Freunde, deren Kinder beim Slovan HAC in Wien-Breitensee spielen, erzählen, dass die dortige Kantineuse die besten Fleischlaberln der Stadt anbieten würde. Das wäre ja schon Grund genug für einen Besuch, dazu kommt aber: Der Slovan feiert sein 120-jähriges Bestehen. Also fahren wir da hinaus, U3-Station Kendlerstraße, und verirren uns gleich in die falsche Richtung zum Red-Star-Platz auf der anderen Seite der Straße. Endlich in der richtigen Ecke angekommen, dringt uns noch nicht der Geruch der Laberln in die Nase, dafür das Geschrei dutzender Kinder an die Ohren, die hier am Freitagnachmittag hinter dem Maschendrahtzaun trainieren. "Niko! Da rüber!"

Der Platz vor der Kantine ist ausgelegt mit dem alten Kunstrasen, der auf dem Spielfeld vor ein paar Jahren dem neuen gewichen ist, in der Kantine selbst begrüßt uns Jutta Burg zusammen mit ihrer Schwägerin Elfi. Seit 14 Uhr hat sie heute Laberln zubereitet, zwei Stunden lang sechs Kilo Gemischtes nach einem Geheimrezept der Oma angerührt und dann in Rapsöl mit der für ihre Laberln typischen Panade, "die sie innen so saftig bleiben lässt", herausgebacken. Um 16 Uhr, kaum hat sie aufgesperrt, war der Platz voll mit Spielern, Eltern, Funktionären, die über das Wochenende die 65 Laberln verputzen werden wie nix, im Semmerl um wohlfeile 3,60 Euro.

65 Laberln an zwei Tagen verputzen die Besucher der Slovan-HAC-Kantine von Jutta Burg.
Foto: Christian Fischer

Juttas Mama hat das Café Steppan auf der Huttengasse drüben in Ottakring betrieben, "wie der Zeugwart da aufgehört hat, hat man sie gefragt, ob sie das machen will". 31 Jahre lang war sie dann jeden Vormittag hier am Platz und hat die Dressen gewaschen. Nachmittags und abends arbeitete sie im Café wie später die Tochter, die 1991 die Kantine übernommen und sie 20 Jahre lang parallel zum Café geführt hat – "Doppelbelastung!". Nebenbei ist sie noch Obfrau und Kassierin. Ihr Lebensgefährte Herbert "Bertl" Friedrich, 59 und "die Legende", macht den Platz- und Zeugwart, seit er in Pension ist, seine Schwester Elfi hilft, wo sie kann. "Der Traum war das eigentlich nicht", lacht Jutta. "Aber nachdem es halt so ist, ist es halt so." – "Der Traum ist ein Lottosechser", ergänzt Elfi.

Der Dressenbeamte

Die "Legende" kommt zurück vom Rasenmähen, auf dem Platz ist er zu Hause, seit er fünf war. "Ich hab schon der Mama geholfen", sagt er, "die das gemacht hat, bis sie 82 war." Mit 84 ist sie gestorben. "Die Wäsche und der Platz gehören mir", markiert er das Revier, die Dressen legt er so schön zusammen, dass die neuen Trainer immer sagen, so akkurat zusammengelegte Dressen hätten sie noch nie gesehen. "Ich war Beamter", lacht er, "Zusteller bei der Post von fünf bis 14 Uhr. Danach bin ich herausgefahren und hab geholfen."

Herbert "Bertl" Friedrich (59) ist der Platz- und Zeugwart.
Foto: Christian Fischer

Der Bertl war, "na ja, ein guter Kicker schon. Aber mit 20 bin ich lieber fortgegangen mit den Mädels, die waren mir lieber als die Plackerei." Beim Fortgehen hat er dann die Jutta kennengelernt. Mittlerweile sind sie dreißig Jahre zusammen und so oft am Platz, dass die Jutta die Dancing Stars aufnehmen muss, wenn sie die sehen wollen.

Freilich sind sie gerne hier, sonst wären sie es ja nicht. "Aber es ist nimmermehr so, wie es früher war", sagt der Bertl. "Das Wienerische, das Gemütliche fehlt. Die neuen Mitbürger – ich hab gegen keinen was! Aber die können oft untereinander schon nicht, nehmen den andern nicht mit im Auto. Das ist ja ein Wahnsinn!" Und überhaupt, das Verhalten der Leute: "Wenn die Kampfmannschaft spielt", sagt die Elfi, "stehen zehn beim Fenster vor der Kantine und warten, aber einer drängt sich garantiert vor und schreit: I wü a Melange!" Oder wenn die Kleinen spielen: "Foult einer seinen Buam, regt sich da Voda auf. Die Kleinen haben sich schon längst die Hand gegeben, aber die Alten streiten immer noch."

Legende von Wien

Der Bertl schüttelt den Kopf, und die Elfi wechselt das Thema: "Tiere haben wir auch da am Platz! Vier Dachse, solche Waschln, leben unter der Tribüne, und der Fuchs spielt sich am Platz mit dem Ball, wenn die Buam trainieren. Die Raben tun die Mistkübel in den Kabinen ausräumen, auf den Flutlichtmasten sind ihre Nester. Einmal hat sich einer im Zaun verhängt, und der Bertl wollt ihn retten mit dem Besenstangerl. Auf einmal ist der Himmel ganz schwarz worden, so viele Raben sind gekommen ..."

Ein Jugendleiter wollte einmal einsparen, erzählt die Legende: "Du kriegst zu viel!", hat er zu ihm gesagt. "Gib mir fünf Euro in der Stund, und am Monatsende rechnen wir ab", hat der Bertl geantwortet. Am Monatsende ist der Jugendleiter zu ihm gekommen und hat gebeten: "Können wir’s so lassen, wie es war?"

Der Nachwuchs des Slovan HAC, die Motivation von Jutta Burg:
"Man lebt mit den Kleinen am Platz mit, manche sind ganz herzig."
Foto: Christian Fischer

32 Stunden sind sie alleine jedes Wochenende hier, freie Tage haben sie praktisch nie, für die Fußpflege der Jutta müssen sie sich eine Stunde freischaufeln. Warum sie es trotzdem machen? "Es kommt halt viel zurück von den Kindern", sagt die Jutta. "Wir haben viele Freunde hier, man lebt mit den Kleinen und Großen mit, sind alle lieb, manche ganz herzig." Und der Bertl ist halt eine Legende, die sie in halb Wien kennen.

Er hat den Umbau der Anlage begleitet, Bier und Brause für die Hackler bereitgestellt. Wenn sie auswärts spielen, haut er die sauberen Dressen in eine Tasche und nimmt die dreckigen wieder mit hierher, plus die Pulsmesser. "24 Stück. In der vierten Liga! Ich sag’s nur! Das bringt nämlich ned amoi da Rapid wos, wennst dir anschaust, was die zsammspün!" Aber natürlich: "In der Kampfmannschaft sind lauter super Burschen, so eine leiwande Partie haben wir noch nie gehabt. Da wird gegrüßt, die wissen, was sich gehört." Und das, sagt Elfi, sei das Wichtigste. "A Mensch muaßt sein, einen Anstand muaßt ham."

Urlaub wie Hans Krankl

"Am Montag", sagt der Bertl, "fahr ich nach Italien zehn Tag, ich muss die Akkus aufladen, das geht nimmermehr. Weißt, das Rasenmähen macht dich auch älter." Er mäht ihn, so kurz es geht, fast englisch. "Aber jetzt haben sie angesagt, Samstag, Sonntag Regen, und was glaubst, wie das ausschaut in zehn Tagen?" Urlaub machen wird er wie der Hansi Krankl an der oberen Adria, in Lignano Sabbiadoro, "Vorsaison, immer das Gleiche. Bevor die Schwindlichen runterkommen, da musst du dich genieren als Österreicher, wennst siehst, was die aufführen. Ich mein, ich war auch jung, auch blöd, aber so? Da hätten wir eine in die Pfeifn gekriegt."

"Wenn ich und meine Frau und die Elfi das nimmermehr machen, ich weiß nicht, ob das überlebt", sagt der Bertl zum Abschied. Aber solange sie da sind, "halten wir 250 Kinder weg von der Straßn. Und es gibt a Wurschtsemmerl, a Schnitzerlsemmerl, a Liptauerstangerl und die Fleischlaberln." Und die sind "a Wahnsinn". (Manfred Rebhandl, 22.6.2022)