Wenn die Sonne runterbrennt, greift man öfter zur Wasserflasche. Doch wie viel zu trinken ist eigentlich gesund?

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Draußen ist es heiß. Und es wird noch heißer. Der Tipp, den immer alle als Erstes parat haben, ist: viel trinken! Schon bei Normaltemperaturen soll man auf zwei Liter täglich kommen, am besten Wasser und ungesüßte Tees, so die gängige Empfehlung. Angesichts der tropischen Temperaturen sollte sich diese Menge noch steigern. Das kann schon mal ziemlichen Trinkstress erzeugen. Doch sind diese Mengen wirklich nötig? Gibt es wissenschaftliche Belege dafür?

Woher die Empfehlung kommt, weiß man nicht genau. Vermarktet wird der Ansatz aber gut. Es gibt sogar eine internationale Konferenz im französischen Evian – dem Herkunftsort des Flaschenwassers –, die unter dem Titel "Hydration for Health" läuft. Ins Leben gerufen hat die Konferenz der Lebensmittelkonzern Danone – der Vermarkter von Evian-Wasser. Ohne hier voreilige Schlüsse ziehen zu wollen, haben wir die sieben häufigsten Trinkmythen unter die Lupe genommen.

Trinkmythos 1: Zwei Liter Wasser täglich müssen es sein

Das stimmt so nicht. Es gibt keine wissenschaftlich belegte Wassermenge, die man täglich konsumieren sollte, betont der Ernährungswissenschafter Uwe Knop, der sich auf die Auswertung von Ernährungsstudien spezialisiert hat: "Die Trinkmenge hängt immer vom individuellen Lebensstil ab. Wer in einem klimatisierten Büro sitzt, braucht weniger Flüssigkeit als jemand, der bei Hitze im Freien arbeitet. Dazu kommt, dass wir einen guten Teil unseres Wassers mit dem Essen aufnehmen. Fast alles, was wir essen, ist nämlich feucht oder mit Wasser gekocht, egal ob Fleisch, Käse, Butter oder auch Pasta und Suppen." Viele Gemüse- und Obstsorten bestehen aus bis zu 90 Prozent Wasser – und das wird von unserem Stoffwechsel auch als Flüssigkeit verwertet.

Entscheidend für den Flüssigkeitsbedarf seien Alter, Körpergewicht, Temperatur, Kondition und Anstrengung, sagt Knop. Das gilt auch für ältere Menschen und Senioren – sofern sie prinzipiell gesund und fit sind. Anders sieht es aus bei kranken und pflegebedürftigen Personen, Demenzkranken etwa. Bei ihnen funktioniert das normale Durstempfinden nicht mehr – oder sie vergessen auf das Trinken. Hier ist es wichtig, dass Pfleger und Betreuerinnen auf regelmäßiges Trinken achten und sich auch an einer konkreten Trinkmenge orientieren.

Trinkmythos 2: Bei Durst zu trinken ist schon zu spät

Das ist definitiv ein Mythos. "Der Durst ist der einzige und beste Indikator, der einen spüren lässt, wann der Körper wirklich Flüssigkeit braucht", betont Knop. "Trinken Sie einmal ein Glas Wasser, wenn Sie richtig durstig sind. Das schmeckt köstlich wie selten." Und man bekommt dadurch auch einen richtigen Energiekick. Ist der Körper dagegen vollgetankt mit Flüssigkeit, dann hat man auch kein Bedürfnis nach Flüssigkeit, es fällt einem oft sogar schwer, etwas runterzubringen, der Bauch fühlt sich voll an – egal ob man die "empfohlene" Tagesmenge schon intus hat oder nicht. Das gilt übrigens auch für Sportler. Selbst Marathonläufer sollten nur trinken, wenn sie wirklich Durst haben.

Natürlich kann es einmal passieren, dass man zu wenig trinkt und moderat dehydriert, vor allem bei älteren Menschen. Das merkt man an Anzeichen wie Schwindel, Kopfschmerzen oder Unwohlsein. Dann ist es wichtig, erst einmal ein großes Glas Wasser zu trinken. Bessern sich die Symptome langfristig nicht, sollte man aber zum Arzt gehen. Und auch Nierenkranke oder Diabetiker sollten sich nicht nur auf ihr Durstgefühl verlassen, sondern am besten regelmäßig trinken.

Trinkmythos 3: Wenn es heiß ist, am besten lauwarme Getränke zu sich nehmen

Da sind sich die Experten nicht ganz einig. Man soll definitiv nicht heiß trinken, das erhöht die Körpertemperatur weiter – was man spätestens am Schweißausbruch nach einer heißen Tasse Tee oder beim Löffeln einer Suppe merkt. Trinkt man Kaltes, so die oft gehörte Information, verengen sich die Blutgefäße, um die Wärme im Körper zu halten. Diese "Arbeit des Körpers" erzeugt aber Wärme, was wiederum zum Schwitzen bringen soll. Deshalb seien lauwarme Getränke oder solche mit Raumtemperatur ideal, weil der Stoffwechsel eben weniger Arbeit mit ihnen hat.

Klingt an sich logisch. Doch Knop betont, dass es keinen wissenschaftlichen Beweis für diese These gibt. Und: "Sich zu etwas zu zwingen, was man nicht möchte, macht langfristig nur unglücklich." Er plädiert dafür, nach dem eigenen Empfinden vorzugehen. Wenn das Eiskalte ein Gefühl der Erfrischung gibt, ist das in Ordnung. Andere wiederum trinken gern lauwarme Getränke im Sommer. Falsch macht man jedenfalls bei beiden Varianten nichts.

Trinkmythos 4: Kaffee dehydriert

Das Lieblingsgetränk der Menschen hierzulande galt lange als Flüssigkeitsräuber. Mittlerweile wird er aber positiv zur Flüssigkeitsbilanz gezählt, man kann ihn zum Trinkkonsum addieren, erklärt der Berufsverband deutscher Internisten. Ideal wäre es, wenn der Kaffee ohne Zucker getrunken wird. Allerdings nicht, weil er dann doch Flüssigkeit entzieht. Aber der Zucker enthält leere Kalorien und lässt die Insulinproduktion anspringen. Das ist auch der Grund, warum oft empfohlen wird, keine Limonaden und Fruchtsäfte zu trinken.

Was im Gegensatz zu Kaffee schon dehydriert, ist Alkohol, weil er die Regulierung des körpereigenen Flüssigkeitshaushalts beeinflusst. Auch wenn der weiße Spritzer gerade im Sommer umso verlockender ist, sollte man den Konsum bei hohen Temperaturen eher zurückschrauben oder zumindest auf Sommerspritzer umsatteln. Zu Bier oder Cocktails gehört definitiv ein Glas Wasser dazu – dann trinkt man auch automatisch weniger Alkohol.

Trinkmythos 5: Zu viel Trinken gibt es nicht

Doch. Es ist sogar schon vorgekommen, dass Leistungssportler wie Triathleten verstorben sind, weil sie zu viel Wasser konsumiert haben bei einem Wettbewerb. Hyponatriämie heißt dieses Phänomen in der Fachsprache, Wasservergiftung sozusagen. "Grund dafür ist ein zu niedriger Natriumgehalt im Körper. Beim Schwitzen verliert der Körper Salz, trinkt man gleichzeitig zu viel natriumarmes Wasser, etwa normales Leitungswasser, sinkt der Salzgehalt im Blut und im Gewebe weiter", erklärt Knop. "Diese 'Zu viel Wasser, zu wenig Salz'-Kombination merkt man an Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerz. Und im Extremfall kann sie eben sogar zum Tod führen."

Das betreffe vor allem Sportler mit großer Ausdauerbelastung wie beim Ironman oder einem Marathon. Sie sollten deshalb darauf achten, natriumreiche Getränke zu konsumieren beziehungsweise den Salzverlust über die Nahrung auszugleichen.

Trinkmythos 6: Viel Wasser trinken hilft beim Abnehmen

Viel Wasser trinken sei eine natürliche Detox-Kur, weil es Giftstoffe ausspüle, liest man immer wieder. Dabei scheidet man beim dadurch ausgelösten häufigen Gang auf die Toilette nur die aufgenommene Flüssigkeit wieder aus. Dazu komme, dass ein mit Wasser gefüllter Magen dazu führe, dass man weniger esse. Wissenschaftliche Belege gibt es für beide Annahmen nicht.

Man kann sich also ruhig auf sein Durstgefühl verlassen und darauf zählen, dass es den Körper angemessen mit Flüssigkeit versorgt. Was das Abnehmen betrifft: Manche Menschen schaffen es tatsächlich, mit einem Glas Wasser das Hungergefühl etwas hinauszuzögern. Aber das dürfte eher eine individuelle Fähigkeit sein, Belege für den Erfolg dieser Methode gibt es nicht.

Trinkmythos 7: Stilles Wasser ist besser als kohlensäurehaltiges

Auch das ist ein Irrtum. Kohlensäure ist definitiv nicht ungesünder. Aber sie hat den Nachteil, dass man aufstoßen muss, wenn man zu schnell zu viel von dem damit versetzten Getränk trinkt – vielleicht kommt daher der schlechte Ruf. Ernährungswissenschafter Knop meint, dass es "eine Frage des Geschmacks ist". Und des Erfrischungseffekts, gerade im Sommer. "Manche trinken ihr Wasser lieber still, manche lieber mit Sprudel." Entscheidend ist bei der Auswahl also nur, wie gut das Getränk dem Körperempfinden tut.

Und beim Sport ist stilles Wasser auch besser. Denn Kohlensäure übt einen leichten Dehnungsreiz auf den Magen aus, das empfinden manche als unangenehm. Außerdem bekommt man beim Sport durch kohlensäurehaltige Getränke eher Schluckauf – und das ist nicht gerade trainingsförderlich. (Pia Kruckenhauser, 26.6.2022)