Der Burkini hält diesen Sommer keinen Einzug in die städtischen Schwimmbäder Frankreichs. Nach einer wüsten Polemik mitten im Parlamentswahlkampf hat der Staatsrat – das höchste Verwaltungsgericht des Landes – einen entsprechenden Entscheid bekanntgegeben. Er desavouiert den grünen Bürgermeister der Alpenstadt Grenoble, Eric Piolle, der das Schwimmreglement zugunsten des Burkinis geändert hatte. Der Stadtrat hatte das Ganzkörperbadekleid im Mai sehr knapp gegen die Stimmen der konservativen Opposition zugelassen. Er folgte damit der Haltung eines Verbandes muslimischer Frauen, der Zugang zu den städtischen Hallen- und Freibädern im Burkini verlangt hatte. Die rot-grüne Ratsmehrheit hatte die Zulassung mit der Bekleidungsfreiheit und dem Prinzip der Nichtdiskriminierung begründet; damit wäre es auch möglich geworden, in Grenoble "oben ohne" zu baden.

Der Staatsrat in Paris weist diese Sicht zurück. Er behauptet, die Stadt Grenoble habe nicht etwa aus hygienischen oder freiheitlichen Gründen gehandelt, sondern "um eine Forderung religiöser Natur" zu erfüllen. Das sei aber nicht die Aufgabe eines städtischen Reglements; es verletzte das Gebot der – auch religiösen – Neutralität durch die Behörden. Dabei stützt sich der Staatsrat auf ein unter Präsident Emmanuel Macron eingeführtes "Gesetz gegen den Separatismus", das vor allem dem Islamismus in den Vorstädten einen Riegel vorzuschieben versucht.

Nachdem ein grüner Bürgermeister in Grenoble die Ganzkörperverhüllung in Schwimmbädern zugelassen hatte, entschied der Pariser Staatsrat, dass damit das Gebot der Neutralität der Behörden verletzt wird.
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Enganliegende Badebekleidung

Der Staatsrat veröffentlichte den Entscheid wohl bewusst erst nach den Parlamentswahlen, um nicht in den Wahlkampf einzugreifen. Der Grenobler Bürgermeister Piolle, ein prominenter Vertreter der linken "Volksunion" (Nupes) von Jean-Luc Mélenchon, erklärte, er akzeptiere den Entscheid des Staatsrates. In der Beratung vor dem Staatsrat hatte er einen Burkini herumgezeigt und erklärt, dieser Ganzkörperanzug liege enger am Körper an als zum Beispiel Fraueneinteiler mit Rüschen. Viele französische Schwimmbäder verlangen in ihrem Reglement seit langem hautanliegende Badkleider, und zwar auch für Männer.

Der Burkini – ein sprachlicher Zusammenzug aus "Burka" und "Bikini" – war von einer libanesischen Modeschöpferin in Australien vor Jahren geschaffen worden, um auch muslimischen Frauen das körperverhüllte Baden zu erlauben. In Frankreich bewirkt der Ganzkörperanzug einen ähnlichen Kulturkampf wie das Teilverbot des islamischen Kopftuchs im Jahr 2005. Der konservative Vorsteher des Großraumes Auvergne-Rhône-Alpes, Laurent Wauquiez, hat Grenoble bereits die regionalen Subventionen gestrichen.

Ungelöst ist die Frage, ob der Burkini an den französischen Stränden zugelassen ist. Dort herrscht naturgemäß eine größere Freiheit als in einem Hallenbad. Der Staatsrat hatte deshalb ein Burkiniverbot einzelner französischer Badeorte im Jahr 2017 aufgehoben. Als ein Bademeister vor wenigen Tagen einer Frau das Schwimmen im Burkini untersagen wollte, löste er damit aber sogleich eine landesweite Polemik aus. (Stefan Brändle aus Paris, 22.6.2022)