Das mit 2.000 Sensoren versehene neue Forschungsgebäude der FH Salzburg soll Aufschlüsse über den energieeffizienten Einsatz von Holzbauteilen liefern.

Foto: FH Salzburg / Franz Neumayr

Es ist ein Haus nach dem Baukastenprinzip. Beim neuen Forschungsgebäude Twin²Sim der FH Salzburg am Standort Kuchl können Fassadenelemente ausgetauscht, getestet und untersucht werden. Ziel ist es, Lösungen für energieeffiziente und nachhaltige Holzbauteile zu entwickeln und so einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Dazu gehören unter anderem Fassadenteile, die im Sommer kühlen, im Winter wärmen und dabei für ein angenehmes Raumklima sorgen. "Wir können neue Erkenntnisse gewinnen, wie Gebäudetechnik, Bauteile, Raum und Mensch zusammenwirken", erklärt Projektleiter Michael Grobbauer.

Herzstück des neuen Gebäudes ist der Prüfstand, der als Quader auf der Mitte des Holzbaus thront. In ihm befinden sich zwei Untersuchungsräume, in denen neu entwickelte Fassadenteile eingebaut und auf viele Parameter hin untersucht werden können. Mithilfe von 2.000 Sensoren werden etwa das thermische Verhalten, die Luftdichtheit, Wärme, Kälte, Schallschutz und das Zusammenwirken der Fassadenprototypen mit dem Raum gemessen. Der 3,60 Meter hohe Prüfstand ist zudem um 215 Grad drehbar, damit auch die Auswirkungen der verschiedenen Sonnenstände beleuchtet werden können.

Um die äußeren Einflussfaktoren für die Versuche zu minimieren, ist der Prüfstand mit einer aufwendigen Gebäudehülle versehen, die sehr gut gedämmt ist und einen hohen Schallschutz aufweist. Auf zwei Ebenen könne zudem geheizt und gekühlt werden, um den thermischen Einfluss auf den Prüfstand zu egalisieren, sagt Grobbauer. "Sonst misst man den Prüfstand und nicht den Prüfling."

Fassadentausch im Büro

Doch das neue Haus ist mehr als nur ein Versuchsgebäude: Neben einem Labor, in dem Prototypen entwickelt werden können, sind auch 20 Arbeitsplätze untergebracht. Die Büroräume selbst werden so zum Forschungsprojekt. Denn auch hier können die Fassaden demontiert und ausgetauscht werden, um Daten aus Langzeitmessungen zu gewinnen. "Wir sind die Versuchskaninchen. Wir wissen nicht, welche Fassade wir in zwei Jahren haben", sagt Markus Leeb von der FH Salzburg. Neben den komplexen Gebäudehüllen kann in zwei Räumen auch Gebäudetechnik untersucht werden.

Alle Außenoberflächen im Prüfstand werden in zwei Ebenen beheizt oder gekühlt, um konstante Temperaturbedingungen zu schaffen.
Foto: FH Salzburg

Das erste Forschungsprojekt etwa befasse sich mit der Bauteilaktivierung, also einem integrierten Heiz- und Kühlsystem. Massivholz werde dabei mit Beton verglichen, erklärt Grobbauer. Erste Versuche werden im Spätherbst 2022 gestartet. Ein Prototyp aus dem Zentrum Alpines Bauen wird voraussichtlich mit November 2022 am Prüfstand montiert. Die innovativen Fassaden seien nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei Sanierungen einsetzbar, sagt der Projektleiter.

Die beim Monitoring gewonnenen Daten werden gesammelt und in einem "digitalen Zwilling" abgebildet. Nach der Vermessung können so Modelle gebildet, simuliert und weiterentwickelt werden, was die Entwicklungskosten reduziert, da es weniger physische Prototypen braucht. Nutzen können die Forschungsstation neben dem an der FH ansässigen Zentrum Alpines Bauen, den Studiengängen Smart Buildings sowie Holztechnologie und Holzbau auch Firmen, die neue Bauteile entwickeln wollen, erklärt Grobbauer.

Der Prüfstand ist dabei nicht nur für den Wohnbau konzipiert, sondern kann auch eine abgehängte Drei-Meter-Decke, die im Bürobau eingesetzt wird, simulieren. "Wir können in diesem kleinen Raum ein Großraumbüro nachbilden", sagt Leeb.

Beitrag zum Klimaschutz

"36 Grad vor Beginn des Hochsommers sind der beste Beweis, dass unsere Forschung am Puls der Zeit ist", sagt der Geschäftsführer der FH Salzburg, Raimund Ribitsch, über das neue Forschungsgebäude. Nachdem es am Standort Kuchl bisher noch einen Mangel an angewandter Forschung gegeben habe, sei man nun stolz, dass an der FH Salzburg zu global relevanten Themen wie Nachhaltigkeit, Ökologie und Digitalisierung geforscht werde. Insgesamt wurden 2,2 Millionen Euro investiert, finanziert wurde der Betrag je zur Hälfte vom Land Salzburg und von der FH Salzburg.

Es ist damit die größte Einzelinvestition in die Forschung an der FH Salzburg. Das Interesse von Unternehmen war bereits vor der Errichtung des Gebäudes sichtbar. Mehr als 20 Firmen haben das Projekt mit Sachleistungen im Wert von rund 250.000 Euro unterstützt. Derzeit erfolgt am Twin²Sim eine Einmessphase. Der Vollbetrieb ist für Frühjahr 2023 vorgesehen. (Stefanie Ruep, 30.6.2022)