Erinnerungen an die Diktatur Suhartos? Bildausschnitt aus "People's Justice", dem Bildbanner von Taring Padi.

Foto: Imago/Hartenfelser

Mit der Abhängung des Stoffbanners "People's Justice" haben sich die Wogen auf der fünfzehnten Documenta keineswegs geglättet. Das großformatige Werk des indonesischen Kollektivs Taring Padi – es zeigt unter anderem ein mit "Mossad" gekennzeichnetes Schwein samt Davidstern – wurde inzwischen vom Kasseler Friedrichsplatz entfernt.

Das Wimmelbild steckt voller antisemitischer Signale. Das Schwein teilt den Bildraum mit einem Blutsauger, der Reißzähne bleckt. Auf dem Kopf trägt dieser als orthodox gekennzeichnete Jude eine Melone mit SS-Zeichen. Wie nicht weiter verwunderlich, reagierte die israelische Botschaft umgehend, sie identifizierte "Propaganda im Goebbels-Stil".

Die zögerliche Entfernung von "People's Justice" aus dem öffentlichen Raum der nordhessischen Metropole gibt derweil Rätsel auf. Immerhin wurde das Bild bereits 2002 (!) im südaustralischen Adelaide der dortigen Öffentlichkeit gezeigt. Es blieb offenbar unbeanstandet.

Eigene Erfahrungen

Die indonesische Gruppe leugnet jede Verletzungsabsicht. Ihr Werk, das nicht nur vom Förderkreis Denkmal für die ermordeten Juden Europas als widerwärtig antisemitisch empfunden wird, sei "kulturspezifisch auf unsere eigenen Erfahrungen bezogen". Gemeint ist die Unterdrückung und Ermordung hunderttausender indonesischer Demokraten durch die Suharto-Diktatur (1967 bis 1998), die breite Unterstützung im Westen erfuhr.

Offenbar sollte eine geläufige Vulgärform der Kapitalismuskritik ein weiteres Mal strapaziert werden. Erst im Schutz des faschistischen Terrors könne das als "jüdisch" konnotierte Großkapital ungestört seinen Betrügereien nachgehen.

Umso verstörender der Hinweis von Taring Padi, ihr Wimmelwerk werde "nur im speziellen Kontext von Deutschland als beleidigend empfunden". Schweine, Ratten, schädliches Kleingetier: Symbole für das Zusammenwirken von institutioneller Gewalt und Kapitalmacht. Als ob sich auf der südlichen Halbkugel der Gedanke an den Holocaust leichter ausblenden ließe.

Documenta-Geschäftsführerin Sabine Schormann benötigte Tage für eine Korrektur ihrer Einschätzung, hier wäre ein Kunstwerk gezeigt worden, das nur "im Kontext" seiner eigenen, demokratiepolitisch besten Absichten verstanden werden kann. Ihr Rücktritt wird bereits gefordert. Die Vertreter des Globalen Südens, voran die Documenta-Oberkuratoren der Ruangrupa aus Jakarta, hätten das Banner "People's Justice" gerne weiterhin erläutert.

So wurde es zuerst nur schwarz verhängt. Prompt fühlten sich Kritiker an ein Tabernakeltuch erinnert: Das antisemitische Hetzbild werde für kurze Zeit verhüllt und dadurch sakralisiert. Kunstphilosoph Boris Groys hätte vielleicht von einer "Ikonisierung" gesprochen.

Beschwichtigungen

Tatsächlich sehen Kritiker, die bereits im Vorfeld der Documenta gewarnt hatten, ihre schlimmeren Befürchtungen erfüllt. Warnungen vor Antisemitismus, präsentiert im adretten Gewand von Aufrufen zum Israel-Boykott, seien in den Wind geschlagen worden. Man habe von verantwortlicher Seite "beschwichtigt, ignoriert, wegmoderiert". Und so wurde eher beiläufig ruchbar, dass auf der Documenta allerlei Propagandafilme gezeigt werden: renovierte 16-Millimeter-Filme. Sie belegen das Zusammenwirken internationaler Terroristen mit der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) in den 1970ern.

Heute erscheinen die Machwerke wie ungeprüft weitergereichte Propaganda im Namen von Hamas und Co. Sie ziehen unfreiwillig die Verbindungslinien nach, die von der RAF und anderen Linksradikalen zum Terror gegen Israel führen. Erinnert sei in diesem traurigen Zusammenhang an den Anschlag von Tel Aviv am 30. Mai 1972.

Zusammen ergeben die Fakten ein niederschmetterndes Bild. Die Documenta hat erheblichen Schaden davongetragen; Verteidigerinnen wie Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) wirken ehrlich betroffen.

Zynische Gratulation

Zuletzt blieb es dem emeritierten Ästhetik-Professor Bazon Brock (86) vorbehalten, den Machern des Kunstfestes zynisch zu gratulieren: "Das ist die beste, folgenreichste Documenta aller Zeiten! Sie stärkt die Front des Kulturalismus, die aus Leuten wie Putin, Erdoğan und Xi besteht. Jede Form der Autorität durch individuelle Autorschaft wird von ihren Machern liquidiert."

Brock weiter: "Hier wird, im Namen der Kunstfreiheit, das Ende der Kunst gefeiert! Übrig bleibt damit das Schafsstallgeblöke der Kulturalisten: derjenigen, die die Kunst abschaffen im Namen gleichgeschalteter Kollektive." (Ronald Pohl, 23.6.2022)