Die Ukraine und die Republik Moldau könnten EU-Kandidatenstatus bekommen. Doch jene, die genau wissen, wie wenig dieser wert ist, wenn der politische Wille in den EU-Hauptstädten fehlt, sind die Mazedonier. Vor 21 Jahren hat Skopje das EU-Abkommen unterzeichnet und könnte aufgrund der Leistungen bereits Mitglied sein, wenn dies nicht zuerst Griechenland und nun Bulgarien verhindern würde. Doch die größte Verantwortung dafür, dass seit Jahren das ultimativ falsche Signal an den Westbalkan gesandt wird, trägt die französische Regierung, weil sie gegen jegliche Erweiterung ist. So wurden kontinuierlich jene bestraft, die positiv wirkten, und jene belohnt, die durch Nationalismus, Autokratismus und imperiales Gehabe auffielen.

Inzwischen wuchs der russische Einfluss. Deshalb müsste nun vor allem das durch den Kreml-Einfluss gefährdete Bosnien-Herzegowina unterstützt werden, so wie aus geopolitischen Gründen der Republik Moldau geholfen werden soll.

Eine andere Frage ist jene der tatsächlichen EU-Reife und des politischen Willens, einen liberalen Rechtsstaat zu errichten. Nordmazedonien und Montenegro sind in dieser Hinsicht Vorreiter, Serbien und Albanien hingegen zeigen seit Jahren autokratische Tendenzen. Wenn die EU wieder transformative Kraft und Glaubwürdigkeit erlangen will, müsste sie sich an die eigenen Leistungskriterien erinnern und entsprechende Signale an diese sehr unterschiedlichen Staaten senden. (Adelheid Wölfl, 20.6.2022)