Nahe genug für eine genaue Atmosphärenuntersuchung: Die beiden Supererden HD 260655 b und HD 260655 c sind nur 33 Lichtjahre von der Erde entfernt.

Illustr.: NASA / JPL-Caltech

Seit vor über einem Viertel Jahrhundert die Existenz von Exoplaneten bestätigt wurde, durften Astrophysikerinnen und Astrophysiker in der Milchstraße eine Vielzahl merkwürdiger Welten beobachten – Planetensysteme, neben denen das unsrige geradezu schlicht erscheint. Allein anhand von Helligkeits-, Spektral- und Bewegungsmessungen bei Sternen identifizierten die Forschenden "Super-Puffs", "Heiße Jupiter", "Supererden" und viele weitere Exoten.

Zwischenwelten

Letztere zählen zu den am häufigsten beobachteten Exoplaneten. Rund ein Drittel der sonnenähnlichen Sterne in unserer Heimatgalaxie dürfte von einer Supererde umkreist werden, schätzen Forschende. Eine genau definierte Kategorie ist diese Bezeichnung freilich nicht, in den letzten Jahren hat sich der Begriff jedoch für Welten eingebürgert, deren Masse zwischen der doppelten und der sieben- bis 20-fachen Masse der Erde liegt.

Genau genommen rangieren Supererden im Grenzbereich zwischen Felsplaneten und Gasriesen. Über ihre Oberflächenbeschaffenheit sagt die Bezeichnung nichts aus. Aufgrund der größeren Anziehungskraft und der damit verbundenen höheren Atmosphärendichte wäre "Gaszwerg" für die massereicheren unter den Supererden wohl ein korrekterer Begriff. Hier scheint sich jedoch "Mini-Neptun" durchgesetzt zu haben.

Heiße Planeten

Gleich zwei Supererden aus dem unteren Massebereich hat nun ein internationales Team anhand von Daten des Nasa-Weltraumteleskops Tess (Transiting Exoplanet Survey Satellite) entdeckt. Es dürfte sich um Felsplaneten handeln, kaum größer als die Erde. Die schlechte Nachricht vorneweg: Für Leben, wie wir es kennen, ist es dort mit jenseits der 200 Grad Celsius eindeutig zu heiß. Die gute Nachricht: Die beiden feurigen Exoplaneten befinden sich praktisch in unserem kosmischen Vorgarten.

Der rote Zwergstern HD 260655, den die Supererden umkreisen, liegt nur in 33 Lichtjahren Entfernung. In diesem winzigen Ausschnitt der Milchstraße existieren weniger als 500 bekannte Sterne, viele von ihnen mit einem Planetensystem. Die geringe Distanz macht die neuen Welten zu hervorragenden Zielen für die Erforschung fremder Atmosphären. "Diese Planeten sind aufgrund der relativ hohen scheinbaren Helligkeit des Wirtssterns hervorragende Ziele für weitere atmosphärische Studien", sagt Karan Molaverdikhani von der Universitätssternwarte der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Durchmesser und Masse

Doch auch die bisherigen Analysen können sich sehen lassen: Mithilfe des Planetenjägers Tess beobachteten die Forschenden um Rafael Luque vom Andalusischen Institut für Astrophysik (Spanien) winzige Helligkeitsveränderungen, wenn die beiden Planeten vor ihrem Stern vorbeizogen. Diese Transits lieferten Aufschlüsse über den Durchmesser der zwei Welten.

Die Forschenden nutzten auch Daten von bodengestützten Spektrografen, wie Carmenes am 3,5-Meter-Teleskop auf dem Calar Alto in Spanien, um die Existenz der beiden neuen Planeten zu bestätigen. Die Teleskope messen das "Taumeln" eines Sterns, welches durch die Gravitationskräfte der ihn umkreisenden Planeten verursacht wird und aus dem sich die Masse der Planeten errechnen lässt.

Der Transiting Exoplanet Survey Satellite (TESS) misst winzige Veränderungen des Sternenlichts, wenn ein Planet vor seinem Stern vorbeizieht.
Illustr.: MIT/TESS team

Aus der Kombination der Messungen konnten die Forschenden die Dichte der beiden Planeten bestimmen und bestätigten somit, dass es sich um felsige Welten handelt, die nicht nur geringfügig größer und massereicher als die Erde sind. Planet b ist etwa 1,2-mal und doppelt so massereich, Planet c 1,5-mal so groß und dreimal so massereich wie die Erde.

Ziel künftiger Beobachtungen

Aufgrund der geringen Distanz zum Zentralgestirn herrschen dort feurige Bedingungen. Die Temperatur auf Planet b, der dem Wirtsstern am nächsten ist, wird auf über 430 Grad Celsius geschätzt, auf Planet c könnten es immer noch etwa 280 Grad Celsius sein. Die Messungen deuten dabei darauf hin, dass die Planeten keine ausgedehnten Wasserstoffatmosphären besitzen.

Das Exoplanetenpaar wäre gerade für das neue James-Webb-Weltraumteleskop ein hervorragendes Ziel, vielleicht könnte sogar das Hubble-Weltraumteleskop das Licht des Sterns einfangen können, welches durch die Atmosphären dieser Planeten scheint. Spektroskopische Untersuchungen werden es dem Wissenschaftsteam künftig ermöglichen, Rückschlüsse auf die Zusammensetzung und Struktur ihrer Atmosphären zu ziehen – und vielleicht sogar das Klima auf diesen terrestrischen Exoplaneten rekonstruieren. (tberg, red, 20.6.2022)