Mithilfe von Kotproben wildlebender Schimpansen hat ein internationales Forscherteam den ersten Erbgutkatalog dieser gefährdeten Tierart erstellt.

Foto: APA/AFP/JOHN WESSELS

Der Schimpanse wird auf der Roten Liste bedrohter Tier- und Pflanzenarten der Weltnaturschutzunion (IUCN) als gefährdete Art eingestuft, im Fall des Westafrikanischen Schimpansen sogar als "stark gefährdete". Obwohl Schimpansen (Pan troglodytes) in den meisten ihrer Verbreitungsgebiete in West- und Zentralafrika gesetzlich geschützt sind, ist ihr Überleben weiterhin bedroht.

Die heutige Gesamtpopulation unserer intelligenten nächsten Anverwandten in freier Wildbahn wird auf höchstens 300.000 Individuen geschätzt. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts waren es noch mehr als eine Million Schimpansen. Damals wie heute sind Entwaldung, Zerstörung von Lebensraum und Wilderei hauptverantwortlich für den Schwund unter allen vier Schimpansen-Unterarten zwischen Guinea und Uganda.

DNA-Karte der Schimpansen

Um der grassierenden Wilderei und dem Tierhandel beizukommen, nutzen Forschende auch genetische Informationen. Mithilfe von Kotproben wildlebender Schimpansen hat ein internationales Team dafür nun den ersten Erbgutkatalog dieser gefährdeten Tierart erstellt.

Dies ermögliche es, beschlagnahmte Schimpansen ihrem Herkunftsort zuzuordnen und damit den illegalen Handel mit den Affen einzudämmen. Zudem ermöglichen die genetischen Informationen Einblicke in die Evolution dieser Menschenaffen und ihre Migration, berichten die Autorinnen und Autoren im Fachjournal "Cell Genomics".

Methoden aus anderen Disziplinen

Die Gruppe um Tomàs Marquès-Bonet vom Institut für Evolutionsbiologie in Barcelona (Spanien), dem auch Martin Kuhlwilm vom Institut für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien angehörte, hat Hunderte von Kotproben aus dem gesamten Verbreitungsgebiet der Schimpansen in Afrika sequenziert. Für die Auswertung seien erstmals Methoden zur Analyse alter DNA angewendet worden, die ursprünglich der Untersuchung fossiler Menschenfunde dienten.

Angesichts der massiven Populationsrückgänge bei den Schimpansen erhoffen sich die Forscher mit dem DNA-Katalog den Schutz der Tiere zu verbessern. Wenn man den Herkunftsort von beschlagnahmten Tieren zuverlässig bestimmt kann, lassen sich auch die Routen des illegalen Handels aufspüren, so die Forschenden.

"Beschlagnahmte Schimpansen stammen in der Regel von Orten, die nur wenige hundert Kilometer von der Fundstelle entfernt sind. Die genetische Auswertung der Kotproben kann so zuverlässige Informationen darüber liefern, welche Regionen vorrangig geschützt werden sollten", sagte Marquès-Bonet. Die entwickelte Methodik wird bereits bei Schutzprojekten für andere Primaten- und Säugetierarten angewendet.

Verbindungen zwischen den Unterarten

Mit dem Datensatz bringen die Wissenschafter auch Licht in die Evolutionsgeschichte der Menschenaffen, von denen es kaum fossile Funde gibt, sowie in deren genetische Vielfalt. Die DNA aus den Kotproben lieferte etwa weitere Beweise für die vier anerkannten Schimpansen-Unterarten und wie diese miteinander verbunden sind und waren.

Die Forscher zeigten, dass geographische Faktoren wie Flüsse Barrieren für den Genfluss zwischen Schimpansenunterarten bzw. -gemeinschaften darstellen. Weiters stellten sie fest, dass Schimpansen-Unterarten in der Vergangenheit getrennt wurden, es im Laufe der Geschichte aber auch einen genetischen Austausch zwischen den Populationen gegeben hat.

Komplexe Evolution

"Wie wir Menschen haben auch Schimpansen eine komplexe Evolution hinter sich", erklärte Mimi Arandjelovic vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung. Die Dynamik der Entwicklung und die Gebiete, in denen frühere und heutige Kontakte zwischen Populationen bestehen, müssten eindeutig identifiziert werden, um zum Schutz dieser gefährdeten Art beizutragen, betonte sie. (red, 21.6.2022)