Wien – Seit knapp einer Woche liefert Russland deutlich weniger Gas nach Österreich, als eigentlich ausgemacht wäre. Das hat bei der Bundesregierung die Alarmbereitschaft erhöht, die Frühwarnstufe im Gasnotfallplan wurde ausgerufen. Während spätestens jetzt der gesamten Bevölkerung bewusst geworden sein dürfte, dass es eine reale Gefahr von Energieengpässen gibt, klagten Unternehmen bereits im Mai über ordentliche Beeinträchtigungen.

Besonders auf die großen Unternehmen (mehr als 250 Beschäftigte) wirkte sich der Krieg in der Ukraine bereits vergangenen Monat stark aus, wie eine aktuelle Umfrage im Rahmen des Wifo-Konjunkturtests zeigt (Details siehe Infokasten). 73 Prozent der Firmen sahen sich demnach mit Problemen konfrontiert. Auf die ganze Unternehmenslandschaft übertragen waren es mit 55 Prozent mehr als die Hälfte. Allen voran beutelte es die Sachgüterproduktion, danach die Bauwirtschaft und den Dienstleistungssektor.

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Steigende Preise

Als größte Hindernisse nannten die Betriebe steigende Energie- und Vorleistungspreise. Die erhöhte Unsicherheit in puncto Gaslieferungen drückt laut Wifo auch die Geschäftsaussichten. Das Gros der betroffenen Unternehmen ist pessimistisch und rechnet damit, die Verkaufspreise weiterhin erhöhen zu müssen. Insgesamt meldeten 13 Prozent der Betriebe, dass die steigenden Energiepreise sie kaum bis gar nicht tangieren.

Der Kreml hat beim Energiethema einen mächtigen Trumpf in der Hand. Dreht Moskau den Hahn zu, drohen der EU eine Rezession und noch deutlich höhere Gaspreise. Zur Erinnerung: Österreich importiert 80 Prozent des benötigten Erdgases aus Russland. Zudem stammt knapp die Hälfte der Öllieferungen aus den GUS-Ländern, die im Falle russischer Gegenmaßnahmen wegfallen könnten.

Im Zuge des Ukraine-Konflikts haben sich die Energiepreise deutlich erhöht, und die Unsicherheit bezüglich eines russischen Gaslieferstopps senkt die Geschäftslageerwartungen heimischer Unternehmen.
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Drohende Rationierungen

"Die Einfuhren von Erdgas aus Russland können weder sofort noch kurzfristig ersetzt werden. Da Erdöl und Erdgas mit Anteilen von 37 bzw. 22 Prozent an der gesamten Energie die wichtigsten Energiequellen sind, dürften Lieferstopps oder Einschränkungen nicht nur Preiseffekte, sondern – insbesondere im Fall von Erdgas – auch Rationierungen zur Folge haben", heißt es in der Studie.

Können Lieferengpässe bei Vorleistungen aus der Ukraine, Belarus oder Russland durch andere Quellen ersetzt werden? Zumindest teilweise. Über alle Sektoren hinweg sagten rund ein Viertel der Unternehmen, dass sie die Vorleistungen zur Gänze aus anderen Quellen beziehen könnten. Für 56 Prozent sei das zumindest teilweise möglich.

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Öl und Kohle

Österreich bastelt nun an Alternativen, um ein mögliches Gasembargo abzufedern. Dazu soll etwa das Verbund-Kraftwerk Mellach in der Steiermark wieder auf den Betrieb mit Steinkohle umrüsten. Die meisten Detailfragen sind aber noch ungeklärt – etwa jene nach den Kosten des Umbaus oder der gesetzlichen Grundlage für den politischen Auftrag an den börsenotierten Verbund.

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Wien Energie verweist unterdessen auf die Möglichkeit, vier seiner Gasheizwerke mit Öl zu betreiben. Diese seien für den bivalenten Betrieb – also Gas oder Öl – ausgelegt und müssten weder umgebaut noch umgerüstet werden, sagt Michael Strebl, Vorsitzender von Wien Energie, am Montag in "Wien Heute". Die vier Standorte befinden sich im Arsenal, in der Spittelau, in Inzersdorf und der Leopoldau. (Andreas Danzer, 21.6.2022)