Visualisierung: Die Vision der Investoren sieht eine Überplattung des Handelskais vor. Doch daraus wird nichts.

Foto: Zoom Visual Project GmbH

Die Vision, die der Öffentlichkeit vor knapp zwei Wochen für das Grätzel um den neuen Fernbusterminal präsentiert wurde, klang vielversprechend. Die ausgearbeiteten Pläne und ansehnlichen Visualisierungen sahen eine begrünte Überplattung des Handelskais mit direktem Zugang zum Donauufer, eine Flaniermeile und Stadtstrände vor. Der Referenzrahmen: kein geringeres Projekt als die New Yorker Highline.

Doch aus dem Vorhaben wird nichts. Am vergangenen Mittwoch wurde die Flächenwidmung für das Areal um den Busbahnhof, der im zweiten Bezirk zwischen Engerthstraße und Handelskai entstehen soll, beschlossen – allerdings ohne die angepeilte Überplattung.

Die Idee für die großflächige Verbindung zwischen Terminal und rechtem Donauufer stammt von einem Investorenkonsortium, das die Stadt Wien im Zuge der Planungen für den Busbahnhof ausgewählt hat. Die Proponenten dahinter sind Ariel Muzicant, Immobilienentwickler sowie langjähriger Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, sowie Projektentwickler Markus Teufel.

Das Potenzial dieser Vision: Die seit Jahren bestehende Barriere zwischen dem bebauten Viertel südlich des Handelskais und der Donau hätte so überwunden und die beiden Bereiche zu einer Einheit verschmelzen können. Oder wie es Muzicant im Gespräch mit dem STANDARD formuliert: "Das hätte eine echte Reaktivierung des rechten Donauufers bedeutet."

Zwei Stege statt flächiger Verbindung

Vom Gemeinderat gewidmet wurde nun der zweigeschoßige Busterminal, der zwischen einem Büro- und Hotelhochhaus in der Engerthstraße und einem mehrstöckigen, langgezogenen Verwaltungsgebäude entlang des Handelskais eingebettet sein wird. 2027 soll der Terminal in Betrieb gehen. Daneben entsteht am Standort des abgerissenen Dusika-Stadions eine Sportarena für Trainings und Veranstaltungen. Über dem Handelskai erlaubt die Flächenwidmung – anstatt einer Überplattung – lediglich zwei Stege mit je zehn Metern Breite.

Zum Marina Tower bei der U2-Station Donaumarina gehört ein sogenanntes Deck über dem Handelskai.
Foto: BUWOG_MARINA TOWER_(c) isochrome

Anders agierte die Stadt zuletzt beim Marina Tower, der sich nur ein paar hundert Meter entfernt befindet. Bei dem bereits fertiggestellten Wohnturm, an dem Projektentwickler Teufl ebenfalls mitwirkt, durfte der Handelskai überplattet werden.

Stadt will keinen Tunnel

In der Planungsdirektion erklärt man die unterschiedliche Vorgehensweise mit einer Art Paradigmenwechsel: "Heute würden wir einer Überplattung beim Marina Tower nicht mehr so positiv gegenüberstehen", sagt Planungsdirektor Thomas Madreiter zum STANDARD. Der Nachteil einer solchen Konstruktion sei, dass dadurch – insbesondere bei großen Längen – eine Art abgeschlossener Tunnel entstehe, in dem für Fußgänger und Radfahrer kein adäquater Platz bleibe. "Wir würden Nichtautofahrer ausschließen", erklärt Madreiter.

Und er argumentiert damit, dass aufgrund der vorgeschriebenen erforderlichen Konstruktionshöhe zur Überquerung der Bahntrasse entlang des Handelskais viele Rampen nötig sein würden, um die Platte am begrünten Uferbereich barrierefrei anzuschließen. Der Wunsch nach einer besseren Verbindung sei berechtigt, sagt Madreiter. Aber das sei auch mit Stegen genügend zu erreichen.

Ungewöhnliche Allianz

Für Muzicant, der die Stadt weiterhin von der Überplattung überzeugen will, sind das vorgeschobene Argumente. "Man sucht krampfhaft nach Gründen, warum es nicht geht", kritisiert er. Für die Anrainerinnen und Anrainer hätte die Überplattung dringend nötigen Lärm- und Emissionsschutz gebracht, für die breite Öffentlichkeit ein "riesiges Freizeit- und Sportareal".

Unterstützung bekommt der SPÖ-nahe Muzicant von unerwarteter Seite: der ÖVP. Sie brachte am Mittwoch einen Abänderungsantrag zum Flächenwidmungsplan ein. Das Ziel: Eine Überplattung mit "Wasserbecken, Pflanzentrögen, Pergolen und dergleichen" solle möglich sein. "Die Stadt Wien verpasst die einmalige Chance, das Donauufer für die Menschen zugänglich zu machen", sagt die türkise Planungssprecherin Elisabeth Olischar.

Doch auch hier blieb es bei der Idee: Der Abänderungsantrag wurde zwar von den Grünen und der FPÖ unterstützt, die Regierungsfraktionen SPÖ und Neos stimmten aber dagegen. (Stefanie Rachbauer, 23.6.2022)