Viele Methoden des Geoengineerings gehen auf Beobachtungen und Effekte von Vulkanausbrüchen zurück. In der Vergangenheit sorgten starke Eruptionen immer wieder für eine Abkühlung der Atmosphäre. Diese soll künstlich nachgebildet werden.

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Um die überhitzte Erde zu kühlen, wird immer öfter Geoengineering ins Treffen geführt. Bevor diese Techniken zum Einsatz kommen, müssen klare Regeln ausgehandelt werden, sagt der Uni- Wien-Forscher Blaž Gasparini.

STANDARD: Gab es bereits Feldversuche zu Geoengineering?

Gasparini: Bisher nicht. Es gab konkrete Vorhaben, etwa letztes Jahr in Schweden. Man wollte etwa ein Kilogramm reflektierende Aerosole in der Stratosphäre in 20 Kilometer Höhe injizieren, um besser zu verstehen, welche chemischen Abläufe und Veränderungen sich daraus ergeben. Aber die Gegenreaktion aus der Bevölkerung und von NGOs war zu heftig, deshalb wurde der Versuch verschoben.

STANDARD: Woher stammt das Wissen dann hauptsächlich?

Gasparini: Aus vielen Simulationen mit Klimamodellen und aus Laborversuchen, bei denen chemische Reaktionen untersucht werden. Im Labor ist es aber etwas anderes als in der Natur. Wenn wir Geoengineering ernsthaft betreiben und erforschen wollen, bräuchten wir irgendwann Feldversuche. Wir kennen manche Unsicherheiten, aber dann hat man auch die unknown Unknowns – also völlig unvorhersehbare Unsicherheiten –, die kann man nur in einem Feldversuch ergründen und sehen, was wirklich passiert. Feldversuche sollten aber jedenfalls kontrolliert und kleinräumig sein, um das Risiko negativer Folgen so weit wie möglich zu verringern.

STANDARD: Ließen sich mögliche negative Folgen mit entsprechenden Versuchen gänzlich abschätzen?

Gasparini: Es stimmt, dass bei Feldversuchen einige unknown Unknowns zum Vorschein kommen werden. Andere unknown Unknowns können jedoch völlig verborgen bleiben, wenn man nicht wirklich einen Geoengineering-Einsatz in großem Maßstab durchführt. Es ist also immer noch eine gewisse Vorsicht geboten. Die Befürchtung mancher NGOs und von Teilen der Bevölkerung ist dabei, dass man mit etwas Kleinem beginnt und dann schnell in die großflächige Umsetzung geht. Angesichts dessen bin auch ich im Zweifel und manchmal besorgt.

STANDARD: Sind die gesellschaftlichen Sorgen also begründet?

Gasparini: Es sind berechtigte Argumente, die man ernst nehmen und seitens der Forschung offen kommunizieren muss. Man könnte das alles auch anders verpacken und sagen, wir machen die Experimente nur, weil wir an der Chemie in der Stratosphäre interessiert sind. Dann wäre das vielleicht in der Öffentlichkeit besser akzeptiert. Aber ich finde es wichtig, dass wir direkt das Hauptziel kommunizieren und sagen: Wir wollen wissen, wie Geoengineering wirkt und welche Wirkung Aerosole auf chemische Prozesse haben, um das Geoengineering-Risiko besser zu quantifizieren.

"Wir müssen ganz klare Regeln aushandeln, was geschehen muss, damit wir Geoengineering durchführen können." – Blaž Gasparini

STANDARD: Welche negativen Folgen wurden in Simulationen deutlich?

Gasparini: Bei manchen Simulationen haben wir gesehen, dass wir Dürreereignisse nicht verhindern und sie teils verschlimmern können. Der Abbau der Ozonschicht wäre ein anderes Problem. Davon abgesehen hilft Geoengineering nicht gegen Effekte wie die Versauerung der Meere, denn die ist mit der Konzentration von CO2 verbunden. Wir erforschen verstärkt stratosphärische Aerosolinjektionen, da wir wissen, dass sie zur Reduktion der Temperatur beitragen würden.

STANDARD: Ist die Ausbringung von Partikeln die derzeit am stärksten verfolgte Methode?

Gasparini: Für solares Geoengineering sind diese stratosphärischen Aerosolinjektionen die Hauptmethode. Wir erforschen sie verstärkt, da wir wissen, dass sie global zur Reduktion der Temperatur beitragen würden.

STANDARD: Gründet diese Sicherheit lediglich auf Modellrechnungen?

Gasparini: Wir haben die Bestätigung von Vulkanausbrüchen. Manchmal haben wir große, explosive Eruptionen in den Tropen, die viel Schwefel in die Stratosphäre bringen, der nach etwa einem Monat Aerosole bildet. Diese kleinen Partikel wirken wie Spiegel. Wir haben dann also viele kleine Spiegel in der Schicht in Höhen von 15 und 30 Kilometern, die von Windströmungen über die ganze Welt verteilt werden. Bei der Eruption des Pinatubo 1991 wurde ein Abkühlungseffekt von 0,5 Grad gemessen, der rund zwei Jahre lang anhielt.

Blaž Gasparini interessiert sich seit seiner Kindheit für die systematische Beobachtung von Wetterphänomenen und die physikalischen Prozesse, die uns umgeben. Bereits im Alter von neun Jahren begann er damit, Niederschläge zu messen.

STANDARD: Welcher Aufwand wäre nötig, um solch einen Effekt künstlich zu erzielen?

Gasparini: Die künstliche Injektion von Schwefel würde nicht auf einen Schlag durchgeführt wie bei einem Vulkanausbruch. Vielmehr würde man graduell Material in die Stratosphäre einbringen, also jeden Tag ein bisschen davon in den Tropen verteilen. Von dort werden die Partikel durch Luftströmungen innerhalb eines Jahres gleichmäßig über den Globus verteilt. Um die Erde um ein Grad zu kühlen, bräuchten wir einer Studie zufolge rund 100 Flugzeuge, von denen jedes dreimal pro Tag auf 20 Kilometer fliegen und Material ausbringen würde.

STANDARD: Bei diesen Flügen würde doch wieder CO2 frei.

Gasparini: Das ist natürlich ein Problem, aber der Effekt der Injektionen ist wesentlich größer als jener dieser Flugzeuge. Diese Methode klingt wie Science-Fiction, das ist sie aber nicht. Daher müssen wir über Geoengineering nicht nur aus Perspektive der Wissenschaft und der Ingenieurstechnik nachdenken. Auch aus gesellschaftlicher, ethischer und politischer Perspektive. Wir müssen ganz klare Regeln aushandeln, was geschehen muss, damit wir Geoengineering durchführen können.

STANDARD: Mehr als 300 Forschende haben ein Non-Use-Agreement für solares Geoengineering unterzeichnet. Wie stehen Sie dazu?

Gasparini: Ich finde das Manifest etwas verwirrend. Es wird prominent als Manifest für ein Moratorium für Geoengineering beschrieben, das ich auch selbst unterzeichnen würde. Wenn ein Staat auf eigene Faust Geoengineering anwenden würde, könnten wir das dank eines solchen Abkommens sanktionieren. Ich bin ganz klar für ein Moratorium, aber ich bin auch immer noch für Forschung. Diese Aktion wendet sich auch gegen Forschung, die staatlich finanziert wird. Da das Thema jedoch so heikel ist, würde ich es besser finden, wenn wir Forschung mit Staatsgeld betreiben und dadurch bessere Kontrollen haben – im Vergleich zu Forschungsgeld, das etwa von Bill Gates oder Elon Musk kommt. Das dient dann vielleicht eher privaten Interessen und nicht dem allgemeinen Interesse.

"Geoengineering ist keine alternative Lösung der Klimakrise. Es ist wie Morphium, es lindert manche Konsequenzen des Klimawandels, aber es heilt ihn nicht." – Blaž Gasparini

STANDARD: Könnte eine verstärkte Forschung auch Risiken bergen?

Gasparini: Je mehr wir wissen, desto bessere Entscheidungen können wir treffen. Es ist ein kontroverses Thema, aber es ist besser, viel darüber zu wissen als nichts zu wissen. Es ist allerdings heikel, denn wenn man viel forscht und ein Konzept für die Umsetzung hat, würde Geoengineering vielleicht einfach durchgeführt. Außerdem könnte daraus ein moralisches Risiko erwachsen.

STANDARD: Weil es einen scheinbar schnellen Ausweg aus der Krise verspricht?

Gasparini: Mit Geoengineering hätten wir ein Mittel, um manche Klimaprobleme zu lindern. Aber wir greifen damit nicht die Ursache der Probleme an. Natürlich denken manche Menschen, dass wir keine Maßnahmen zur CO2-Reduktion brauchen, wenn wir Geoengineering anwenden. Da sehe ich ein echtes Problem. Wenn wir über das Thema sprechen, müssen wir klar zeigen: Das ist keine alternative Lösung der Klimakrise. Es ist wie Morphium, es lindert manche Konsequenzen des Klimawandels, aber es heilt ihn nicht. Wir müssen aufhören, CO2 zu emittieren. Ich habe kein Interesse, dass wir Geoengineering anwenden, aber wir müssen besser verstehen, welche Karten wir in der Hand haben. (Marlene Erhart, 30.6.2022)