Für TV-Konfrontationen wie jene zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen soll das französische Publikum künftig keine Gebühr mehr zahlen. Das Geld soll aus dem Staatshaushalt kommen.

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Die Rundfunkgebühr für France Télévisions und Radio France beträgt derzeit 138 Euro. Das sind 22 Euro mehr als vor zwanzig Jahren und bedeutend weniger als etwa in Österreich. Emmanuel Macron will diese "redevance" nun aber aufheben. Kurz vor den Präsidentschaftswahlen im April versprach er zur allgemeinen Überraschung, er befreie die Steuerzahler von dieser Sonderabgabe. In der ersten Regierungssitzung nach der Wahl bestätigte Sprecher Gabriel Attal, sie werde "in diesem Jahr dauerhaft abgeschafft". Das neugewählte Parlament solle im Juli, also noch vor der Sommerpause, darüber befinden.

Staatsbudget statt Gebühr

Was Attal nicht explizit sagte, sich aber von selbst versteht: Die wegfallenden Gebühreneinkünfte von gut drei Milliarden Euro sollen in Zukunft aus dem allgemeinen Staatsbudget kommen. Der Plan verschlug den Betroffenen zuerst schlicht die Sprache. In Österreich versuchte das die ÖVP-FPÖ-Regierung 2019 umzusetzen – doch das Ibiza-Video ließ die Umsetzung platzen.

In Paris diskutierte man den Schritt seit Jahrzehnten. Auch Macrons sozialistischer Vorgänger François Hollande wollte den öffentlichen Rundfunk von Grund auf reformieren, sein Projekt schaffte es aber nie aus den Schubladen.

So besteht France Télévisions weiterhin aus den – schlecht definierten – Ketten France 2, France 3, France 4, France 5, France 24 und TV5 Monde. Besser abgegrenzt ist nur Arte-France. Zu Radio France kommen Radio France International (RFI), das in Afrika viel gehört wird, die Lokalsender Radio Bleu sowie Überseesender. An Überschneidungen mangelt es nicht.

Gebührenfrei streamen

Von den 28 Millionen französischen Haushalten zahlen nur 23 Millionen die Gebühr. Ausgenommen sind Sozialfälle sowie fernsehlose Menschen. Diese werden immer zahlreicher: Heute haben 92 Prozent zu Hause ein TV-Gerät, vor einem Jahrzehnt waren es noch 98,3 Prozent. Jüngere Menschen ziehen Computer, Tablets, Handys vor.

Sie verfolgen Filme, Serien, Sport und Dokus lieber im Streaming, also nicht mehr über französische Fernsehkanäle, sondern über das Angebot amerikanischer Großkonzerne wie Netflix, Amazon oder Disney.

Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in Europa überlegen sich seit langem, wie sie dieser neuen Konkurrenz begegnen können. Macron verfolgt allerdings keine medienpolitischen, sondern rein finanzielle Absichten mit dem Gebühren-Ende: Wie zuvor die Wohnsteuer verspricht er die daran gekoppelte Rundfunkabgabe aufzuheben, um nach seinen Worten "die Kaufkraft der französischen Haushalte zu steigern". Der Präsident argumentiert, die Finanzierung über das progressive Steuersystem sei sozialer als eine Jahresgebühr, die für Arme wie Reiche gleich hoch sei.

Dem Vorhaben erwächst nun aber Widerstand von vielen Seiten. Die überrumpelte Journalistengewerkschaft SNJ organisiert in aller Hast einen Streik, er soll am 28. Juni stattfinden. Sie befürchtet vor allem "populistische und verheerende" Interventionen der Behörden: Sie hätten über das Staatsbudget mehr Einfluss als über eine fixe Jahresgebühr, behauptet die SNJ.

Kultur läuft Sturm

Filmemacher und Kulturarbeiter laufen ihrerseits Sturm gegen Macrons Vorhaben. Der Drehbuchautor Jacques Kirsner brachte es in einem Beitrag in Le Monde auf den Punkt: "Die Rundfunkgebühr gewährleistet die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Unternehmen. Sie abzuschaffen hieße, die Finanzierung in die Hände politischer Machthaber zu geben!" Macron beteuerte auf dem Radiosender France-Inter, er wolle die Unabhängigkeit der – als linkslastig geltenden – öffentlich-rechtlichen Programme nicht antasten. Sie erhielten neben den Gebühreneinnahmen von drei Milliarden schon heute zusätzlich 700 Millionen Euro aus dem Staatshaushalt; wenn, dann seien Einflussversuche schon darüber möglich.

Einspruch gibt es auch im konservativ dominierten Senat, dem parlamentarischen Zweitrat Frankreichs. Der Republikaner Jean-Raymond Hugonet wirft Macron vor, er verfolge rein "wahlpolitische" Ziele. Dabei wäre es wichtig, die europäischen Medien gegen die Streaming-Giganten zu wappnen. Dies erfordere eine großangelegte Medienreform, die weit über die Gebührenfrage hinausgehe.

Französische BBC

Der konservative Senator schlägt vor, France Télévisions und Radio France zu einer Art französischer BBC zu fusionieren. Als Kern hätte sie eine einzige Redaktion und Newsplattform aus TV- und Radio-Leuten. Nur so entstehe eine ausreichend starke Schlagkraft gegen die US-Konkurrenz, glaubt Hugonet. Unterstützt wird er in dieser Idee vom ehemaligen Vorsteher von Radio France, Mathieu Gallet.

Die Gewerkschaften sind aber vehement dagegen; sie befürchten auch, dass viele der 4500 betroffenen Journalisten Opfer einer Fusion würden. Damit räumen sie indessen selber ein, dass Stationen wie France 3 oder France Bleu in vielen französischen Städten und Regionen überlappend arbeiten.

Arte-Chef Bruno Patino befürchtet seinerseits eine Senkung der Beiträge. Andere Macher verlangen, dass die Gebührenabschaffung zumindest so lange ausgesetzt bleibe, bis die Frage der Streaming-Besteuerung geregelt ist.

Macrons Wahlniederlage am Sonntag könnte die Reform zusätzlich verzögern. (Stefan Brändle aus Paris, 21.6.2022)