25. August 1990, Richterswil: Österreich nimmt Aufstellung zum ersten Länderspiel. Stehend, Vierte von links: Christine Zötsch.

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Für Zötsch kam die Gründung des Nationalteams fast zu spät, sie war letztlich nur bei drei Auftritten dabei.

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Heute kümmert sich Zötsch in Trofaiach um den örtlichen Verein.

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"Henderl und Bier und dazu aufregende Mädchenbeine", so titelte die Kleine Zeitung am 27. August 1990 auf Seite 19. Es war, kann man sagen, eine ganz andere Zeit. Zwei Tage zuvor, am 25. August 1990, war Österreichs Frauenauswahl in Richterswil zum ersten offiziellen ÖFB-Länderspiel gegen die Schweiz angetreten. Beim Stand von 3:0 für die Eidgenössinnen, exakt in der 63. Spielminute, war es so weit: Christine Zötsch trat auf den Plan und erzielte mit einem platzierten Schuss von der Strafraumgrenze den ersten Treffer in einem österreichischen Frauenländerspiel. Der Pass sei zu ihr gekommen. "Und ich habe abgeschlossen, wie es sich halt für eine Stürmerin gehört", sagt die mittlerweile 65-Jährige völlig unaufgeregt.

Das Match ging 1:5 (0:2) verloren, das Tor und das Drumherum seien aber schon etwas Besonderes gewesen. "Nur leider waren wir nicht so gut wie die Schweizerinnen. Sie haben viel früher angefangen, wir waren Neulinge", sagt Zötsch. Die Gastgeberinnen bestritten damals bereits ihr 20. Länderspiel, feierten zum Jubiläum einen verdienten Erfolg. "Sie hatten uns in allen Belangen etwas voraus und sind uns auch heute noch voraus. Wir hatten auch vorher in den Länderspielen mit der Wiener Auswahl gegen Ungarn oder Tschechien nie einen Meter", sagt Zötsch.

Ein Meilenstein im österreichischen Frauenfußball: das erste offizielle Nationalteam (Zötsch, stehend, Vierte von rechts).
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Vor der Premiere in der Schweiz lag ein langer Weg der Entwicklung. 1972 nahm die Frauenbundesliga ihren Spielbetrieb auf, zehn Jahre später übernahm der ÖFB die Obhut über die Liga. Nachdem gelegentlich Auswahlteams gebildet worden waren, um in Freundschaft gegen andere Länder anzutreten, wurde Ende der 80er-Jahre die Schaffung eines Nationalteams mit dem ÖFB diskutiert und schließlich 1990 umgesetzt. Erster Teamchef war der frühere Sportclub-Spieler und Vienna-Trainer Peter Leitl.

"Der Schmäh ist g'rennt"

Zötsch ("Meine Spezialität war die Schnelligkeit") sollte nur zu drei Länderspieleinsätzen kommen, weil sich ihr Alter auf Mitte 30 zubewegte. "Mehr ist sich nicht ausgegangen, weil die Jugend nachkam", sagt sie. Damals sei natürlich alles anders gewesen, der Betreuerstab minimalistisch. "Es hat einen Trainer, einen Masseur und einen Zuständigen für die Dressen gegeben. Damit sind wir schon fertig. Aber für uns war das super. Das erste Mal in der Schweiz. Während der Fahrt ist der Schmäh g'rennt."

Der Flyer für die Premiere.
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Fußball hatte die in Kammern im Liesingtal aufgewachsene Steirerin schon in jungen Jahren fasziniert, im Gegensatz zum Vater, der Zimmermann war, zur mit sieben Kindern geforderten Mutter und zu den Geschwistern. "Ich war immer auf dem Sportplatz, habe immer mit den Buben gespielt." Zudem ging sie auch gern Ski fahren. "Was man halt so tut. Skifahren ist bei uns Hauptprogramm." 1976 dann wollte es der Zufall, dass Christl, wie sie daheim gerufen wurde, von einem in Leoben engagierten Spieler aus ihrem Ort für den frisch gegründeten Frauenfußballklub 1. DFC Leoben empfohlen wurde. "Er wusste, dass ich so gut spiele", sagt sie.

"Oft in Wien draußen"

Also kickte Christa, wie sie im Verein hieß, fortan für Leoben. In der Folge kam sie auch zu Einsätzen in der steirischen und der Wiener Auswahl. "Das war praktisch das Nationalteam, bevor es 1990 offiziell wurde." Mit Leoben gewann Zötsch zwei Meistertitel. 1985/86 setzten sich die Steirerinnen mit fünf Punkten Vorsprung auf den Lokalrivalen LUV Graz durch, 1986/87 wiesen sie Union Kleinmünchen aus Linz in die Schranken. Im Cupbewerb sollte es trotz dreier Finalteilnahmen nicht mit einem Triumph klappen. "Wir sind viel herumgekommen, haben oft in Wien draußen gespielt und sind auch bis Innsbruck gekommen", sagt Zötsch.

Frauenfußball sei in der Obersteiermark gut angenommen worden. Kritische Stimmen seien rar gewesen. "Viele waren dafür", sagt Zötsch. Das habe auch mit Johann Pernsteiner zu tun, der Mentor und Trainer des Leobener Frauenvereins war. Noch heute treffen sich die 16 Frauen und der Trainer von damals einmal im Jahr.

Zötsch spielte bis 2003 für Leoben, am liebsten auf der Flügelposition, Mittelstürmerin sei nicht so ihr Metier gewesen. Ihre Karriere ließ sie in Seckau ausklingen. Seit 1992 trainierte sie in Trofaiach aber bereits nebenbei Kinder und Jugendliche. 2014 stellte sie ihre Trainertätigkeit ein, seither kümmert sie sich als Funktionärin um den örtlichen Verein. Sie macht, "was halt anfällt, ob Markieren oder Rasenmähen. Die anderen haben nicht so viel Zeit, sie arbeiten alle." Die gelernte Schneiderin ist in Pension, verwitwet und kinderlos. "Ich habe mein Soll erfüllt, bin bei der Voest in Donawitz picken geblieben, habe dort 40 Jahre meine Arbeit runtergeklopft. Zunächst lange im Büro, am Schluss im Magazin."

Fit hält sie sich mit Radfahren, Skifahren und Wandern. Die Frauenländerspiele verfolgt sie daheim in Trofaiach "freilich" im Fernsehen, jene der Männer "ja sicher auch. Länderspiele schaue ich mir alle an. Meistens allein, weil ich sonst niemanden habe zum Schauen."

"Das ist ein Highlight"

Ob sie eine Idee hätte, wie man Frauenfußball hierzulande populärer machen könnte? "Es braucht mehr Akademien, dann fängt es so richtig an. Sonst können nur Einzelne rauskommen." Sie unterstreicht diesbezüglich auch den Wunsch von ÖFB-Präsident Gerhard Milletich nach eigenen Teams bei RB Salzburg und Rapid. Zötsch wundert sich darüber, "dass der ÖFB nicht von Anfang an dahinter war. Wahrscheinlich hatten sie mit den Männern genug zu tun", mutmaßt sie und lacht. Auch Schulen seien in der Pflicht, den Mädchen Fußball schmackhaft zu machen.

Bei der EM, die am 6. Juli mit der Partie England gegen Österreich im ausverkauften Old-Trafford-Stadion in Manchester beginnt, traut Zötsch den Österreicherinnen einiges zu. "Warum sollen sie nicht gut spielen?" Sie möchte einerseits nicht mit den aktuellen Teamfußballerinnen tauschen und vor einem so großen Publikum spielen. Andererseits freut sie sich jedenfalls mit den ÖFB-Spielerinnen. "Es ist ja schon schön, überhaupt dorthin zu kommen. Das ist ein Highlight, das können sie nur genießen." (Thomas Hirner, 22.6.2022)