Die Luegbrücke auf dem Brenner muss neu gebaut werden. Zugleich stehen Tunnelsanierungen auf der A10 an.

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Knapp zwei Kilometer lang und mehr als baufällig: Die in den 1960er-Jahren erbaute Luegbrücke auf der Brennerautobahn (A13) muss dringend generalsaniert werden. Das ist seit längerem bekannt und sorgt für Verstimmung zwischen den Autobahn-Anrainergemeinden im Wipptal sowie dem Land Tirol auf der einen Seite und dem Verkehrsministerium mitsamt dem Autobahnbetreiber Asfinag auf Bundesebene. Man schiebt sich gegenseitig den schwarzen Peter zu, was die lange Verzögerung angeht. Denn mittlerweile ist die Brücke derart desolat, dass sie für den noch laufenden Betrieb abgesichert werden muss, damit sie nicht einstürzt. Kostenpunkt: 18 Millionen Euro.

Langfristig muss die Luegbrücke praktisch neu gebaut werden, was die Asfinag, also den Steuerzahler, mindestens 300 Millionen Euro kosten wird. Doch es sind nicht die Kosten, um die eine Diskussion entbrannt ist, sondern es sind die Baumaßnahmen selbst, die seit nunmehr fast zwölf Jahren Streitthema sind, wie Stefan Siegele, der Asfinag-Geschäftsführer für Tirol, erklärt.

Planungen laufen seit zwölf Jahren

Begonnen habe man die Vorbereitungen und Planungen zur nötigen Sanierung der Luegbrücke bereits im Jahr 2010. Fünf Jahre später sei man mit den Gemeinden entlang der A13 in Kontakt getreten und habe verschiedene Lösungsvarianten vorgestellt. Darunter auch ein Neubau als Tunnel, eine Variante die bis heute von den direkt betroffenen Gemeinden bevorzugt und auch vom Land Tirol unterstützt wurde.

Um eine Entscheidung herbeizuführen, wurde ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Damit wollte man besser einschätzen können, ob der Brückenneubau oder die Tunnelvariante die bessere Lösung sei. Land Tirol, Asfinag und Gemeinden gaben es gemeinsam in Auftrag. Sieben internationale Fachleute unter Leitung von Konrad Bergmeister, italienischer Ingenieur und Universitätsprofessor, sollten ein Urteil treffen, das für die Auftraggeber bindend sein sollte, wie vereinbart wurde. 2020 kamen die Fachleute zu dem Schluss, dass der Brückenvariante der Vorzug zu geben sei. Bei insgesamt fünf Bewertungskriterien schnitt diese Variante vier Mal besser ab als die Tunnellösung.

Baubeginn wurde verzögert

"Wir hätten schon 2020 mit dem Bau begonnen", erklärt dazu Siegele. Dann wäre man bis 2024 bereits mit der talseitigen Brücke fertig gewesen. Für den Verkehr wären für die Zeit der Arbeiten trotzdem je zwei Spuren verfügbar geblieben. "Und wir hätten langfristig für jede Fahrtrichtung je eine Brücke geschaffen, mit eigenem Tragwerk. Damit wären wir gut aufgestellt gewesen für die in Zukunft zu erwartenden Sanierungsarbeiten", beschreibt Siegele die Vorteile, die ein zeitgerechter Start gebracht hätte.

Allerdings wurde der Start der Bauarbeiten durch Einsprüche verzögert. Dabei sei die Tunnellösung ohnehin "vom Tisch", wie Siegele erneut gegenüber dem STANDARD betont. Dass sich nun viele überrascht davon zeigen, dass das Zeitfenster für die Brückensanierung immer enger wird, erstaunt Asfinag-Geschäftsführer Siegele: "2024 ist erneut eine Detailuntersuchung des Tragwerks nötig. Wenn dabei herauskommt, dass der Verkehr so nicht weitergeführt werden kann, ist die letzte Maßnahme die Einspurigkeit."

Sprich, dann müsste die Brennerautobahn im Bereich Luegbrücke für die Dauer der nötigen Arbeiten zum Neubau – was mindestens zwei Jahre in Anspruch nehmen wird – mit jeweils nur einer Fahrspur in jede Richtung auskommen. Wer die A13 kennt, weiß, dass dort eine Fahrspur schon jetzt permanent mit Lkw-Transit besetzt ist. Auch die Asfinag warnt vor massiven Auswirkungen, die diese Situation für die gesamte Region Tirol haben würde. "Wir müssen uns auf dieses Szenario vorbereiten", sagt Siegele.

Auch auf der A10 stehen Arbeiten an

Daher wurden bereits Gutachten in Auftrag gegeben, die den Verkehrsstrom analysieren. Denn nicht nur in Tirol drohen Engstellen mit massiven Behinderungen. Auch auf der A10 Tauernautobahn, neben dem Brenner die zweite wichtige Nord-Süd-Achse, sind unaufschiebbare Tunnelsanierungen geplant. "Wenn es auf dem Brenner zu Dosierungen und Engstellen kommt, wird es zu Ausweichverkehr über die A10 kommen", weiß man bei der Asfinag, wie Siegele bestätigt. Angesichts der enormen Behinderungen rund um Pfingsten auf diesen Routen warnen Verkehrsexperten vor drohendem Stillstand, wenn auf beiden Strecken auch noch Bauarbeiten durchgeführt werden müssen. "Es wird zu gravierenden Behinderungen für alle kommen", sagt Siegele.

Daher appelliere man an die Gemeinden und auch an das Land Tirol, "nicht alles in die Länge zu ziehen". Für den Asfinag-Experten wird im Fall der Luegbrücke versucht, "mit einem Infrastrukturprojekt Verkehrspolitik zu machen". Doch die Asfinag könne nicht beeinflussen, wie viel Verkehr fließe. Man habe nur für den sicheren Verkehrsfluss zu sorgen.

Anrainerschutz sei überfällig

Seitens des Landes Tirol sieht Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) aber sehr wohl die Asfinag und den Bund in der Pflicht: "Das ist eine Bundesgeschichte, die Verkehrsministerin ist zuständig und muss handeln." Tirol habe stets die Gemeinden unterstützt, die Asfinag hingegen mit einer Sperre der A13 gedroht: "Wir äußern Wünsche, und dann wird das vom Bund verrechtlicht. Langsam geht uns die Zeit aus."

Für Geisler geht es um mehr als nur die Luegbrücke. Die gesamte Brennerautobahn sei ein Sanierungsfall. Und es fehle vor allem an Lärmschutzmaßnahmen, nicht nur entlang der Autobahn, auch und vor allem entlang der Eisenbahn, die direkt durch die Ortschaften führt. Bis der Brennerbasistunnel fertiggestellt ist, dauere es noch zehn Jahre. Bis dahin brauche es andere, brauchbare Lösungen zum Schutz der Anrainer, fordert Geisler.

Tirol will Pkw-Verkehr dosieren

Tirol lässt daher bereits Möglichkeiten prüfen, ob und wie der Transitverkehr über den Brenner weiter dosiert und begrenzt werden könnte, ohne dass ein Vertragsverletzungsverfahren durch die EU droht. Für Geisler sind die nördlichen Nachbarn hier Vorbild: "Unsere bayrischen Freunde machen mit ihren komischen Grenzkontrollen seit 2015 vor, wie man auch den Pkw-Verkehr dosieren kann." Dass es mehr Lkw-Dosierung braucht, stehe ohnehin außer Frage.

Wobei auch Geisler dazusagt, dass es wohl wenig Sinn mache, sich das Leben verkehrspolitisch gegenseitig schwerzumachen: "Wir werden ein Gesamtkonzept für den Brenner brauchen." Und anders als Stefan Siegele, der als Straßenerhalter nicht Verkehrspolitik machen kann und will, sagt Geisler: "Wenn die Fachleute nicht weiterkönnen, muss eine politische Lösung her." Im Fall der Luegbrücke wird wohl beides nötig sein, um den Verkehr am Laufen zu halten. (Steffen Arora, 20.6.2022)