, seine Vorhaben ohne große Abstriche umzusetzen. Die bisher stärkste Oppositionskraft, die konservativen Les Republicans, kommt nur noch auf 79 Sitze und hat eine Zusammenarbeit bereits abgelehnt.

Mélenchon jubelt über das "Wahldebakel" Macrons.
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In Frankreich warten wichtige Projekte auf die Umsetzung: Angemahnt werden Verbesserungen im Bildungs- und Gesundheitswesen, viele Menschen hoffen angesichts der steigenden Preise auf Unterstützung der Regierung und viele wollen energischere Schritte in der Klimakrise. Außerdem will Macron eine umstrittene Pensionsreform durchziehen, die Franzosen sollen länger arbeiten.

Jeder Zweite wählte nicht

Das Interesse der Bevölkerung an dem Urnengang war wie schon bei der ersten Wahlrunde schwach. Wie das Innenministerium in Paris mitteilte, betrug die Wahlbeteiligung bis 17.00 Uhr 38,11 Prozent. Das waren 1,3 Prozent weniger als zum selben Zeitpunkt bei der ersten Wahlrunde.

Kurz vor Schließung der Wahllokale um 20.00 Uhr wurde die Wahlbeteiligung von Meinungsforschungsinstituten auf rund 46 Prozent geschätzt – das sind rund drei Prozentpunkte mehr als bei der zweiten Runde der Parlamentswahl vor fünf Jahren. Damals hatten rund 57 Prozent der Wahlberechtigten nicht gewählt. (Flora Mory, 19.6.2022)