Zuerst stiegen die Immobilienpreise, dann die Baukosten, und bald steigen die Zinsen: Die Risiken bei der Vergabe von Immobilienkrediten sind zuletzt stark gewachsen. Neue Standards sollen sie begrenzen.

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Ab dem 1. August 2022 wird es für einige Familien schwieriger werden, einen Kredit für einen Hausbau oder einen Wohnungskauf zu erhalten. Dann tritt die neuerlassene Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-V) der Finanzmarktaufsicht (FMA) sowie die Änderung der Vermögens-, Erfolgs- und Risikoausweis-Verordnung in Kraft.

Die FMA folgt damit den Empfehlungen des Finanzmarktstabilitätsgremiums (FMSG) zur Reduzierung und Begrenzung der Risiken bei der Finanzierung von Wohnimmobilien. Wie berichtet, warnt die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) schon seit längerem aufgrund der steigenden Immobilienpreise sowie der Zinswende davor, dass immer mehr Kreditnehmer in Zahlungsschwierigkeiten geraten könnten, weil sie sich zu hoch verschuldet haben und das Einkommen für die zukünftige Zinsbelastung zu niedrig ist.

Als weiterer Risikofaktor gelten beim Bau von Einfamilienhäusern die steigenden Baukosten, welche die Finanzierungspläne obsolet machen können. Ziel der neuen Maßnahmen ist die adäquate Eindämmung von Ausfallsrisiken, eine Aufwertung des Risikomanagements in den Kreditinstituten sowie die Vermeidung von Interessenkonflikten.

Zumindest 20 Prozent Eigenmittel

Die neuen Mindestvergabestandards gelten für Privatpersonen, die ab dem 1. August 2022 eine Finanzierung für den Bau oder Erwerb von Immobilien für Wohnzwecke benötigen. Die maximale Kreditlaufzeit wird mit 35 Jahren begrenzt. Weiters dürfen die Kreditinstitute nur noch höchstens 90 Prozent des gesamten Finanzierungsvolumens durch die Eintragung im Grundbuch hypothekarisch besichern.

Die Eigenmittelquote des Kreditnehmers muss mindestens 20 Prozent betragen und setzt sich aus zehn Prozent des Kaufpreises zuzüglich der Kaufnebengebühren von bis zu zehn Prozent zusammen. Weiters darf der monatliche Gesamtbetrag an Kreditzahlungen nicht mehr als 40 Prozent des gesamten Haushaltseinkommens ausmachen.

Die neuen Standards gelten nur für neue Finanzierungen für natürliche Personen im Zusammenhang mit privaten Wohnimmobilien. Sowohl Kreditaufnahmen von juristischen Personen als auch Finanzierungen für Immobilien beziehungsweise Grundstücke, die nicht Wohnzwecken dienen, sind vom Geltungsbereich der KIM-V ausgenommen.

Einhaltung der Vorgaben

Auch alte, vor dem 1. August abgeschlossene Finanzierungsverträge fallen nicht darunter. Änderungen von bestehenden Verträgen sind nicht betroffen, wie etwa bezüglich des Finanzierungszwecks, des Zinssatzes, der Laufzeit oder des Tilgungsplans, der die Rückzahlung sicherstellen soll. Wird der Kreditbetrag nach dem 1. August erhöht, muss nur der das ursprüngliche Volumen übersteigende Betrag die neuen Mindestkriterien erfüllen.

Für die Einhaltung der neuen Vorgaben ist die Bankenaufsicht zuständig, die sich in die interne Kontrolle durch Geschäftsleitung und den Aufsichtsrat der jeweiligen Bank und in die externe Kontrolle durch Wirtschaftsprüfer sowie die Aufsichtsorgane wie FMA und OeNB gliedert.

Die interne Kontrolle folgt internen Richtlinien, die den Detaillierungsgrad der gesamten Prozessdokumentation festlegen und eine Überprüfung durch einen sachkundigen Dritten ermöglichen. Durch die Kategorisierung der Kunden wird die Überprüfung erleichtert. Vor Ausbezahlung eines Kreditbetrags hat das Kreditinstitut erneut eine Kontrolle durchzuführen, ob die internen formalen und materiellen Prüfschritte gesetzt und eingehalten wurden.

Vor allem durch die umfassenden Mitgestaltung und Mitentscheidungsmöglichkeit der FMA bei der internen und externen Prüfung wurden weitreichende Kontroll- und Sicherheitsvorkehrungen zum Gläubigerschutz verankert.

Verwaltungsstrafen bei Verstößen

Aber was geschieht, wenn eine Bank Kredite vergibt, die den neuen Mindeststandards nicht entsprechen? Im Einzelfall muss zunächst entschieden werden, ob es sich um einen Gesetzesverstoß handelt, der verschiedene Verwaltungsstrafen nach sich ziehen kann. Dazu zählen etwa Meldepflicht- und Anzeigepflichtverletzungen sowie Verstöße gegen die Vorschriften über Eigenmittel und Liquidität.

Bei weniger schwerwiegenden Verletzungen hat die Bankenaufsicht die Möglichkeit, von ihren Informationsrechten im Sinne von Auskunfts-, Einschau- und Vorlagerechten in alle Geschäftsangelegenheiten Gebrauch zu machen. Außerdem verfügt sie über Eingriffsrechte im Zusammenhang mit einer Verletzung der Aufsichtsgesetze oder der Konzessionsvoraussetzungen. Im Zuge dessen kann sie entweder die Bank auffordern, den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen, oder gravierendere Sanktionen anordnen, bis hin zum Entzug der Konzession im Extremfall.

Neue Obergrenzen

Durch die neuen Obergrenzen werden Banken auf gewisse Kreditgeschäfte verzichten müssen, und für manche Familien rückt der Traum des Eigenheims in weite Ferne. Allerdings gibt es Möglichkeiten, eine Wohnraumanschaffung zu realisieren, auch wenn nicht alle Kriterien erfüllt sind. Auf der einen Seite kann durch zusätzliche Einnahmen wie zum Beispiel Miete oder Pacht das Haushaltseinkommen gesteigert werden.

Zusätzlich könnte durch gestaffelte Kreditraten die anfängliche Tilgungsrate verringert werden, sodass etwaige zukünftige Gehaltsveränderungen aufgrund von Aus- und Weiterbildungen Berücksichtigung finden. Eine fehlende Eigenmittelquote könnte unter Umständen auch durch ein Pfandrecht im Grundbuch bei einer anderen Liegenschaft (hypothekarische Eigenmittelersatzleistung) ersetzt werden. (Philipp Kudweis, 23.6.2022)