Unter den Ex-Ministerinnen Elisabeth Köstinger (Mitte links) und Margarete Schramböck (Mitte rechts) sollen merkwürdige Umfragen in Auftrag gegeben worden sein.

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Die Causa Beinschab hat im Herbst für das Ende der Ära Türkis gesorgt: Vom Finanzministerium bezahlte Umfragen, die vom Team Kurz für parteipolitische Arbeit verwendet worden sein sollen – das war den Grünen zu viel, um Sebastian Kurz weiter als Kanzler zu unterstützen. Die SPÖ will nun ein ähnliches Modell entdeckt haben, und zwar ebenfalls in türkis geführten Ministerien.

Konkret geht es um das Wirtschaftsministerium unter Margarete Schramböck und das Landwirtschaftsministerium unter Elisabeth Köstinger. Eigentlich wären beide Ex-Ministerinnen, die zeitgleich Anfang Mai zurückgetreten waren, diese Woche im U-Ausschuss geladen gewesen. Schramböck musste Corona-bedingt aber absagen. Die Befragung ihres früheren Generalsekretärs Michael Esterl gab jedoch tiefe Einblicke in die Recherchen der SPÖ. Fraktionsführer Kai Jan Krainer legte etwa eine Umfrage vor, in der das Thema Steuer- und Budgetpolitik abgetestet wurde. Auch um "soziale Themen" und "innere Sicherheit" sei es gegangen. Was Esterl dazu sage? "Der Wirtschaftsstandort ist sehr breit ausgelegt", antwortete der Generalsekretär im Wirtschaftsministerium.

"1.-Mai-Kampfrhetorik"

Aber das ist bei weitem nicht die einzige Umfrage, die den Unmut der SPÖ erregt. Abgefragt wurde für das Wirtschaftsministerium offenbar die Einstellung zum 1. Mai (Themenpunkt: "1.-Mai-Kampfrhetorik"). Außerdem wurde gefragt, welche einzelnen Politikerinnen und Politiker, darunter auch Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (ÖVP), mit welchen Corona-Hilfsmaßnahmen assoziiert wurden. Der Integrationsfonds beauftragte Demox mit einer Studie zu "Sozialen Brennpunkten im Kontext von Migration und Integration" – kurz vor der Wien-Wahl 2020.

Krainer vermutet, dass all diese Daten nicht beim jeweiligen Ministerium blieben, sondern zur ÖVP wanderten. Er verweist hier auf die Causa Beinschab, wo die Umfrageergebnisse über den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid an die Kurz-Berater Stefan Steiner und Gerald Fleischmann und an den Kanzlersprecher Johannes Frischmann gingen. Teils wurden auch Frageformulierungen hin- und hergeschickt.

Man duzt sich

War das hier ähnlich? Geschäftsführer von Demox ist Paul Unterhuber, der einst Direktor des Wiener Bauernbunds war. Politisch war er in Hietzing tätig, wo der jetzige Kanzler und einstige ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer die Bezirkspartei führte. Im Kuratorium von Demox saß bis vor kurzem der Meinungsforscher Franz Sommer, der etwa im Buch "Inside Türkis" von Autor Klaus Knittelfelder als Haus- und Hof-Demoskop der türkisen ÖVP beschrieben wird. Die WKStA schrieb: "Zusammenfassend ist nach derzeitigem Kenntnisstand Dr. Sommer parallel zum Beinschab-Österreich-Tool beauftragt worden und (er) dürfte der 'offizielle Umfragenlieferant' der ÖVP sein."

Die Demox Research gehört zu jeweils gleichen Teilen Unterhuber sowie einer Firma von Rainer Nick, der einst für mehrere schwarze Landeshauptleute tätig war, und einem Berater, der lokalpolitisch für die ÖVP aktiv ist.

Anhand von E-Mails will die SPÖ auch aufzeigen, dass Demox-Geschäftsführer Paul Unterhuber bestens mit Schramböcks Vize-Kabinettschef Paul Rockenbauer und mit Köstingers Kabinettschef und Generalsekretär Gernot Maier bekannt sein soll. Man duzt sich, teils werden Ergebnisse direkt kommentiert statt über die jeweiligen Abteilungen. "Fragebogen stimmen wir direkt mit dem Institut ab", hieß es vonseiten Köstingers Kabinettschef etwa an die zuständige Abteilung im Ressort.

Rockenbauer, Vize-Kabinettschef unter Schramböck, meinte dazu, dass man den Instituten "Inputs" gegeben habe, die Fragen aber von "Professionisten" erarbeitet würden. Ob Ressortfremde an Fragenkonzeptionen mitgearbeitet haben, konnte Rockenbauer nicht beantworten, da fehle ihm die Erinnerung.

Unterhuber war bis 2018 beim Institut GfK tätig gewesen, das sich dann umstrukturierte. Daraufhin wurde Demox gegründet. Eine Aufstellung der Aufträge zeigt, dass von türkis-blauen Ministerien 2017 rund 200.000 Euro und 2018 rund 106.460 Euro an GfK geflossen sind. 2020 und 2021 kam dann plötzlich Demox ins Spiel mit 230.000 respektive 75.000 Euro.

Unterhuber sagt auf Anfrage des STANDARD, er könne sich nicht im Detail zu Studien äußern, da er nicht wisse, welche Punkte im U-Ausschuss vorgebracht wurden. Allgemein ließe sich sagen, dass Demox in der "sehr turbulenten Zeit" zu Beginn der Pandemie "einige Projekte" für das Wirtschaftsministerium betreut habe. Im Detail äußern könne er sich nächste Woche, wenn er selbst im U-Ausschuss befragt werde. Vermerkt sei hier: Ermittelt wird in der Sache nicht, es handelt sich um politische Vorwürfe, die den betreffenden Ministerien im U-Ausschuss gemacht wurden.

Demox war bereits im Herbst 2021 in die Schlagzeilen geraten worden, weil in einer Studie für das Verteidigungsministerium gefragt wurde, ob man seine Stimme eher Sebastian Kurz oder Werner Kogler geben würde. Unterhuber erklärte das damit, dass eine "Mehrthemenbefragung" durchgeführt worden sei.

Teures Kaufhaus, teurer Pult

Großes Thema war am Mittwoch auch das "Kaufhaus Österreich", die gefloppte digitale Einkaufsplattform von Wirtschaftskammer und Ministerium. Dessen Generalsekretär Esterl erzählte, man habe damals "Tag und Nacht gearbeitet" und viele Betriebe hätten Angst vor den Folgen der Pandemie gehabt. Deshalb habe man überlegt, eine E-Commerce-Plattform einzurichten. Die Suchfunktion der Plattform, die 1,2 Millionen Euro gekostet haben soll, habe jedoch nicht funktioniert, da sei ein Fehler passiert, gestand Esterl ein. Trotzdem sei die ganze Rechnung bezahlt worden – dazu sagen kann Esterl nichts.

Die SPÖ präsentierte dann eine andere Rechnung: 1,8 Millionen Euro soll das "Kaufhaus Österreich" sogar gekostet haben. Wieder wollte Esterl dazu nichts sagen, er verwies auf die zuständige Digitalisierungssektion.

Für Ungläubigkeit bei den Abgeordneten sorgte wiederum eine Pressekonferenz, bei der die App "Digitales Österreich" präsentiert worden sei. Für die Vorstellung habe das Ministerium rund 21.000 an ein Unternehmen mit "ÖVP-nahen Eigentümern", so die Grüne Nina Tomaselli, bezahlt. Warum konnte das nicht die Presseabteilung organisieren? Es habe auch ein Raumkonzept gegeben, antwortete Esterl. Welches? Da verwies er auf einen Pult und einen anderen Hintergrund als sonst bei Pressekonferenzen. (Fabian Schmid, Renate Graber, 22.6.2022)