Sigrid Pilz war seit 2012 Leiterin der Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft.

Foto: Robert Newald

Wien bekommt offenbar eine neue Patientenanwältin oder einen neuen Patientenanwalt. Sigrid Pilz, die den Posten seit 2012 innehat, hatte sich zwar für eine dritte Amtszeit beworben – doch daraus wird nichts, wie Pilz auf Twitter schreibt. "Bgm. Ludwig wird mich als Patientenanwältin nicht neuerlich bestellen. Schade!", gab sie Montagfrüh bekannt.

Sie hätte sich gerne für "starke Patientenrechte, mehr Schutz in der Pandemie, Solidarität und Qualität im Gesundheitswesen" eingesetzt, schreibt Pilz. Sie danke ihrem "tollen Team für zehn erfolgreiche Jahre".

Bevor Pilz Patientenanwältin wurde, saß sie für die Grünen im Wiener Gemeinderat und hatte dort zuletzt den Posten der Gesundheitssprecherin inne. In dieser Funktion war sie maßgeblich an der Aufdeckung des Pflegeskandals in Lainz beteiligt. Seit 2020 ist Pilz Mitglied des ORF-Stiftungsrats. Nach dem Rücktritt von Rudolf Anschober als grüner Gesundheitsminister wurde sie als Nachfolgekandidatin gehandelt.

Als Patientenanwältin hatte sich die 64-Jährige einen relativ hohen Bekanntheitsgrad erarbeitet – unter anderem mit harscher Kritik an der Ärztekammer. Weiters fiel sie mit der Forderung nach strengen Corona-Regeln auf.

Jesionek – oder doch Jelinek?

Zuständig für die Bestellung der Leitung der Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft ist die Landesregierung unter rot-pinker Führung. Laut Gesetz ist eine öffentliche Ausschreibung vorgeschrieben, eine Amtszeit beträgt fünf Jahre.

Im Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) bestätigt man die Rochade. "Die Entscheidung ist gefallen", sagt ein Sprecher auf STANDARD-Anfrage. Die neue Leitung der Wiener Patientenanwaltschaft werde demnächst präsentiert, womöglich bereits am Dienstag. Die Zeit drängt bereits: Die neue Funktionsperiode beginnt am 1. Juli.

Wie die "Wiener Zeitung" am Montagabend berichtete, soll der Jurist Udo Jesionek als Nachfolger auserkoren worden sein. Dieser Darstellung widersprach wiederum Pilz. Jesionek dementiere, schrieb sie auf Twitter.

Sie sei gut mit Jesionek befreundet, sagte Pilz auf STANDARD-Nachfrage. Und er habe ihr bestätigt, nicht ihr Nachfolger zu sein. Wie in Rathauskreisen gemunkelt wird, soll aber jedenfalls ein SPÖ-naher Bewerber, der älter ist als Pilz, ausgewählt worden sein.

Tatsächlich dürfte es sich um einen Hörfehler handeln, den auch die "Wiener Zeitung" noch am Abend korrigierte: Als Favorit gilt nun der Wiener Jurist Gerhard Jelinek (65). Jelinek war ab 1984 als Richter in Wien tätig. 2008 wurde er Vizepräsident des Oberlandesgerichts Wien, ab Anfang 2015 bis zu seinem Ruhestand im November des Vorjahres war der OLG-Präsident.

Aus rot-pinken Regierungskreisen ist zu hören, dass sich rund 20 Personen für den Posten beworben hätten. Die Landesregierung müsse die Auswahl noch bestätigen, heißt es aus dem Büro von Hacker. Dies solle nicht in einer regulären Sitzung des Stadtsenats, sondern per Umlaufbeschluss geschehen.

Die Anwaltschaft behandelt unter anderem Beschwerden von Patientinnen und Patienten bzw. deren Angehörigen in allen Angelegenheiten des Gesundheitswesens und des Pflegebereichs in Wien. Außerdem soll sie Mängel oder Missstände vor allem im Rahmen der Unterbringung, der Versorgung, der Betreuung sowie der Heilbehandlung aufklären. Die Patientenanwältin bzw. der Patientenanwalt agiert unabhängig und weisungsfrei. Voraussetzung für die Position ist unter anderem die Absolvierung eines rechtswissenschaftlichen, medizinischen oder sonst einschlägigen Studiums.

Pilz: "Einige werden Champagner aufmachen"

Pilz will über die Gründe, warum sie unterlegen ist, nicht spekulieren. "Es gibt in der Ärztekammer einige, die jetzt den Champagner aufmachen werden", sagt sie zum STANDARD. Sie habe sich für eine dritte Amtszeit beworben, weil sie Vorstellungen darüber gehabt habe, was sie im Gesundheitswesen noch erreichen wolle: "Diese Vorstellungen sind jetzt natürlich enttäuscht. Ich habe meines Wissens nach keine Fehler gemacht und schaue mit Selbstbewusstsein zurück, auch wenn das von anderen nicht wertgeschätzt wird."

Am Donnerstag wird Pilz im Landtag noch ihren Abschlussbericht vorstellen. Sie könne für ihre Amtszeit respektable Zahlen vorweisen, betont sie: "Die Zahl der Behandlung von Beschwerden und der Erledigung von Haftungsfällen ist durchgängig gestiegen." Was Pilz in Zukunft machen wird, weiß sie noch nicht. "Ich habe jetzt zum ersten Mal in meinem Leben Zeit, darüber nachzudenken." Nur eines sei ausgeschlossen: Zurück in die Politik wolle sie nicht. (Stefanie Rachbauer, 20.6.2022)