Seit 2011 im Amt, geht Wallner nun in einen mehrwöchigen Krankenstand. Ein Rücktritt, über den in Vorarlberg seit Wochen spekuliert wird, wird von seinem Büro ausgeschlossen.

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Seit Wochen läuft die Gerüchteküche in Vorarlberg auf Hochtouren – Thema Nummer eins: Tritt Landeshauptmann Markus Wallner zurück – und, wenn ja, wann? Obwohl es nach einem Medienbericht am Mittwochmorgen zunächst danach aussah, als sei dieser Punkt nun erreicht, dementierte der Sprecher der Landesregierung die Meldung nur wenige Minuten später.

Wallner will "mit voller Kraft zurückkommen"

Dass sich Wallner in den nächsten Wochen zurückzieht, stimmt allerdings: Der Landeshauptmann geht auf Anraten seiner Ärzte in einen mehrwöchigen Krankenstand. Die Belastungen – zunächst die Pandemie und dann natürlich auch die Wirtschaftsbund-Affäre – hätten der Gesundheit zu stark zugesetzt. Das Wort Burnout nimmt zwar niemand offiziell in den Mund, inoffiziell dürfte das allerdings die Diagnose sein.

Aus dem Büro von Wallner heißt es jedenfalls aber ganz klar, ein Rücktritt "zum jetzigen Zeitpunkt" sei ausgeschlossen. Man hoffe, Wallner sei nach der Sommerpause im September wieder zurück. Wallner selbst äußerte sich auf Facebook: Er werde nach dem mehrwöchigen Krankenstand "mit voller Kraft ins Amt zurückkommen und auch weiterhin für Vorarlberg Verantwortung tragen". In der Zwischenzeit übernimmt Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink die Amtsgeschäfte.

Sachslehner kritisiert mediale Vorverurteilung

Aus der ÖVP – sowohl im Land als auch im Bund – folgten rasch Genesungswünsche. Bundeskanzler Karl Nehammer betonte, die Gesundheit stehe über allem, auch über der Politik. ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner kritisierte eine mediale Vorverurteilung, die es gegeben habe. Und Roland Frühstück, Klubobmann der ÖVP in Vorarlberg, meinte: "Der stärkste Baum kann bei so einem Wind auch einmal reagieren." Er hoffe, Wallner komme noch stärker als zuvor zurück.

SPÖ: Hohe Belastung – nicht nur in der Politik

Genesungswünsche kamen auch von den Grünen und aus der Opposition, die üblichen Rücktrittsrufe blieben aus. Man kenne das ja leider schon von anderen Politikern, die aufgrund der Belastung kürzer treten mussten, reagierte die Vorarlberger SPÖ-Chefin Gabriele Sprickler-Falschlunger, die auch Ärztin ist. Sie wolle das aber nicht auf die Politik begrenzen, es gebe viele Berufe und Aufgaben, die Menschen über die Maßen belasten. "Am Ende stehe die Gesundheit immer an erster Stelle."

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Das sah auch Politologe Peter Filzmaier in der "ZiB2" am Mittwochabend so. Es sei ein "dummes Vorurteil zu sagen, dass Politiker nichts arbeiten würden und überbezahlt seien". Es sei ein Vollzeitjob, "oft 20 Stunden am Tag".

Neos mit Appell für sauberere Politik

Man müsse zwischen Mensch und System unterscheiden, sagte Neos-Chefin Sabine Scheffknecht. "Das System ÖVP krankt, trotzdem ist es schlimm, wenn Menschen – speziell auch gesundheitlich – darunter leiden." Deutlicher fällt die pinke Wortmeldung aus dem Bund aus: Dass man in einem Sumpf an Macht, Intrigen und Intransparenz leicht zerrieben werde, sei bekannt, schrieb Generalsekretär Douglas Hoyos auf Twitter. Es brauche deswegen offenere, sauberere und ehrlichere Politik.

FPÖ glaubt nicht an Comeback

Nicht alle sind restlos überzeugt von den Versicherungen, dass Wallner wieder zurückkehre. So sieht der Vorarlberger FPÖ-Chef Christof Bitschi im Krankenstand einen "ersten Schritt zur Seite", das Land sei dadurch außerdem "führungslos". Eine Kritik, die weder ÖVP noch der Regierungspartner, die Grünen, auf sich sitzen lassen wollen. Die Regierung sei voll handlungsfähig. Abgesehen davon naht die Sommerpause: Regierungssitzungen gibt es in Vorarlberg nur noch etwa drei Wochen lang. SPÖ-Chefin Sprickler-Falschlunger sieht dennoch einen problematischen Zeitpunkt, immerhin stehe man mit steigenden Corona-Zahlen und der Teuerung vor besonders herausfordernden Zeiten – ganz abgesehen von der Aufklärung der Wirtschaftsbund-Affäre.

Worum es in der Wirtschaftsbund-Affäre geht

Damit fällt das Stichwort, das Wallner überhaupt erst in seine schwerste Krise gebracht hat: Seit Anfang des Jahres läuft im Vorarlberger Wirtschaftsbund, einer ÖVP-Teilorganisation, bekanntlich eine Großbetriebsprüfung der Finanz. Diese hatte nicht nur Anzeigen wegen vorsätzlicher Abgabenhinterziehung bei der Organisation zur Folge – es dürfte sich um bis zu 1,3 Millionen Euro handeln –, sondern auch Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Wallner, den derzeitigen Wirtschaftslandesrat und seinen Vorgänger und derzeitigen Obmann des Wirtschaftsbunds zur Folge – es gilt die Unschuldsvermutung.

Warum gegen Wallner ermittelt wird

Bei den Ermittlungen gegen Wallner geht es um den Vorwurf eines Managers, der Landeshauptmann habe selbst für Inserate im Magazin des Wirtschaftsbunds geworben – die Organisation nahm damit innerhalb von fünf Jahren mehr als vier Millionen Euro ein – und ein Entgegenkommen des Landes für die werbenden Unternehmen in Aussicht gestellt. Wallner wehrt sich vehement gegen diese Vorwürfe und bezeichnete sie mehrmals als Lüge. Er kritisiert außerdem, dass die Anschuldigungen anonym erfolgen würden und sich so nur schwer aufklären ließen. Einzig die "Vorarlberger Nachrichten", denen eine eidesstattliche Erklärung vorliegt, kennen die Identität des Managers.

Schlampige Buchhaltung, fette Gehälter

Abgesehen von den nicht in ausreichendem Maße oder nicht bezahlten Steuern und den Korruptionsvorwürfen gegen Wallner und zwei andere ÖVP-Politiker offenbarte die Betriebsprüfung aber auch allzu unsauberen Umgang mit der Buchhaltung des Wirtschaftsbunds – so fand man dort Hinweise auf Spenden an das Rote Kreuz, bei der Organisation selbst seien aber nie welche eingetroffen. Und auch, wie sich die ehemaligen Direktoren am Reichtum der Organisation bedienten, sorgte für scharfe Kritik: Einer der ehemaligen Direktoren räumte etwa ein, von Wirtschaftsbund-Konten in seine Lebensversicherung eingezahlt zu haben, sein Nachfolger erhielt ein zinsfreies Darlehen in der Höhe von 250.000 Euro. Die saftigen Direktorengehälter dürften sich beide durch hohe Provisionen zusätzlich aufgebessert haben.

Causa warf Licht auf verdeckte Parteienfinanzierung

Und auch seit Jahren im Raum stehende Fragen der versteckten Parteienfinanzierung spülte die Großbetriebsprüfung an die Oberfläche: Erstmals musste die ÖVP öffentlich machen, wie viel Geld die Partei vom Wirtschaftsbund erhielt und wann. Demnach ist von 900.000 Euro seit 2014 die Rede. Die Finanzprüfer gehen aber von einem viel höheren Betrag aus, weil auch Unterstützungen für einzelne Politiker und Gemeinden hinzugezählt werden müssten. Die Entwicklungen in Vorarlberg sorgten auch in anderen Bundesländern dafür, dass intransparente Geldflüsse von parteinahen Medien (wieder) thematisiert und breit kritisiert wurden. Und auch der Rechnungshof unterstrich zuletzt die Bedeutung des Themas, als die Prüfer den Spendenbericht der ÖVP 2019 zurückwiesen.

Die Causa untermauert jedenfalls die Notwendigkeit für ein strengeres Parteienfinanzierungsgesetz, auf das sich ÖVP und Grüne schon Anfang des Jahres geeinigt hatten. Im Herbst soll das Paket, das auch umfassendere Rechte für den Rechnungshof vorsieht, umgesetzt werden. Herbst lautet auch das Stichwort für einen möglichen Untersuchungsausschuss zum Wirtschaftsbund in Vorarlberg, denn die Oppositionsparteien wollen das Instrument U-Ausschuss im Landtag zunächst noch stärken lassen.

Wer auf Wallner folgen könnte

Laufen die Dinge wie am Mittwoch vom Büro des Landeshauptmanns skizziert, dürfte Wallner bei einem allfälligen U-Ausschuss also wieder im Amt sein. Sollte es sich tatsächlich um einen Rückzug auf Raten handeln, dürfte aber eine andere Personallösung als Schöbi-Fink gefunden werden. Die ehemalige Lehrerin und Journalistin ist zwar seit vielen Jahren in der Politik, gilt aber als eher farblos und nicht in diese Richtung ambitioniert. Am Mittwochabend hat sie auch selber klar gemacht, dass sie sich nicht vorstellen kann, das Amt auf längere Sicht auszuüben. Wallner sei im Krankenstand, werde gesund werden und wiederkommen. Etwas anderes stehe laut der 61-Jährigen nicht zur Diskussion.

Dass Vorarlberg zu seiner ersten Landeshauptfrau kommt, ist dennoch nicht ausgeschlossen. Denn immer wieder fällt auch der Name von Andrea Kaufmann, derzeit Bürgermeisterin in Dornbirn. Fix war am Mittwoch eigentlich nur eines: Die Gerüchteküche läuft auch über den Sommer weiter auf Hochtouren. (Lara Hagen, 22.6.2022)

Update um 23:13 Uhr: Filzmaier-Stellungnahme aus der "ZiB2" wurde eingebaut.