Bisher wurden in Steyr für Elektroautos nur Gehäuse hergestellt.

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Keine Angst vor Ansteckung: Neben dem Herzstück für Diesel- und Benzinboliden rollen künftig in Steyr die Elektromotoren vom Band.

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Die Nieren strahlten an diesem Vormittag ganz besonders blau. Was im Fall eines Homo sapiens höchst besorgniserregend wäre, ist in Zusammenhang mit BMW eine aktuell höchst erfreuliche Situation. Zumindest für den Industriestandort Österreich im Allgemeinen und im Speziellen für Oberösterreich.

Flankiert vom BMW i4 M50 und dem BMW iX präsentierte die lokale und internationale Führungsmannschaft am Montag am Standort Steyr eine für den Münchner Autobauer weitreichende Entscheidung: BMW Steyr als bisheriges Zentrum für den Bau von Verbrennungsmotoren – im Vorjahr wurden noch 1,1 Millionen Stück gefertigt, davon 350.000 Diesel, der Rest Benziner – wird künftig zum Zentrum für Elektromotoren.

Kreisky mit Spaten

Exakt 43 Jahre nach der offiziellen Grundsteinlegung – am 21. Juni 1979 griff damals Bundeskanzler Bruno Kreisky zum Spaten – ist nun der Startschuss für das große Umrüsten gefallen. Bis 2025 plant man massiv in die Fertigung von Elektromotoren einzusteigen. 620.000 E-Antriebe sollen dann jährlich vom Band laufen. Und die BMW-Gruppe nimmt dafür ordentlich Geld in die Hand: Bis 2030 werden rund eine Milliarde Euro am Standort Steyr investiert. Künftig soll in Oberösterreich aber nicht nur die Steckdosenvariante produziert, sondern gleich auch ein neuer E-Motor entwickelt werden.

Zweite Spur

Mit Details zum "High-Performance-Antrieb" hält man sich aber noch bedeckt. Offener geht man diesbezüglich zumindest mit Investitionssummen um. "Allein für den Bereich Entwicklung werden wir in den kommenden Jahren 230 Millionen Euro in die Hand nehmen", erläutert BMW-Steyr-Geschäftsführer Alexander Susanek.

Fahren will man bei BMW Steyr künftig dennoch zweigleisig: Die neue Liebe zur Elektrik wird erwartungsgemäß nämlich weiter intensiv begleitet von einer Verbrennerproduktion im großen Stil.

Der Umbruch am Standort Steyr wird für Besucher dennoch rasch sichtbar. Die Bagger sind bereits aufgefahren, alte Produktionsbereiche werden geschleift, neue Fertigungsstraßen errichtet. Gesamt wird die Produktionsfläche um 60.000 Quadratmeter erweitert.

Kanzler als Zuarbeiter

Bis 2030 soll die Hälfte der 4400 Beschäftigten im Bereich E-Mobilität tätig sein, von den 700 Entwicklern 90 Prozent. Die Mitarbeiterzahl soll stabil bleiben. Der Schritt in Richtung E-Mobilität werde Produktion und Standort langfristig absichern, ist Susanek überzeugt.

Was der beim Startschuss versammelten Riege an Bundes- und Landespolitikern ein zufriedenes Lächeln ins energiegetrübte Gesicht zauberte. Bundeskanzler Karl Nehammer (VP) würdigte die Investition von BMW als eine, "die in diesen unsicheren Zeiten Perspektiven gebe". Doch Kanzlerworte waren nicht genug. Nehammer musste beim Eröffnungsakt die Arbeitshandschuhe überstreifen und den BMW-Lehrlingen den Rotor für einen Elektromotor reichen. Was Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) erspart blieb. Dieser merkte aber an, dass man sich vor Transformation nicht fürchten brauche, sie sei "besser als Depression".

Bekenntnis zur "Zukunftsbranche"

Vor allem aber zeigte man sich vonseiten der Landespolitik erleichtert, dass nach dem heiklen MAN-Verkauf aus der "Wiege der Industrialisierung" jetzt positive Nachrichten kommen. "Das Investment ist ein wertvolles Bekenntnis einer Zukunftsbranche zum Arbeits- und Produktionsstandort Oberösterreich", ist Landeshauptmann Thomas Stelzer (VP) überzeugt.

Doch bei aller politischen Zufriedenheit bleibt eine Frage: Warum hat gerade Steyr beim weltweiten, BMW-internen Beautycontest das Rennen gemacht? "Ich werde Ihnen nicht verraten, wer die anderen möglichen Standorte waren. Aber über 40 Jahre Erfahrung im Bereich Antrieb machen Steyr zum idealen Standort", stellt Produktionsvorstand Milan Nedeljković klar.

Doch offensichtlich wurde von politischer Seite das BMW-Menü aber auch im Fördertopf servierfertig gemacht. "Wir wollen das im Bereich Entwicklung und Forschung in Anspruch nehmen. Noch gibt es aber keine Verträge", so Steyr-Vorstand Susanek.

Keine Angst vor Ansteckung: Neben dem Herzstück für Diesel- und Benzinboliden rollen künftig in Steyr die Elektromotoren vom Band. (Markus Rohrhofer, 20.6.2022)

Anmerkung: Dieser Artikel wurde aktualisiert