Wenn am Donnerstag die erste Konferenz der Verbotsvertragsstaaten in Wien zu Ende geht, werden die ganze großen Überraschungen erwartbarerweise ausgeblieben sein. Die Nuklearwaffenstaaten, die eigentlichen Adressaten des Atomwaffenverbotsvertrags (TPNW), blieben dem dreitägigen Treffen fern. Keiner der Nato-Staaten unter dem Nato-Nuklearschirm wird dem Vertrag in absehbarer Zeit beitreten – das machten sie mit ihren Statements klar. Ein kompletter Boykott beziehungsweise ein einfaches Ignorieren rund eines Drittels aller Staaten (66) der Welt, die Atomwaffen schon jetzt aktiv verbieten werden, spielt sich aber nicht mehr. Das ist die Botschaft, die die Abrüstungskampagne aus der selbstproklamierten "Nuclear Ban Week" mitnimmt.

Acht weitere Staaten wollen den Verbotsvertrag demnächst ratifizieren.

Die mit großer Spannung erwarteten Statements der als "Beobachter" teilnehmenden Staaten wie Norwegen, Deutschland oder Australien brachten ebenso Erwartbares: Der Krieg in der Ukraine sei zu verurteilen, ebenso die nuklearen Drohgebärden Wladimir Putins. Dennoch "werde die Nato so lange auch eine Nuklearallianz sein, solange Atomwaffen existieren", sagte etwa Botschafter Rüdiger Bohn aus Deutschland.

Er fügte jedoch an, dass Deutschland "vollinhaltlich das Ziel einer atomwaffenfreien Welt" akzeptiere, was einander tatsächlich nicht ausschließt. Nur ist man halt nach wie vor über die effektiven Mittel und Wege dahin unterschiedlicher Auffassung. Als Nato-Staat, der selbst US-Atomwaffen lagert, vertraut Deutschland etwa auf den Atomwaffensperrvertrag und den darin enthaltenen Aufruf zur "vollständigen Abrüstung". Dass dieser in der Praxis nicht funktioniert und die fünf offiziellen Atommächte (USA, Großbritannien, Russland, China und Frankreich) allesamt de facto vertragsbrüchig sind, stört vor allem die Nichtatomwaffenstaaten und ist sozusagen das Grundübel, das den Verbotsvertrag überhaupt erst ins Leben gerufen hat.

Ergänzung, keine Konkurrenz

Der Verbotsvertrag sieht sich jedoch als passende Ergänzung zum bestehenden Vertragswerk aus Sperrvertrag und Testverbotsvertrag, weniger als Alternative. Das wird im Draft des Abschlussdokuments sowie im Aktionsplan auch oft betont. Durch Offenheit und Transparenz hoffe man auch die skeptischen Staaten an den Gesprächstisch zu bekommen, was zumindest in Wien teils gelungen sei, zeigt sich etwa der Präsident der ersten Vertragsstaatenkonferenz, Alexander Kmentt zufrieden. Eine konstruktive Gesprächsbereitschaft war von den anwesenden Beobachtern durchaus zu erkennen. Und es gebe ein Gefühl der "Ernsthaftigkeit, Dringlichkeit und Verantwortung", etwas gegen Atomwaffen zu unternehmen, sagte Kmennt.

Auch der UN-Generalsekretär Antonio Guterres nutzte die Woche der Atomwaffengespräche zu mehrmaligen Aufrufen für ein Ende der Massenvernichtungswaffen.
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Seit mehreren Wochen wurde im Vorfeld an insgesamt neun "Working Papers" gearbeitet, um am Donnerstag neben einer politischen Deklaration auch eine Strategie bis zum nächsten Treffen in rund einem Jahr im Uno-Hauptquartier in New York zu entwickeln. Einer der Kernpunkte darin ist etwa das Ziel der Universalisierung – also möglichst viele und irgendwann alle Staaten dazu zu bringen, dem TPNW beizutreten.

Konkret soll aber etwa auch eine wissenschaftliche Beratergruppe geschaffen werden, die die Risiken von Atomwaffentests und deren Einsatz vor allem auch aus geografischer und sogar geschlechtsspezifischer Perspektive beobachtet – so gelten etwa Frauen durch die Verstrahlung bei Atomwaffentests als besonders gefährdet. Auch ist das koloniale Erbe noch immer insofern zu erkennen, als dass oftmals von Europäern dominierte Inselstaaten zu den am meisten betroffenen Opfern eines Atomwaffeneinsatzes gehören. Auch würde ein regionaler Einsatz von Atomwaffen Menschen in bestimmten Weltregionen besonders treffen, etwa durch das Ausbleiben von Nahrungsmitteln infolge einer Verdunkelung und abrupten Abkühlung der Erde. Der humanitäre Fokus des Verbotsvertrags soll also beibehalten werden.

NPT-Konferenz im August

Vor allem soll der TBNW bei der im August stattfindenden zehnten Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags (NPT) aber als Teil der Abrüstungsarchitektur verstanden werden. Das Treffen im Sommer steht ja bekanntlich unter einem äußerst schlechten Stern – getragen vom Ärger der Nichtatomwaffenstaaten und der drohenden weiteren Proliferation der Waffe.

Die Verbotsbefürworter werden jedenfalls versuchen, dem TPNW international so lange und oft eine große Bühne zu geben, bis er irgendwann zu Völkergewohnheitsrecht avanciert und endgültig nicht mehr komplett ignoriert werden kann. Nachdem mit Inkrafttreten des Verbotsvertrags vor eineinhalb Jahren ein erster entscheidender Schritt in Richtung Abschaffung von Atomwaffen gegangen wurde, wurden in Wien einige kleinere nächste Schritte auf einem noch sehr langen Weg gegangen. Ob dieser Weg irgendwann wirklich an sein Ziel führt, ist das eine. Für das Veranstalterland Österreich und andere zahlreiche engagierte Länder ist es aber eine Pflicht, es zumindest zu versuchen. (faso, 23.6.2022)