Mit Kohle, aber auch mit Rohöl und mit Gas sowieso macht Russland trotz der westlichen Sanktionen weiter gute Geschäfte.

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Der Rubel rollt, auch wenn Russland sein Öl und seine Kohle in Europa sanktionsbedingt nicht mehr zu Geld machen kann. Dafür sucht sich Moskau für seine Rohstoffe neue Absatzkanäle und pusht diese mit Dumpingpreisen auf Märkten, die sich an den Sanktionen nicht beteiligen. Das gilt für Kohle genauso wie für Rohöl.

Beispiel Indien: Das nach Bevölkerung zweitgrößte Land der Welt hat seine Kohle- und Ölimporte aus Russland zuletzt binnen Jahresfrist vervielfacht. Russische Rohstoffhändler verkaufen indischen Abnehmern Kohle mit bis zu 30 Prozent Rabatt, wie mehrere Insider der Nachrichtenagentur Reuters bestätigt haben. Der russisch-indische Kohlehandel dürfte auch im Juni florieren, wie Schifffahrtsdaten auf Refinitiv Eikon zeigen.

Viele Händler meiden Russland

Die westlichen Sanktionen gegen Russland als Antwort auf dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine haben viele Kohle- und Ölimporteure dazu veranlasst, den Handel mit Moskau zu meiden. In der Folge ist Russland bereits im Mai zum zweitgrößten Öllieferanten Indiens nach dem Irak aufgestiegen und hat Saudi-Arabien auf den dritten Platz verdrängt. Russisches Öl wird an den Märkten aufgrund der gesunkenen Nachfrage mit Rekordabschlägen gegenüber anderen Sorten gehandelt. Indische Raffinerien, die zuvor die hohen Transportkosten für russisches Öl scheuten, greifen seitdem zu. Indien, das auch einen großen Teil seiner Waffen aus Russland bezieht, bemüht sich um eine neutrale Haltung zum Ukraine-Krieg.

Indischen Regierungsdaten zufolge stieg der Wert der indischen Ölimporte aus Russland zuletzt binnen Jahresfrist um mehr als das 31-Fache auf 2,22 Milliarden Dollar, was in Euro nur geringfügig weniger ist. Verglichen wurden dabei ein 20-Tage-Zeitraum bis vorigen Mittwoch und der entsprechende Zeitraum 2021. In der gleichen Periode kletterte der Wert indischer Kohleimporte und damit zusammenhängender Erzeugnisse um mehr als das Sechsfache auf 331,17 Millionen Dollar.

Moskau akzeptiert mitunter auch Fremdwährungen

Einem Insider zufolge freuen sich indische Abnehmer wie Kraftwerksbetreiber und Zementhersteller über ein Entgegenkommen ihrer russischen Lieferanten, die sogar auf die übliche Bezahlung in Dollar verzichteten. "Die russischen Händler sind großzügig bei den Zahlungswegen und akzeptieren auch die indische Rupie und den Dirham der Emirate", ließ der Insider Reuters wissen.

Beispiel China: Russland hat im Monat Mai so viel Rohöl an Abnehmer im Reich der Mitte verkauft wie nie zuvor und ist damit zu Chinas größtem Öllieferanten aufgestiegen.

Die Volksrepublik hat im vergangenen Monat nach Angaben der Zollbehörde in Peking knapp 8,4 Millionen Tonnen Rohöl russischer Provenienz importiert. Das sind knapp zwei Millionen Fass zu je 159 Liter am Tag und um 55 Prozent mehr als Ende 2021 sowie rund ein Viertel mehr als im heurigen April.

Damit hat Russland Saudi-Arabien nach 19 Monaten wieder vom Rang eins der größten Öllieferanten Chinas verdrängt. Chinesische Unternehmen wie der Raffineriekoloss Sinopec profitieren dabei ähnlich wie Wettbewerber in Indien von kräftigen Preisnachlässen, die Russland gewährt.

Löchrige Sanktionen

Die Europäische Union hat im Mai einen weitgehenden Importstopp für russisches Öl und russische Kohle beschlossen. Bei Öl betrifft das allerdings nur den Transportweg mit Schiffen.

Pipeline-Öl ist auf Drängen vor allem von Ungarn, das stark von russischem Öl abhängt, von dem Embargo ausgenommen worden. Das EU-Embargo ist zudem mit Übergangsfristen versehen, wobei Österreich kurz nach dem 24. Februar, dem Tag des Einmarschs russischer Truppen in die Ukraine, den Ölbezug aus Russland komplett eingestellt hat.

Bei Gas sieht sich Österreich in einer ähnlichen Situation wie Ungarn bei Öl und hofft auf Solidarität der EU-Partner – sprich, dass Gas nicht auf die Sanktionsliste kommt. (Günther Strobl, 21.6.2022)