Tragen Frauen einfach weniger zu wissenschaftlichen Erkenntnissen bei, oder werden ihre Beiträge weniger gewürdigt? Eine großangelegte Studie untermauert nun mit umfassenden Daten von US-Universitäten aus den Jahren 2013 bis 2016, dass Frauen häufig um die Anerkennung für ihre Leistungen gebracht werden.

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Jocelyn Bell Burnell arbeitete 1967 als Doktorandin an der Cambridge University, als sie bei Analysen von astronomischen Daten auf ein außergewöhnliches Signal stieß. Sie vermutete dahinter ein neuartiges astronomisches Objekt, ihr Betreuer Anthony Hewish war zunächst skeptisch. Da das Objekt regelmäßig blinkte, ging er eher von einem künstlich erzeugten Signal aus – und vermutete menschliche Technik als Quelle oder sogar eine außerirdische Intelligenz.

Trotz Entdeckung leer ausgegangen

Wie sich herausstellen sollte, hatte Bell Burnell tatsächlich eine herausragende Entdeckung gemacht: Sie war zwar nicht auf Aliens gestoßen, hatte aber erstmals einen Pulsar beobachtet. 1974 wurde für diese Entdeckung eines rotierenden Neutronensterns der Nobelpreis für Physik vergeben – an Anthony Hewish und den Astronomen Martin Ryle. Bell Burnell blieb unbedacht.

Die Geschichte von Jocelyn Bell Burnell ist nur eine von vielen, die nahelegen, dass Frauen trotz wesentlicher wissenschaftlicher Beiträge allzu oft um die gebührende Anerkennung in der Fachwelt gebracht werden. Und das ist nicht nur ein Problem vergangener Zeiten. Nichtberücksichtigung der Arbeit von Forscherinnen bei Preisen, Benachteiligungen bei Berufungen und fehlende Nennung bei wissenschaftlichen Publikationen und Patenten sind bis heute ein Thema: Eine umfangreiche Studie, die in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Nature" erschienen ist, untermauert die Ungleichbehandlung von Frauen im Wissenschaftsbetrieb einmal mehr mit Zahlen.

Fleiß oder Anerkennung?

Seit vielen Jahren ist gut dokumentiert, dass in wissenschaftlichen Publikationen Männer viel häufiger unter den Autoren vertreten sind als Frauen. Um diese Diskrepanz zu erklären, gibt es zwei Denkschulen, auf die sich das Team rund um Julia Lane von der New York University in seiner Analyse bezieht: Entweder sind Frauen einfach weniger produktiv, oder ihre Beiträge werden nicht in demselben Maß anerkannt.

Wie die aktuelle Studie anhand der Analyse eines großen Pools an Daten quer durch unterschiedliche Disziplinen unter mehr als 100.000 Wissenschafterinnen und Wissenschaftern in den USA zeigt, ist der Gender-Gap bei wissenschaftlichen Publikationen jedenfalls teilweise durch Zweiteres zu erklären: Die Beiträge von Frauen werden nicht in jenem Maße gewürdigt wie jene ihrer männlichen Kollegen.

Matilda-Effekt

Die systematische Verdrängung und Leugnung des Beitrags von Frauen in der Wissenschaft ist schon länger ein durchaus bekanntes Phänomen. In der Fachwelt wurde dafür der Begriff Matilda-Effekt geprägt – benannt nach der US-Frauenrechtlerin Matilda Joslyn Gage, die diesen im späten 19. Jahrhundert erstmals beschrieben hat. Der neue Beitrag der "Nature"-Studie besteht darin, den Matilda-Effekt mit einer großen Datenmenge statistisch zu untermauern.

Für die Untersuchung nutze das Forschungsteam einen großen Satz an Verwaltungsdaten von US-Universitäten, aus denen genau hervorgeht, wer im Zeitraum 2013 bis 2016 an verschiedenen Forschungsprojekten beteiligt war und dafür bezahlt wurde. Diese Daten wurden wiederum mit Informationen über die Urheberschaft von Patenten und den Namen der Autorinnen und Autoren von in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichten Artikeln verknüpft, um festzustellen, welche Personen, die an einzelnen Projekten gearbeitet hatten, in den Patenten und Zeitschriften vorkamen wurden und welche nicht.

Kluft zwischen Frauen und Männern

Dabei zeigte sich, dass Frauen, die an Forschungsprojekten beteiligt waren, 13 Prozent seltener als Autorinnen der zugehörigen Publikationen angeführt waren als ihre männlichen Kollegen. Bei der Anmeldung von Patenten ist die Kluft sogar noch größer: Wie die Daten zeigen, wurden Frauen um 59 Prozent seltener bei Patentanmeldungen genannt als Männer, die im selben Projekt mitgearbeitet haben.

"Es gibt eine deutliche Kluft zwischen der Häufigkeit, mit der Frauen und Männer als Co-Autoren bei Veröffentlichungen genannt werden", sagt Julia Lane. "Die Kluft ist groß, anhaltend und unabhängig vom Forschungsgebiet."

Nachteile auf jeder Stufe

Die mangelnde Anerkennung von Frauen zeigt sich auf jeder Stufe der akademischen Leiter. Besonders deutlich wurde die Diskrepanz allerdings beim wissenschaftlichen Nachwuchs: So wurden zum Beispiel nur 15 von 100 weiblichen Doktorandinnen als Autorinnen einer Arbeit genannt. Bei den männlichen Doktoranden waren es hingegen 21 von 100.

Die Ergebnisse der Studie zeigen auch, dass Frauen sogar noch seltener als Autorinnen in sogenannten High-Impact-Journalen genannt werden. Publikationen in diesen prestigereichen Fachzeitschriften sind besonders wichtig für Karriereverläufe und die Zuerkennung von Forschungsgeldern. (Tanja Traxler, 22.6.2022)