"Im Zentrum" am Sonntag im ORF über die Treffsicherheit des Antiteuerungspakets.

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Ist eine Politik denkbar, die nicht mehr auf dem klassischen Fortschrittsversprechen ewiger Wohlstandssteigerung basiert? Strategien, wie ein solcher Perspektivenwechsel zu schaffen wäre, schlug unlängst der Soziologe Andreas Reckwitz in einem bemerkenswerten STANDARD-Interview vor. Es gehe darum, entsprechende resiliente Infrastrukturen aufzubauen, sagte Reckwitz. Einmalige, kurzfristige Maßnahmen gehören offenbar nicht dazu.

Das von der Regierung vorgestellte Antiteuerungspaket verfügte über etliche Schwächen, zeigte die Diskussion am Sonntag bei "Im Zentrum". Die Unschärfen des Modells wurden gleich zu Beginn deutlich, als die Millionenerbin und Tax-me-now-Aktivistin Marlene Engelhorn Familienministerin Susanne Raab auf den Unterschied zwischen Einkommen und Vermögen aufmerksam machte. "Was machen Sie mit Menschen wie mir, die auf horrendem Vermögen sitzen?" Raabs Antwort ging ins Leere: "Unser Fokus war, wie können wir die Menschen jetzt entlasten."

"Handfeuerlöscher verteilt"

Vorausschauende Konzepte vermisste auch Barbara Blaha, Leiterin der Denkfabrik Momentum-Institut. Das Antiteuerungspaket sei "in keinster Weise inflationsdämmend", sagte sie und legte einen Strauß an möglichen Maßnahmen vor: Einfrieren des Mietpreises, Sonderbesteuerung für Unternehmen, die mit der Inflation riesige Gewinne machen, et cetera. Bei den jetzigen Maßnahmen sieht sie das Problem, dass da "Handfeuerlöscher verteilt werden". Blahas Definition: "Ziemlich klein, reicht nicht lang, und ich krieg ihn nur einmal." Die Sozialleistungen der Regierung würden weiters nicht vor Armut schützen: "Wann kommen endlich feuerfeste Sozialleistungen?, forderte die Denkerin. Mangelnde Treffsicherheit kritisierte auch SPÖ-Politikerin Eva-Maria Holzleitner, speziell für ärmere Menschen. Vor der Senkung der Mehrwertsteuer warnte Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria. Raab verteidigte das Paket wortreich, eine niedrigere Mehrwertsteuer sei im Moment kein Thema, für die Zukunft wollte sie eine solche Maßnahme an diesem Abend nicht ausschließen.

Die Standpunkte waren schnell abgesteckt in dieser abwechslungsreichen, rein weiblichen Runde. Auf eine höhere Ebene schaffte man es nicht. Wie Risikopolitik aussehen könnte, die auf gegenwärtige Krisensituationen dauerhaft und nachhaltig reagiert, wird hoffentlich bei nächster Gelegenheit noch ausdiskutiert. Entlastung als Gesamtkonzept, sozusagen. (Doris Priesching, 20.6.2022)