Jurist Nikolaus Forgó analysiert in seinem Gastblog, ob der zukünftige Schutz von Whistleblowern in Österreich ausreichend ist.

Es wird hierzulande immer mal wieder über Transparenz diskutiert und es besteht dazu bekanntlich auch jeder denkbare Anlass: Das Spektrum an Nachrichten reicht vom (immer noch fehlenden) Informationsfreiheitsgesetz über Chats, die die Innenpolitik seit Jahren dominieren, bis zu "exklusiv" auf "EU-Infothek" publizierten Nachrichten über eine angebliche erneute Anzeige gegen den "Ibiza-Aufdecker" wegen eines angeblichen Drogenvergehens. Dies macht vor allem eines deutlich: Es ist gar nicht einfach, in Österreich zu sagen, wer was wann wem warum verraten hat, wann gelogen oder verschwiegen wird und was daraus dann jeweils rechtlich folgt. Das mag eine Stimmung erzeugen, die - man weiß es nicht - entweder davon abhält, für das Melden angeblicher Rechtsverstöße die eigene bürgerliche Existenz zu riskieren und/oder erst recht Anreize schafft, andere (unberechtigt) anonym zu "vernadern".

Viele der aufgeworfenen Fragen sind zwar in Österreich wegen der diversen Skandale und politischen Versprechen, diesen abzuhelfen, besonders virulent, aber sie sind kein rein österreichisches Phänomen. Folgerichtig hat die EU schon vor fast drei Jahren eine Richtlinie erlassen, die Personen, welche Rechtsverstöße melden ("Whistleblower"), besser schützen soll.

Werden Whistleblower durch die kommende Gesetzesänderung ausreichend geschützt?
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Die Richtlinie wäre bis zum 17. Dezember 2021 umzusetzen gewesen. Dies Frist wurde nicht eingehalten, ohne dass dies allzu sehr aufgefallen wäre - sieht man von einer parlamentarischen Anfrage ab, die vor wenigen Tagen mit dem sehr österreichischen Satz "Die Whistleblowing-Richtlinie enthält Regelungen, die sich bei ihrer Umsetzung und der dabei notwendigen Verzahnung mit dem innerstaatlichen Recht als vergleichsweise sehr komplex erweisen." beantwortet wurde. 

Nun gibt es aber - (zu) spät, aber doch - einen Ministerialentwurf zur Umsetzung, zu einem "HinweisgeberInnenschutzgesetz" (mit Binnen-I im Titel, Abkürzung: HSchG).Vier Punkte in diesem Entwurf möchte ich herausgreifen:

1. Wer ist zuständig?

Obwohl in Österreich vermutlich vor allem Vorgänge im öffentlichen Sektor gemeldet werden werden, obwohl es um diffizile grundrechtliche Fragen der Abwägung zwischen Rechten von Hinweisgebern und Betroffenen geht und obwohl die Stabsstelle Datenschutz im Bundesministerium für Justiz ressortiert, stammt der österreichische Umsetzungsentwurf aus dem Bundesministerium für Arbeit. In Deutschland, zum Beispiel, ist dies anders, dort kommt der Referentenentwurf aus dem Justizministerium.

Solche Details sind in Koalitionsregierungen nicht irrelevant.

2. Datenschutz?

Die aufgezeigten Interessenskonflikte zwischen Hinweisgeber und Betroffenem sind, man ahnt es, datenschutzrechtlich anspruchsvoll. Dem widmet sich der Entwurf mit einer Datenschutz-Folgenabschätzung. Leider hat diese aber nur 27 Zeilen, von denen sechs lauten: "Die gesetzliche Grundlage muss auf das Spannungsverhältnis zwischen einerseits der Gefahr eingehen, die für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber und eine wirksame Verfolgung ihres Hinweises bei einer Bekanntgabe ihrer Daten entstünde, und andererseits den datenschutzrechtlichen Ansprüchen der von einem Hinweis betroffenen Person Rechnung tragen (Recht auf Geheimhaltung der personenbezogenen Daten, Recht auf Auskunft, auf Berichtigung, auf Löschung, auf Einschränkung der Verarbeitung, auf Datenübertragbarkeit und Widerspruchsrecht nach Art. 21 DSGVO)". Dem wird man nicht widersprechen wollen, jedoch enthält die Datenschutz-Folgenabschätzung (so gut wie) keine weiteren Hinweise, wie dieses identifizierte Spannungsverhältnis denn nun aufzulösen ist.

3. Kein Gold-Plating

Die EU-Richtlinie erlaubt (ungewöhnlicherweise) ein Gold-Plating, hier also eine Erweiterung der Whistleblower-Regeln auf Sach- und Rechtsbereiche, die in der Richtlinie nicht enthalten sind (Art. 2 Abs. 2). Zwingend vorgegeben sind insbesondere Bereiche wie öffentliches Auftragswesen, Finanzdienstleistungen, aber auch Umweltschutz, Verbraucherschutz, Datenschutz und Datensicherheit. Diesen Katalog (spürbar) zu erweitern, versucht der österreichische Umsetzungsentwurf jedoch nicht: Schon wieder sehr österreichisch heißt es dort: "Der Umsetzung liegt das Konzept zugrunde, die Bestimmungen vorerst auf die von der Richtlinie zwingend vorgegebenen Inhalte zu beschränken. [...] Über die Option, späterhin über die Umsetzung der Mindestinhalte der Richtlinie hinauszugehen und die gesetzlichen Bestimmungen zu erweitern, ist vom Gesetzgeber nach einer Auswertung der Erfahrungen mit dem HSchG zu entscheiden". Damit bleiben aber wichtige Bereiche, in denen es - gerade in Österreich - regelmäßig zu Whistleblowing kommt oder kommen könnte, zum Beispiel Berichte von akademischem Fehlverhalten, weiterhin nicht geregelt.

4. Externe Stelle

Whistleblowing ist heikel. Wird die Vertraulichkeit nicht gewahrt, kann das existenzgefährdend sein. Das System funktioniert daher nur, wenn potentielle Hinweisgeber (berechtigt) darauf vertrauen, dass bei der Stelle, die die Hinweise entgegennimmt, zuverlässig, sicher und unabhängig gearbeitet wird. Im Vorarlberger Landesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie wurde als solche Meldestelle, zum Beispiel, der Landesvolksanwalt – und damit eine Stelle außerhalb der klassischen Hierarchie in der Verwaltung - identifiziert (§ 9 Vorarlberger Hinweisgeberschutzgesetz).

Im Entwurf des Bundesgesetzes steht demgegenüber: "[Es] wird vorgeschlagen, das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung zur einheitlichen Stelle sowohl für externe Hinweise zuständig zu machen, die den „privaten Sektor“ im Sinne der Richtlinie betreffen, als auch für externe Hinweise, die sich auf den „öffentlichen Sektor“beziehen." Das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung ist, wie schon sein Logo deutlich macht, eine Einrichtung des Innenministeriums. "Der Direktor und sein Stellvertreter werden vom Bundesminister für Inneres nach Anhörung der Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes für eine Funktionsperiode von fünf Jahren bestellt." (§ 2 Abs. 2 BAK-G).

Sollte dies so Gesetz werden, wird dies ein Realexperiment, wie sehr die Bevölkerung an die Unabhängigkeit und Vertrauenswürdigkeit einer Einrichtung des Innenministeriums (noch oder wieder) glaubt, messbar an Zahl und Qualität der Whistleblowing-Meldungen. Stellungnahmen zum Entwurf sind über die Webseite des Parlaments bis zum 15. Juli 2022 möglich. (Nikolaus Forgó, 19.1.2022)

P. S.: Zum Thema fand eine Tagung in den Räumlichkeiten der Volksanwaltschaft statt. Informationen dazu finden sich hier:

Department of Innovation and Digitalisation in Law

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