Die Liebe zur Statik hat Marc-Patrick Pfleger zum Thema seiner Masterarbeit gebracht. Darin berechnete er ein neues Verfahren für die "Brückenertüchtigung".

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Statik zählt bei Studierenden des Bauingenieurwesens nicht gerade zu den Lieblingsfächern. "Sie gilt als schwer und ist angstbesetzt", sagt Marc-Patrick Pfleger (32), der an der FH-Campus Wien studierte – und dem es ähnlich ergehen sollte. Als in einem Teamprojekt die Architekturgruppe dann aber eine sehr komplexe Baukonstruktion vorlegte, hat es plötzlich klick gemacht: "Das hat herausgefordert. Zu sagen, ‚geht nicht, kann man nicht bauen‘, ging da gar nicht."

Die neue Liebe zur Statik hat Pfleger zum Thema seiner Masterarbeit gebracht. Darin berechnete er ein neues Verfahren für die "Brückenertüchtigung". "Stahlbetonbrücken können damit bis zu 30 Prozent mehr an Nutzlasten tragen und ihren Lebenszyklus auf 100 bis 120 Jahre ausdehnen." Das entspricht dem Nachhaltigkeitsgedanken und spart durch "Sanierung statt Neubau" C02 in der Betonproduktion.

Einsetzbar ist Pflegers Methode bei 80 Prozent der gut 100.000 Brücken, die es in Österreich gibt: Plattenbrücken, mit einer Spannweite von circa 25 Metern, die mit ein bis zwei Pfeilern in der Mitte gestützt werden, etwa Autobahnüberführungen. "Ertüchtigt" werden sie nun durch das Aufbetonieren einer zehn bis 15 Zentimeter dicken Betonschicht mit Stahlbewehrung, die "statisch aktiviert" wird.

Temperaturschwankungen

Da aber wird es kompliziert. Denn das Spannen, also das leichte Verbiegen von tonnenschwerem Stahlbeton, kann im Nachhinein kaum effizient und kostengünstig umgesetzt werden. Was also tun? Den entscheidenden Hinweis lieferte Pflegers Betreuer der Masterarbeit, der Leiter des Forschungsbereichs an der FH-Campus Wien, Markus Vill.

Wenn es nicht möglich sei, die Brücke für das Vorspannen in der Mitte anzuheben, so könnte man sie doch an ihren Enden absenken. Dafür brauchte man nur die Brückenlager ausbauen, jene beweglichen Zwischenteile, auf denen Brücken in Längsrichtung lose auf den Pfeilern liegen.

Die Frage war nur, ob sich das Bauwerk bei Temperaturschwankungen weiterhin zwängungsfrei ausdehnen oder zusammenziehen kann. Doch hier kamen wieder die Statik und das Rechnen ins Spiel. Alte Brücken wurden noch zu Zeiten des Rechenschiebers geplant. Für die genaue Berechnung ihres Temperaturverhaltens fehlte Zeit und Geld. Pfleger holte die Berechnungen mit EDV-Unterstützung nach – und siehe da: Brückenlager auszubauen bringt in vielen Fällen kein nachteiliges Bauwerksverhalten.

Heute arbeitet Pfleger an der FH-Campus in der Nachhaltigkeitsforschung für Bauen und Gestalten mit Beton – und gibt dem Nachwuchs spielerisch sein Interesse für die Statik weiter. In Schulworkshops lässt er "Paper-Bridge-Heros" praktisch erproben, ob ein dünnes Blatt Papier gerollt statisch mehr kann als viele aufeinandergeklebte Blätter.

Studierende unterstützt er beim Konstruieren von Wettkampfkanus aus Beton. Ja, Beton kann auch schwimmen, wenn man Statik und hochfeste Rezepturen für besonders dünnwandige Konstruktionen beherrscht. Die nächste internationale Betonkanu-Regatta findet im Juni in Brandenburg an der Havel statt. Mehr als 70 Teams treten an. (Norbert Regitnig-Tillian, 24.6.2022)