Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber brauchen besseren Schutz, so sieht es eine EU-Verordnung vor.

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Mit dem HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG) sollen jene Personen geschützt werden, die Rechtsverstöße aufdecken. Das HSchG nennt sie "Hinweisgeber", landläufig werden sie auch "Whistleblower" genannt. Was bedeutet das für Arbeitgeber und Arbeitnehmer? Das HSchG verpflichtet Arbeitgeber mit mehr als 50 Mitarbeitenden zur Einrichtung einer internen Meldestelle, regelt die Prozesse dieser Meldestelle und errichtet als zentrales Element einen sehr starken Schutz für – redliche – Hinweisgeber.

  • Reichweite Nicht alle Verstöße sind erfasst. Das HSchG schützt nur Hinweise zu den im Gesetz aufgezählten Rechtsbereichen wie beispielsweise öffentliches Auftragswesen, Finanzbereich, Geldwäsche, Produktsicherheit, Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit, öffentliche Gesundheit, Verbraucherschutz, Privatsphäre, Netzsicherheit oder Korruptionsdelikte. Das HSchG geht dabei aber über europarechtliche Vorgaben hinaus.

  • Schutz für Hinweisgeber Die Hinweisgeber und ihnen nahestehende Personen werden sehr stark geschützt. Das sind in der Praxis vor allem Arbeitnehmer. Sie haften nicht für die Folgen eines berechtigten Hinweises. Vergeltungsmaßnahmen gegen sie sind unwirksam (z. B. Kündigungen, Versetzungen, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen etc.) oder lösen Schadenersatzpflichten aus. Darüber hinaus drohen für diese Vergeltungsmaßnahmen Verwaltungsstrafen von bis zu 20.000 Euro.

    Voraussetzung für diesen Schutz: Der Hinweisgeber muss zum Zeitpunkt seines Hinweises auf der Grundlage der tatsächlichen Umstände und verfügbaren Informationen hinreichende Gründe annehmen können, dass seine Hinweise wahr sind und jene Rechtsbereiche betrifft, die das HSchG erfasst (siehe oben). Dafür ist der Hinweisgeber beweispflichtig. Diese Voraussetzungen dürfen aber nicht überspannt werden: Bei der rechtlichen Einschätzung ist vom Wissenshorizont eines nicht rechtskundigen Menschen auszugehen, der sich mit den Grundzügen des Gesetzes auseinandergesetzt hat.

  • Interne Meldestelle Arbeitgeber müssen ab 50 Mitarbeitern eine interne Meldestelle einrichten. Diese Meldestelle ist mit den notwendigen finanziellen und personellen Mitteln auszustatten. Das HSchG lässt leider ungeregelt, was das genau für die Arbeitgeber bedeutet. Es wird aus meiner Sicht von der Unternehmensgröße und der Risikogeneigtheit der unternehmerischen Tätigkeit abhängen.

    Das HSchG regelt dafür sehr genau die Vertraulichkeit der Prozesse der Meldestelle, insbesondere die Identität der Hinweisgeber und der ihnen nahestehenden Personen, aber auch jene der betroffenen Personen ist sehr gut geschützt. Wichtig ist: Die Meldestelle muss auch anonymen Hinweisen nachgehen, und auch der anonymen Hinweisgeber ist geschützt. Für kleine Arbeitgeber bedeutet das einen möglicherweise erheblichen Aufwand, weil sie digitale Systeme zukaufen müssen, welche die detaillierten Voraussetzungen des HSchG erfüllen können.

    Es gibt auch Handlungspflichten: Die interne Meldestelle muss jeden Hinweis prüfen, den Eingang des Hinweises binnen sieben Tagen bestätigen und spätestens nach drei Monaten den Hinweisgeber informieren, welche Folgemaßnahmen ergriffen wurden oder warum der Hinweis nicht weiterverfolgt wird. In der Praxis gibt es hier einen weiten Handlungsspielraum: Was wird wie und wie lange ermittelt? Wer wird durch wen befragt? Werden externe Experten hinzugezogen? Welche Sanktionen gibt es? Welche Maßnahmen werden zur Verhinderung weiterer Rechtsverletzungen gesetzt? Werden die Strafvollzugsbehörden informiert? Gibt es öffentlichkeitswirksame Maßnahmen? Für kleinere oder unerfahrene Arbeitgeber kann das eine große Belastung sein, weil sie allenfalls Know-how zukaufen müssen.

    Interessanterweise gibt es keine Sanktionen, wenn ein Arbeitgeber keine interne Meldestelle einrichtet. Allerdings sagt das HSchG sehr klar, dass es die Einrichtung von internen Meldestellen favorisiert.

  • Befassung von externen Stellen Das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) wird als allgemeine externe Stelle für Hinweise nach dem HSchG eingerichtet. Hinweisgeber können frei zwischen interner oder externer Meldestelle wählen. Die externe Meldestelle muss analog zur internen alle Hinweise prüfen und die notwendigen Ermittlungen selbst führen oder eine zuständige Behörde um Ermittlungen bitten.

    In der Praxis werden wohl oft auch die Strafvollzugsbehörden die Ermittlungen übernehmen. Die Zusammenarbeit mit dem betroffenen Unternehmen ist ungeregelt. Das BAK soll nach den Ermittlungen auch die notwendigen Maßnahmen setzen, wobei mir nicht klar ist, wie diese Folgemaßnahmen aussehen sollen, insbesondere wenn es keine Zusammenarbeit mit dem betroffenen Unternehmen gab und das BAK keine Eingriffsrechte beim Unternehmen hat.

    Wenn ein Arbeitgeber – etwa aus Kostengründen oder wegen mangelnder Risikogeneigtheit – keine interne Meldestelle eingerichtet hat, kann der Hinweisgeber nur die externe Meldestelle anrufen. Für den Hinweisgeber bedeutet das eventuell eine höhere Hemmschwelle. Für den Arbeitgeber bedeutet das wohl eine anfängliche Kostenersparnis, aber durch eine externe Untersuchung (eventuell durch Strafvollzugsbehörden) besteht auch das größere Risiko von Reputationsschäden und suboptimalen Folgemaßnahmen, weil Außenstehende weniger Sachkenntnis vom Unternehmen haben.

  • Beweislastumkehr Es wird vermutet, dass eine Benachteiligung eine Vergeltungsmaßnahme wegen des Hinweises war. Die Person, welche die Benachteiligung gesetzt hat, muss glaubhaft machen, dass sie gerechtfertigt war und keine Vergeltungsmaßnahme ist. Für einen redlichen Arbeitnehmer ist das ein großer Vorteil, für den betroffenen Arbeitgeber kann das bei den Folgemaßnahmen ein erhöhtes Risiko und Einschränkung seines Gestaltungsspielraums bedeuten.

  • Bewertung Aus Sicht der Praxis ist das HSchG zu begrüßen, denn ohne Schutzmaßnahmen riskieren Whistleblower existenzbedrohende Gerichtsprozesse, Repressalien am Arbeitsplatz und im Privatleben. Die Regelungen des HSchG erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung von Rechtsverstößen beträchtlich, und das Insider-Wissen der Hinweisgeber ermöglicht die substanzielle Aufklärung und Setzung von Folgemaßnahmen. Leider lässt das HSchG viele Fragen offen, wodurch Unsicherheiten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber entstehen. Es ist zu hoffen, dass im Begutachtungsprozess noch einige Unsicherheiten geklärt werden können. (21.6.2022)