Die Freude bei den Nupes-Mélenchons-Anhängern ist groß.

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron muss sich auf harte Zeiten einstellen. Nach dem zweimonatigen Wahlmarathon haben sich die Wähler zum Schluss geweigert, ihrem frisch gewählten Präsidenten eine absolute Parlamentsmehrheit zu geben. Vielmehr verhelfen sie Links- und Rechtspopulisten zu einer starken Stellung in der Nationalversammlung: Jean-Luc Mélenchons und Marine Le Pens Abgeordneten kommen zusammen auf ungefähr 250 Sitze in der 577-köpfigen Nationalversammlung – mehr als die Macronisten.

Ein wichtiger Faktor bei der Stimmabgabe waren die heftigen Preissteigerungen der jüngsten Zeit. Die Inflation hat offensichtlich Le Pens einkommensschwache, oft vergessene Wählerschaft mobilisiert. Mélenchon nutzte die Anti-Macron-Stimmung seinerseits geschickt aus, nachdem er schon das Unmögliche geschafft hatte, nämlich sogar gemäßigte Linke und Grüne hinter sich zu scharen.

Der isolierte, als selbstgefällig verschriene Präsident Frankreichs steht unter massivem Druck vor allem der Populisten. Auf die Schützenhilfe gemäßigter Republikaner und Sozialdemokraten kann er nicht zählen. Die politische Instabilität, vielleicht sogar Blockade in Paris dürfte sich auch auf die EU auswirken. Frankreich, die nach der deutschen Angela-Merkel-Ära tonangebende Nation Europas, ist nun zu sehr mit sich selber beschäftigt, um noch kräftige europapolitische Impulse zu geben. (Stefan Brändle, 19.6.2022)