Lia Thomas schwamm von 2017 bis 2020 für das Männerteam der University of Pennsylvania, seit 2021 schwimmt sie für die Frauen.

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Dem Beispiel der Fina, des Weltverbands im Schwimmen, folgte zunächst die International Rugby League – und schloss Transgender-Sportlerinnen vorerst von Frauenbewerben aus. Das betrifft etwa schon die WM im November in England. Wie die IRL am Dienstag mitteilte, arbeite man intensiv an der Entwicklung von Kriterien, "die das Recht des Einzelnen auf das Spielen mit der Sicherheit aller Teilnehmer auf faire Weise in Einklang bringen".

Ziel sei eine "umfassende Inklusionspolitik", bis 2023 soll eine endgültige Linie fixiert sein. Um unnötige Rechtsrisiken zu vermeiden, seien weitere Konsultationen und Untersuchungen nötig. Grundsätzlich sei die IRL jedoch der "Überzeugung, dass Rugby ein Spiel für alle ist und dass jeder und jede unseren Sport spielen kann".

"Biologie übertrumpft Gender"

Die IRL bezog sich bei ihrer Entscheidung auf das Internationale Olympische Komitee (IOC). Demnach sei es Aufgabe jeder Sportart und ihres Dachverbands, "zu bestimmen, inwiefern ein Athlet im Vergleich zu seinen Mitstreitern einen unverhältnismäßigen Vorteil hat – unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Natur der einzelnen Sportarten". Die Fina hatte am Sonntag neue Regeln für Transmenschen fixiert. Danach dürfen sie nur an Frauenbewerben teilnehmen, wenn sie ihre Geschlechtsanpassung bis zum Alter von zwölf Jahren abgeschlossen haben. Zudem wird überlegt, eine "offene" Kategorie auch mit internationalen Meisterschaften einzuführen.

Auch die Leichtathletik wird wohl dem Schwimmsport nachhüpfen. Sebastian Coe, Präsident von World Athletics (WA): "Das ist so, wie es sein sollte. Wir sind immer davon ausgegangen, dass die Biologie Gender übertrumpft, und wir werden unsere Vorschriften weiterhin entsprechend überprüfen. Wir werden der Wissenschaft folgen", sagte Coe. Man werde weiterhin Beweise dafür sammeln, dass Testosteron eine Schlüsselrolle bei Leistungen spiele. Ende des Jahres soll auch das WA-Exekutivkomitee das Thema diskutieren.

Auch der Fußball-Weltverband Fifa arbeitet an neuen Richtlinien zum Umgang mit der Transgender-Thematik. "Die Fifa überarbeitet derzeit ihr Reglement zur Geschlechtergerechtigkeit in Absprache mit Experten", teilte ein Fifa-Sprecher am Dienstag mit. Die Fifa stütze sich auf Vorgaben zahlreicher Interessengruppen für Medizin, Recht, Wissenschaft/Leistung und Menschenrechte und behandle jeden einzelnen Fall unter Berücksichtigung der "klaren Verpflichtung der Fifa zur Achtung der Menschenrechte".

Die Fälle Hubbard und Thomas

Zuletzt hatten etliche einzelne Fälle die Diskussionen befeuert. Die Neuseeländerin Laurel Hubbard nahm 2021 in Tokio als erste Transgender-Gewichtheberin an Olympischen Spielen teil (und scheiterte mit drei Fehlversuchen). Hubbard (44) hatte bis zum Alter von 23 Jahren Männerbewerbe bestritten, sich mit 34 einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen und als Frau registrieren lassen. Bei der WM 2017 gewann sie Silber, zuvor hatte sie nachweisen müssen, dass ihr Testosteronlevel unter einem bestimmten Wert lag.

Im März sorgte die US-Schwimmerin Lia Thomas für Schlagzeilen. Sie ist Jahrgang ’98 und durchlief eine männliche Pubertät. Von 2017 bis 2020 schwamm sie für das Männerteam der University of Pennsylvania, seit 2021 schwimmt sie für die Frauen. Als sie heuer einen College-Titel gewann, erklärte Floridas Gouverneur Ron DeSantis danach, die zweitplatzierte Emma Wyant sei die eigentliche Siegerin.

Dass Lia Thomas olympisch auftaucht, scheint fast ausgeschlossen. Caitlyn Jenner, die 1976 als Bruce Jenner Olympiagold im Zehnkampf gewann und 2015 bekanntgab, transsexuell zu sein, begrüßt das: "Was fair ist, ist fair. Wer durch eine männliche Pubertät geht, sollte nicht die Chance kriegen, den Frauen Medaillen wegzunehmen." Doch es gibt auch einen anderen Blickwinkel. US-Fußballerin Megan Rapinoe twitterte: "Es geht um Menschenleben. Das Leben von Kindern ist in Gefahr angesichts der Zahlen von Selbstmorden, Depressionen und schlechter mentaler Gesundheit. Wir müssen mit Inklusion beginnen, nicht mit dem Gegenteil. Das ist grausam und, ehrlich gesagt, abstoßend." (fri, APA, sid, 21.6.2022)