Die Rechtsanwältin Patricia Hofmann erklärt, was es mit dem Begriff "Grooming" auf sich hat und wie die österreichische Rechtslage diesbezüglich aussieht.

Viele kennen es vermutlich: Eine Nachrichtenanfrage auf Instagram von einer Gruppe oder einzelnen Personen, die man nicht kennt. Auf den ersten Blick kommt Verwunderung auf, wer das denn sein könnte. Bei näherem Hinsehen ist die Intention dahinter schnell klar. Die meisten Erwachsenen werden die Anfrage daher unbeachtet lassen und löschen. Erwachsene sind bei diesen Anfragen aber zumeist nicht jene, die der Absender ansprechen will. Vielmehr geht es um die Kontaktanbahnung mit Kindern zu einem ganz klaren Zweck. Im Fachjargon ist der Begriff "Grooming" geläufig.

Was ist Grooming?

Aus dem Englischen übersetzt bedeutet "grooming" nichts anderes als vorbereiten, pflegen, präparieren. Im Strafgesetzbuch findet man den "Tatbestand des Groomings" unter der Bezeichnung "Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen" (§208a StGB). Es geht dabei um das Vorschlagen oder Vereinbaren eines persönlichen Treffens mit der Absicht, an der unmündigen Person eine Sexualstraftat zu begehen. Nicht relevant ist, von wem die Initiative ausgeht, sodass auch das Opfer selbst das Treffen vorschlagen könnte. Vielmehr geht es um die Absicht hinter dem Treffen und darum, dass der Täter oder die Täterin für das Treffen bereits Vorbereitungen vornimmt, also beispielsweise eine Fahrkarte kauft oder sich auf den Weg zum Treffpunkt macht.

Online und offline

Der Täter oder die Täterin versucht sich zu Beginn meist das Vertrauen der Kinder zu erschleichen, gibt sich dafür häufig als gleichaltrig aus und zeigt Interesse beziehungsweise gibt vor, in schweren Situationen ein offenes Ohr zu haben. Die Anbahnung der Kontakte kann sowohl online als auch offline erfolgen. In den letzten Jahren hat allerdings das Cyber-Grooming aufgrund der Verschiebung des Soziallebens ins Netz deutlich zugenommen. Ziel ist häufig, pornografische Aufnahmen der Unmündigen zu bekommen. Das geschieht sowohl zu eigenen Zwecken als auch zur Weitergabe und vor allem, um Kontrolle über das Kind für etwaige spätere Forderungen ausüben zu können. In vielen Fällen geht es dem Täter oder der Täterin also gar nicht um ein persönliches Treffen, sondern lediglich um den Kontakt in Chatrooms oder per E-Mail, um dadurch zu pornografischen Bildern oder Videos der Unmündigen zu kommen.

Aber auch das persönliche Ansprechen auf der Straße oder in einem Lokal mit der gleichen Absicht und einer Täuschung über das Vorhaben des Täters oder der Täterin ist strafbar. Ein derzeit medial – nicht zuletzt aufgrund der neuen Dokumentation auf Sky – vieldiskutierter Fall, in dem scheinbar genau diese Vorgehensweise Usus war, ist jener von Ghislaine Maxwell.

Der Fall Ghislaine Maxwell

Die Ex-Partnerin des verstorbenen Jeffrey Epstein ist Ende Dezember 2021 nach mehrtägiger Beratung der Geschworenen vor einem New Yorker Gericht schuldig gesprochen worden. Maxwell wurde vorgeworfen, eine zentrale Rolle beim Rekrutieren junger Mädchen und dem Aufbau eines Rings zum sexuellen Missbrauch gespielt zu haben. Im Zusammenhang mit diesen Taten ist auch immer wieder der Begriff "Grooming" gefallen. Doch ist es nach den öffentlich bekanntgewordenen Aussagen der Opfer wohl nicht beim Anbahnen des Kontakts allein geblieben, sondern vielmehr zu darüber hinausgehenden Sexualstraftaten gekommen. Am 28. Juni soll nun das Strafausmaß im Fall Maxwell verkündet werden. Es bleibt abzuwarten, welche Strafhöhe die zuständige Richterin des New Yorker Gerichts für angemessen hält. DER STANDARD hat über den Prozess berichtet.

Gerichtszeichnung von Ghislaine Maxwell.
Foto: REUTERS/Jane Rosenberg

Problembewusstsein schaffen

Zurück nach Österreich: Aus der Verurteilungsstatistik der Statistik Austria ist zu entnehmen, dass es im Jahr 2021 zu elf Verurteilungen aufgrund der Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen gekommen ist. Das klingt zunächst wenig. Die geringe Anzahl ist jedoch unter anderem damit zu erklären, dass die Strafbarkeit entfällt, wenn die beabsichtigte Tat durch den Täter oder die Täterin sodann auch begangen wird. Um Kinder schon vorher zu schützen, ist neben der Sensibilisierung der eigenen Kinder auch ein solcher Straftatbestand von Bedeutung.

Es steht freilich außer Frage, dass Unmündige heutzutage über weitreichende technische Kenntnisse verfügen und uneingeschränkten Zugang zu Onlinenetzwerken haben. Oft fehlt es im Umgang damit aber am Problembewusstsein aufgrund ihres jungen Lebensalters. Opferschutzeinrichtungen empfehlen Eltern daher, Kinder über diese Gefahren im Netz aufzuklären, das Vertrauen und Problembewusstsein zu stärken sowie Unterstützung anzubieten. Denn eines ist klar: Kinder haben nie Schuld an diesen Vergehen und benötigen besonderen Schutz. Sollte das Kind über solche Kontakte berichten, empfiehlt es sich zunächst, den Kontakt im jeweiligen sozialen Netzwerk zu melden und zu blockieren, Beweise zu sichern und schließlich Anzeige zu erstatten. Um diese belastende Situation zu bewältigen, können auch Eltern professionelle Hilfe von Beratungsstellen in Anspruch nehmen. (Patricia Hofmann, 20.6.2022)