Die Neos-Nationalratsabgeordnete Stephanie Krisper fordert die Einberufung des Ständigen Unterausschusses des Innenausschusses (Geheimdienstausschuss), um die Sicherheitsbedrohung durch die wirtschaftliche und politische Abhängigkeit von Russland zu prüfen. Konkret bezieht sie sich auf die ausdrücklichen Warnungen eines westlichen Geheimdienstes im Jahr 2015 vor der Bestellung des deutschen Managers Rainer Seele zum Vorstand der OMV.

Sebastian Kurz, Wladimir Putin, Rainer Seele und Alexey Miller.
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In den folgenden Jahren hat bekanntlich der von der damaligen rot-schwarzen Regierung trotzdem ernannte Mann mit engen Russland-Kontakten dafür gesorgt, dass auf der Grundlage des 2018 abgeschlossenen Vertrags 80 Prozent des heimischen Gasverbrauchs bis 2040 ohne eine Ausstiegsklausel von Russland gedeckt werden soll. Auch bei Nichtabnahme der Lieferungen muss der teilverstaatlichte Konzern zahlen.

Es wäre freilich falsch, für die heute sichtbaren verhängnisvollen Folgen den nach der vorzeitigen Verlängerung der Gaslieferverträge im Jahr 2018 mit dem "Orden der Freundschaft der Russischen Föderation" ausgezeichneten Seele als verantwortlich zu betrachten. Aufsichtsratschef der Staatsholding ÖIAG, dem Teileigentümer der OMV, war der lange Jahre für den russischen Oligarchen Oleg Deripaska tätige Unternehmer Siegfried Wolf, dessen Lobeshymnen auf die Führungsstärke Wladimir Putins allgemein bekannt sind.

Sonderstellung

Der als größter heimischer Putin-Bewunderer geltende Wolf hatte maßgeblich zur Bestellung Seeles beigetragen. Er hatte übrigens wie der damalige Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bereits 2016, also zwei Jahre vor Seele, den russischen Freundschaftsorden von Putin erhalten. Der für die Staatsholding zuständige damalige ÖVP-Finanzminister Hans-Jörg Schelling besitzt zwar keinen russischen Orden, bekam aber nach dem Ende seiner Politkarriere einen Beratervertrag bei der Gazprom.

Nichts könnte die Sonderstellung Wolfs während der türkis-blauen Ära besser illustrieren als die Tatsache, dass er den amtierenden Bundeskanzler Sebastian Kurz um Intervention während seiner USA-Reisen bei den zuständigen Kabinettsmitgliedern zugunsten seines auf der US-Sanktionsliste stehenden Partners Deripaska bat. Kurz, der übrigens 2018 Putin viermal (!) getroffen hatte, soll in Washington laut den Chatprotokollen die Bitte Wolfs gerne erfüllt haben.

Den weltweit registrierten Höhepunkt der Erfolgsserie der Putin-Freunde markierte wohlgemerkt nach der Krim-Annexion die Walzereinlage Putins bei der Hochzeit der FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl, die nach ihrem Rücktritt und nach ihrer kurzzeitigen Ehe durch einen fürstlich honorierten Aufsichtsratsposten bei Gazprom durch den Diktator getröstet wurde. Diesen musste sie allerdings nach Sanktionsdrohungen aus Brüssel aufgeben.

Die Kanzlerschaft von Kurz symbolisierte zweifellos den Höhepunkt der Freundschaft zwischen Wien und Moskau. Seine Vorgänger im Bundeskanzleramt – Wolfgang Schüssel, Alfred Gusenbauer und Christian Kern – waren allerdings auch, jeweils in unterschiedlicher Weise, maßgebliche "Putin-Versteher". Die Initiative der Neos könnte einen staatspolitisch wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der österreichischen Russland-Politik bedeuten. (Paul Lendvai, 21.6.2022)