Wer sich den Einkauf in klassischen Supermärkten nicht mehr leisten kann, muss auf Sozialmärkte ausweichen.

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Kaum eine Frage beschäftigt derzeit Politikerinnen und Ökonomen so sehr wie diese: Wer braucht staatliche Hilfe, um trotz der gestiegenen Preisen zurechtzukommen? Angesichts der Turbulenzen am Energiemarkt rechnet inzwischen niemand mehr mit einem schnellen Ende der Teuerungskrise. Im Gegenteil.

Das Finanzministerium hat gerade den ersten Bericht einer neu eingesetzten Expertengruppe zur Analyse der Inflationsentwicklung präsentiert. In der Taskforce sitzen auch Vertreter des Forschungsinstituts Wifo. Sie rechnen für heuer mit einer Inflationsrate von 7,5 Prozent und mit fünf Prozent im kommenden Jahr. Zur Einordnung: Noch vor wenigen Wochen erwarteten sie 6,5 Prozent heuer und 3,2 Prozent im kommenden Jahr.

Fest steht damit, dass der Staat einen längeren Atem brauchen wird, um finanziell überlastete Haushalte zu stützen. Aber es ist gar nicht so einfach, diese vulnerable Gruppe zu identifizieren. Die Inflationsraten sind zwar bekannt, wirken sich aber auf unterschiedliche Gruppen je nach Einkommen und Ausgabenstruktur ganz unterschiedlich aus.

Zwei Ökonominnen des Fiskalrats, Alena Bachleitner und Susanne Maidorn, haben in einer Analyse versucht abzuschätzen, wie die Teuerung der vergangenen Monate die Haushalte in Österreich trifft und was das mit ihren Einkommen macht.

Das Ergebnis: Die Zahl der Haushalte, bei denen die Konsumausgaben das verfügbare Einkommen übersteigen, dürfte stark gestiegen sein. Bei 35 Prozent der Haushalte reichen die Einkünfte demnach nicht mehr aus, um Ausgaben für Wohnen, Energie, Kleidung und Co abzudecken. Das betrifft immerhin rund 1,4 Millionen Haushalte. Vor dem aktuellen Anstieg der Preise waren eine Million Haushalte oder 25 Prozent finanziell überfordert.

Wie gelingt das Überleben?

Wie überleben diese Menschen überhaupt, wenn das Geld im Alltag nicht reicht? Bei der Rechnung sind nur Einkünfte berücksichtigt, auf die ein Rechtsanspruch besteht – also Einkommen aus Arbeit, Pensions- und Sozialleistungen sowie Arbeitslosengeld. Wenn Studierende von ihren Eltern Geld bekommen, wird das nicht erfasst. Ebenso können Menschen ihre Ersparnisse nutzen, um die Lücke abzudecken.

Hinzu kommt, dass die Rechnung sich auf monatliche Zahlungen bezieht. Manche Haushalte nutzen das 13. und 14. Monatsgehalt, um die Kurve doch noch zu bekommen. Manchen anderen fehlt das Geld zwar in einigen, aber nicht in allen Monaten.

Interessant ist, dass der Inflationsdruck zunehmend in die Gruppe der Erwerbstätigen hineinwächst. Etwas mehr als die Hälfte jener Haushalte, die wegen der Teuerung seit Jänner 2022 ihre Konsumausgaben nicht mehr decken können, erzielen ein Erwerbseinkommen. Das Problem betrifft also neben Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern zunehmend auch Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen.

Die Rechnung zeigt noch etwas anderes: Wenn es sich bei 35 Prozent der Haushalte nicht ausgeht, heißt das im Umkehrschluss, es geht sich bei 65 Prozent aus. Etwa 40 Prozent der Haushalte haben demnach noch Polster, um sich Ersparnisse wegzulegen. Bei einem Drittel der reichsten Haushalte beträgt das Plus pro Monat sogar 1.000 Euro und mehr.

An dieser Stelle ein paar Einschränkungen. Die Analyse des Fiskalrats geht von einer Inflation von 6,2 Prozent aus. Wie gesagt, steigen die Preise sogar etwas stärker an.

Wo die Regierung unterstützt

Hinzu kommt, dass Zahlen zu Konsum und Einkommen immer mit Verzögerung eintreffen. Die Statistik Austria benutzt zur Berechnung der Verbraucherpreise Werte aus einer umfassenden Befragung von 8.000 Haushalten. Diese große Erhebung wird aber nur alle fünf Jahre gemacht, zuletzt war das 2019/20 der Fall. Die Ökonominnen des Fiskalrats haben auf Basis dieser Zahlen ihre Berechnungen angestellt. Es ist somit eher ein Näherungswert. Der Anstieg bei den Konsumausgaben durch die hohe Teuerung beläuft sich auf maximal 660 Euro pro Person und Jahr im Drittel der einkommensschwächsten Haushalte.

Was lässt sich ableiten aus diesen Zahlen? Zunächst dürfte das Antiteuerungspaket der Koalition einen großen Teil der zusätzlichen Ausgaben der unteren Gruppen ausgleichen. Exakt 600 Euro machen allein die Hilfsleistungen für vulnerable Gruppen wie Arbeitssuchende und Mindestsicherungsbezieher aus. Der erweiterte Klimabonus bringt heuer pro Person 500 Euro. Dazu kommen nochmals 500 Euro an steuerlichen Absetzbeträgen für erwerbstätige Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen.

Es wird Verluste geben

Das Problem laut Fiskalratschef Christoph Badelt ist, dass die Regierung mit ihrem Antiteuerungspaket auch sehr viel Geld an Menschen verteilt, "die es in Wahrheit nicht brauchen. Jemand, der gut verdient, wird die Teuerung aushalten und eben etwas weniger sparen", so Badelt. "Wir können, wenn wir vernünftige Staatsfinanzen wollen, nicht alle Kosten abdecken. Es wird Wohlstandsverluste durch die Teuerung geben." Die angestellten Berechnungen ermöglichten zu analysieren, wer tatsächlich Hilfe brauche.

Und: Weil die Krise noch andauern wird, regt Badelt dringend an, staatlich ein Tool einzurichten, um diese vulnerablen Gruppen zielgerichtet identifizieren zu können. Weil auch immer mehr Erwerbstätige zu wenig Geld haben, reiche es nicht aus, an Bezieher von Sozialleistungen und Arbeitslosengeld Zuschüsse zu zahlen, so Badelt. (András Szigetvari, 21.6.2022)