An einem polnisch-ukrainischen Grenzübergang wurden ausländische Kämpfer in Empfang genommen.

Foto: Christopher Glanzl

Glaubt man dem russischen Verteidigungsministerium, so sind fünf Personen aus Österreich in die Ukraine gereist, um dort im Krieg zu kämpfen. Diese Zahlen verbreitete die Angriffspartei in den vergangenen Tagen. Zwei davon sollen getötet worden, einer wieder abgereist sein. Der österreichische Staatsschutz gab daraufhin erstmals bekannt, dass eine "niedrige einstellige Zahl" an Personen ausgereist sein soll.

Nach STANDARD-Informationen deckt sich die Zahl, die Russland angibt, aber nicht mit der, die heimischen Behörden bekannt ist. Und: Unklar ist auch, auf welcher Seite die betreffenden Personen ins Feld ziehen. Russland zählt in seiner wenig belastbaren Rechnung wohl ausschließlich jene, die auf ukrainischer Seite kämpfen – um zu demonstrieren, dass der Westen sich verbündet habe, wie Nicolas Stockhammer, Terrorismusforscher an der Donau-Uni Krems, vermutet.

Und: Das österreichische Außenministerium schreibt auf STANDARD-Anfrage, ihm liegen "seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 keine Berichte über Todesfälle österreichischer Staatsbürger:innen vor".

Harte Rhetorik, fremde Mächte

Schon im März wurden Berichte publik, dass es sich bei Ausreisenden um Austrotschetschenen handeln könnte. Gerade in dieser Community ist es allerdings besonders schwierig, eine klare Position für eine der beiden Kriegsparteien auszumachen. Da spielt etwa, so erklärt Stockhammer, eine Rolle, ob ein Tschetschene in Österreich für oder gegen Ramsan Kadyrow und dessen Regime ist – dieser herrscht diktatorisch über die russische Teilrepublik Tschetschenien und steht auch nun im Krieg auf Putins Seite.

Kadyrow habe mit seiner harten, von Exklusion geprägten Auffassung von Islam, Ehrkultur und Nationalstolz zum Teil auch auf die tschetschenische Community in Österreich einen Einfluss, sagt Stockhammer. Junge, kampfsportaffine Männer aus der Community könnte das durchaus zur Teilnahme an Kampfhandlungen an Russlands Seite motivieren.

Auf der anderen Seite sind viele Tschetschenen in Österreich erstens vor der russischen Invasion in die Heimat und zweitens vor dem Regime Kadyrow geflohen, "es ist unwahrscheinlich, dass da in zweiter Generation jemand sagt: 'Ich bin für Kadyrow'", sagt Stockhammer.

Für die gebürtige Tschetschenin und Journalistin Maynat Kurbanova ist es nicht vorstellbar, dass sich Tschetschenen nun auf die Seite Russlands stellen. Sie weiß von niemandem aus der Community, der ausgereist sei – auch nicht, um sich auf die Seite der Ukraine zu stellen. "Ich höre auch von den Jugendlichen, dass sie da nicht instrumentalisiert werden wollen", sagt Kurbanova. Und: "Den Menschen ist klar, dass sie am Ende des Tages ein Spielball von Mächten werden."

Hohe Strafen für Foreign Fighters

Außerdem rate sie jungen Leuten, sich nicht etwaigen Anwerbeversuchen hinzugeben. Auch wenn die ganze Welt sich mit der Ukraine solidarisiert, "hat sich nichts daran geändert, dass das immer noch strafbar ist". Die Strafen können sogar bis hin zum Verlust der Staatsbürgerschaft gehen.

Welcher Tatbestand angewandt wird, hängt davon ab, wer für wen genau kämpft. Schließt sich jemand einer paramilitärischen Einheit im Ausland an, kann Doppelstaatsbürgern die österreichische Staatsbürgerschaft entzogen werden, wenn sie im Ausland kämpfen. Hat aber jemand von vornherein nur die österreichische Staatsbürgerschaft, gilt die Regel, dass man nicht staatenlos werden darf. Schließt man sich aber dem Militär eines Landes an, kann man sogar staatenlos werden. Dazu kommen andere strafrechtliche Konsequenzen.

Hat eine Person nur eine ausländische Staatsbürgerschaft – im Fall von Tschetschenen eine russische – und zieht aus Österreich in den Ukraine-Krieg, dann finden laut Innenministerium "die Bestimmungen im Zusammenhang mit terroristischen Straftaten wiederum keine Anwendung, weil kein terroristischer Anknüpfungspunkt erkennbar ist". Ist der Auslandskämpfer allerdings eine schutzberechtigte Person in Österreich, droht die Aberkennung des Asylstatus.

Beratungen über Sanktionen

Die EU will indes ihre Sanktionen gegen Russland offenbar ausweiten. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters, die sich auf EU-Vertreter berief, werde daran gearbeitet, weitere Sektoren zu sichten, die sanktioniert werden könnten. Ein mögliches Ziel sei dabei auch Gold. Die Staats- und Regierungschefs beraten beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag über das weitere Vorgehen.

Litauen hat am Wochenende einen verschärften Weg gegenüber Russland eingeschlagen und den Bahntransit von Waren, die auf westlichen Sanktionslisten stehen, über sein Territorium nach Kaliningrad untersagt. Moskau drohte Vilnius am Dienstag mit Gegenmaßnahmen, "deren Folgen schwere negative Auswirkungen auf die Bevölkerung Litauens haben" würden, und bestellte den EU-Botschafter in Moskau ins Außenministerium ein.

Notfallpläne

Auf schwere Folgen in der Auseinandersetzung mit Russland bereitet sich auch Schweden vor, als es am Dienstag für Teile des Landes die erste von drei Alarmstufen wegen möglicher Probleme bei der Gasversorgung ausrief. Auch in Deutschland und Österreich gilt derzeit die Frühwarnstufe und damit die erste Eskalationsstufe des Notfallplans Gas. Die deutsche Regierung bereitet aber offenbar bereits die Ausrufung der zweiten Stufe des nationalen Notfallplans Gas "innerhalb weniger Tage" vor. Wie die "Welt" am Dienstag unter Berufung auf Kreise der Energiewirtschaft berichtete, habe Patrick Graichen, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), die Energiewirtschaft am Montag auf den bevorstehenden Schritt vorbereitet.

In der Ukraine selbst meldete Moskau, das russische Militär habe ukrainische Truppen im Großraum Sjewjerodonezk-Lyssytschansk vom Nachschub getrennt. Der Gouverneur der Region Luhansk, Serhiy Gaidai, räumte ein, dass die Lage entlang der Front "extrem schwierig" sei. Russland habe einige Gebiete eingenommen und genügend Reserven für eine neue Großoffensive gesammelt. (Gabriele Scherndl, Noura Maan, 21.6.2022)