Das junge Publikum ab 14 bis 30 nutzt pro Tag Streaming schon merklich länger als TV.

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261 Minuten haben Sie gestern ferngesehen oder gestreamt, ebenso vorgestern, und morgen werden es wieder gut viereinhalb Stunden tun. Das sagt jedenfalls die Donnerstag veröffentlichte Bewegtbildstudie 2022 über die durchschnittlichen Video-Tagesdosis der Menschen in Österreich ab 14 Jahren von ORF bis Youtube, von Netflix bis Puls 4.

20 Minuten weniger als im Lockdown-Jahr 2021

Im Corona-Jahr 2021 verbrachte Österreich noch 20 Minuten mehr pro Tag vor bewegten Bildern, ein deutlicher Sprung auf 281 Minuten – von 248 Minuten anno 2020. Da wurde die Umfrage im Februar unmittelbar vor dem ersten Lockdown durchgeführt.

Eher überraschend stockte in diesem Jahr 2021 auch der davor Jahr für Jahr kontinuierliche Trend – etwas weniger Fernsehkonsum, etwas mehr Streamingnutzung. Die Verhältnisse im Bildschirmjahr 2021 blieben bei gut einer halben Stunde mehr vor dem Bildschirm völlig gleich.

TV sinkt wieder, Streaming-Marktanteile steigen

2022 kehren die Kurven von Streaming und TV-Konsum wieder zu ihren alten Gewohnheiten zurück: Über alle Altersgruppen ab 14 Jahren sank die TV-Nutzung – live in TV und Stream, zeitversetzt mit eigenen Aufnahmen oder Videotheken zusammengenommen – 2022 um 2,3 Prozentpunkte auf 77,4 Prozent des täglichen Bewegtbildkonsums. Lineares Live-TV allein kommt auf 65 Prozent der Nutzungszeit. Streaming legte um 2,3 Prozentpunkte auf 20,8 Prozent der täglichen Nutzungszeit zu.

49 Prozent Marktanteil für Streaming beim jungen Publikum

Beim jüngsten Publikum unter 30 hat Streaming TV längst überholt – 49 Prozent ihrer täglichen Bewegtbildnutzung streamen die Menschen von 14 bis 29. TV kommt – mit allen Nutzungsformen zusammen – auf 46,8 Prozent, linear allein noch auf 30,5 Prozent.

Bewegtbildstudie vs. Teletest

Für die jährliche Studie befragen die Marktforscher alle Jahre wieder im Februar 4000 Menschen über ihre Videonutzung – lineares Fernsehen und Mediatheken, Online-Video von Netflix bis zu sogenannten Erwachsenenseiten. Die Umfrage ist mit dem TV -Messinstrument Teletest nicht direkt vergleichbar – die Teletest-Daten basieren bisher auf den Eingaben der Menschen in 1.670 Testhaushalten. Der Teletest weist gemeinhin Daten über das Publikum ab zwölf Jahren aus, die Bewegtbildstudie für jenes ab 14.

Die TV-Nutzungszeit freilich ist in beiden Studien praktisch ident: 77 Prozent der 261 täglichen Bildschirmminuten entfallen laut Bewegtbildstudie auf Fernsehen – das sind 202 Minuten. Der Teletest beziffert den TV-Konsum zuletzt im Jahresschnitt 2021 mit 203 Minuten.

Den Teletest beauftragen die TV-Sender, die Bewegtbildstudie führen die TV-Sender gemeinsam mit der RTR durch, der Geschäftsstelle der Medienbehörde Komm Austria.

Der Teletest liefert – täglich – Daten über die Nutzung der einzelnen TV-Sender; die Bewegtbildstudie fragt keine TV-Sender ab. Sie gibt nur beim Streaming Auskunft über die Nutzung der Plattformen von Netflix und Youtube bis Amazon und Disney.

Netflix und Youtube gleichauf mit 4,6 Prozent Marktanteil

Je 4,6 Prozent der täglichen Bewegtbild-Zeit in Österreich entfallen 2022 auf Netflix und Youtube, dahinter folgt laut Bewegtbildstudie Amazon Prime mit 2,3 Prozent und deutlich dahinter Disney+ mit nur 0,7 Prozent. Davor liegt noch die Videonutzung auf Instagram mit einem Prozent der täglichen Nutzungszeit.

Beim Gesamtpublikum ab 14 gingen laut Bewegtbildstudie von 261 Minuten täglicher Videonutzung 170 Minuten ans lineare Fernsehen, 202 Minuten an TV in allen Nutzungsformen und 54 Minuten an Streaming.

Der Teletest liefert Marktanteile an der täglichen TV-Nutzungszeit (mit zeitversetzter Nutzung sieben Tage danach) – das sind die 202 täglichen Fernsehminuten laut Bewegtbildstudie und damit 77 Prozent der gesamten Videonutzung. Oder laut Teletest 203 Minuten.

Im Februar 2022, als gerade die Bewegtbildstudie im Feld war, hatte ORF 2 einen durchschnittlichen Tagesmarktanteil von 22,9 Prozent an der TV-Nutzungszeit beim Gesamtpublikum ab zwölf Jahren, ORF 1 13,1 Prozent. Servus TV kam im Februar auf 3,6 Prozent Tagesmarktanteil, Puls 4 auf 2,9 Prozent, ATV auf 2,5, ATV 2 auf ein Prozent und Oe24 auf 1,2.

Youtube hat 9,1 Prozent Marktanteil beim Publikum unter 50

Die Bewegtbildstudie weist nun auch Werte für die sogenannte Werbezielgruppe von 14 bis 49 Jahre aus. Hier ist die stärkste Streamingplattform im Februar 2022 Youtube mit 9,1 Prozent der täglich 226 Bewegtbildminuten vor Netflix mit 8,6 Prozent und Amazon Prime mit 3,4 Prozent. Streaming insgesamt füllt 38,1 Prozent des täglichen Bewegtbildkonsums, Fernsehen in allen Nutzungsformen 59,4 Prozent – 3,4 Prozentpunkte weniger als 2021.

Hier stehen laut Bewegtbildstudie 86 Minuten täglich im Stream 98 Minuten für lineares TV und 134 Minuten für TV insgesamt gegenüber.

Welche Marktanteile an der gesamten TV-Nutzungszeit wies der Teletest Österreichs Fernsehsendern im Februar 2022 beim Publikum von 14 bis 49 aus? ORF 2 hatte hier im Februar 13,2 Prozent der gesamten TV-Nutzungszeit, das jünger positionierte ORF 1 13,9 Prozent.

Puls 4 hielt beim Publikum unter 50 im Februar bei 5,1 Prozent der täglichen TV-Nutzungszeit, ATV bei 4,3 Prozent und Servus TV bei 2,8 Prozent. Oe24 wies der Teletest hier 1,4 Prozent Marktanteil aus.

Stimmt das Verhältnis von TV-Minuten zu gesamtem täglichem Videokonsum laut Bewegtbildstudie und könnte man die beiden unterschiedlichen Studien vergleichen, dann könnte man ableiten, dass die Menschen unter 50 mehr Zeit mit Youtube beziehungsweise Netflix verbringen als mit jedem einzelnen österreichischen TV-Sender, zeitversetzte Nutzung eingerechnet.

Aber der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Teletest, ATV-Chef Thomas Gruber, hat schon 2021 bei solchen STANDARD-Überlegungen erklärt, dass das unzulässige Schlüsse und ein Vergleich von "Äpfeln und Ananas" wären.

Die Reichweiten von TV und Streaming

Die Bewegtbildstudie weist auch Tagesreichweiten von TV-Nutzungswegen und Streaming aus. Zur Reichweite gestern zählt hier, wer zumindest eine Viertelstunde ferngesehen, gestreamt oder auch eine DVD geschaut hat. Das unterscheidet diese Studie deutlich vom Teletest, bei dem schon eine gesehene Sekunde (bei Sendungen bis zehn Minuten Gesamtdauer) und eine Minute (bei längeren Sendungen) zählt.

76 Prozent des Gesamtpublikums sahen gestern fern

67,7 Prozent des Gesamtpublikums ab 14 Jahren haben gestern – zumindest eine Viertelstunde – linear ferngesehen, 76,2 Prozent TV insgesamt inklusive Streaming- und TVthek-Nutzung. 2016, in der ersten Bewegtbildstudie, nutzten noch 84,9 Prozent TV über alle Wege und 81,2 Prozent linear. Damals hatten am Vortag noch 23,5 Prozent zumindest eine Viertelstunde Youtube, Netflix und Co gestreamt. Heute sind es 31,3.

Unter 50 schauten knapp 63 Prozent TV

50,5 Prozent des Publikums zwischen 14 und 49 schauten am Vortag linear TV – 2016 sagten das noch 73,6 Prozent. Die gesamte TV-Nutzung sank von damals 78,9 Prozent auf nun 62,7 in dieser Zielgruppe unter 50. Streaming legte von 33,2 auf 46 Prozent Tagesreichweite zu.

Unter 30 streamen 54 Prozent

39 Prozent der Menschen zwischen 14 und 29 Jahren geben an, sie haben am Vortag lineares TV geschaut – 2016 taten das 66,6 Prozent. TV gesamt ging beim jungen Publikum von 72,8 auf nun 52,2 Prozent zurück. Zumindest eine Viertelstunde gestreamt haben 2016 43 Prozent von ihnen, heute sind es 54 Prozent.

Reichweitenrückgang gegenüber 2021 für TV

Im Vergleich mit der ersten pandemiegeprägten Bewegtbildstudie 2021 gingen wie die Nutzungszeit auch die Tagesreichweiten 2022 zurück:

Beim Gesamtpublikum ab 14 Jahren verlor TV linear von 76,6 auf 67,6 Prozent Tagesreichweite, TV gesamt von 81,2 auf 76,2 Prozent. Streaming legte leicht von 30,7 auf 31,3 Prozent Tagesreichweite zu,

Beim jungen Publikum sanken auch Streamingreichweiten

Beim jungen Publikum unter 30 sanken die Tagesreichweiten von TV linear – von 46,9 auf 39 Prozent – sowie bei TV gesamt – von 60,3 auf 52,3 – recht dramatisch, aber auch bei Streaming merkbar von 57,9 auf 54 Prozent. (fid, 22.6.2022)