Hinteregger geht.

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Mit der Eintracht gewann er heuer die Europa League.

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Im Nachhinein ist man klüger. Am vergangenen Wochenende hatte Martin Hinteregger daheim in Sirnitz dem STANDARD ein ausführliches Interview gegeben. Anlass war der "Hinti-Cup". Der sorgte ja für Irritationen. Hintereggers ursprünglicher Geschäftspartner war Heinrich Sickl, ein FPÖ-Politiker mit engen Verbindungen zu den rechtsextremen Identitären. Der Profikicker stand im Regen und in der Kritik. Tenor: Man solle sich besser überlegen, mit wem man eng befreundet ist.

Es irritierte auch, dass er die ersten vier Länderspiele der Ära Ralf Rangnick völlig ignoriert hatte. Der Kärntner selbst war ja verhindert, aufgrund einer Oberschenkelverletzung konnte er keinen aktiven Fußball betreiben. "Ich habe kein Spiel gesehen. Ich weiß, wie viel sie gespielt haben, habe aber sonst nichts darüber gelesen." Und der 29-jährige Innenverteidiger erwähnte auch, dass er seine Karriere bei Eintracht Frankfurt beenden werde.

Dass dies schon am 23. Juni 2022 passierte, verblüffte dann doch. Der Verein teilte am frühen Donnerstagnachmittag in einer Aussendung mit, dass der bis Juni 2024 gültige Vertrag auf Wunsch des Spielers im Beisein seines Beraters Christian Sand aufgelöst wurde. Auch Trainer Oliver Glasner habe zugestimmt. Und man dankte für die großen Verdienste in den vergangenen dreieinhalb Jahren mit 138 Pflichtspielen, 14 Toren, sechs Vorlagen.

"Schwierige Phase"

Hinteregger selbst wurde auf der Vereinshomepage zitiert: "Ich hatte bereits im vergangenen Herbst erste Gedanken, nach der Saison aufzuhören. Ich habe mich sportlich in einer schwierigen Phase befunden. Meine Leistungen waren schwankend. Die Siege haben sich nicht mehr so gut angefühlt, dafür tat jede Niederlage doppelt so weh. Mein Leistungsschub im Frühjahr und unsere gemeinsamen Erfolge in der Europa League haben mich dann umso mehr motiviert, mich mit einem großen sportlichen Erfolg zu verabschieden. Den Sieg in der Europa League habe ich deswegen so ausgiebig genossen, weil ich wusste, dass es meine letzte große Siegesfeier mit den fantastischen Fans in dieser Stadt sein würde, die meine zweite Heimat geworden ist."

Und er nahm erneut Stellung zu den Turbulenzen um sein Turnier: "Rund um meinen 'Hinti-Cup', den ich mit Herzblut und besten Gewissens ausgetragen habe, haben sich einige Themen ergeben, deren Tragweite mir erst im Nachhinein klar geworden ist. Emotionale, vielleicht unbedachte Worte haben zu Irritationen geführt, und dafür möchte ich mich entschuldigen. Das bedauere ich sehr. Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Rechtes, intolerantes und menschenverachtendes Gedankengut verurteile ich aufs Schärfste. Wer mich kennt, weiß das." Jetzt gelte es, "etwas Abstand zu gewinnen und mein Leben neu auszurichten. Ich bin dankbar, dass mir die Eintracht die Möglichkeit gibt, diesen Schritt jetzt zu gehen."

Das Abschiedsinterview.
Eintracht Frankfurt

Kultfigur mit Teilerfolgen

Der Abschied vom Profibetrieb musste wohl sein, es gab durchaus Indizien. Hinteregger passte nicht in diese glamouröse, rücksichtslose, mitunter abgehobene (Schein-)Welt des Fußballs, in der es nahezu unmöglich ist, normal zu bleiben. Hinteregger versuchte es, er verbuchte durchaus Teilerfolge, deshalb wurde er zur Kultfigur. Er ignoriert die sozialen Medien, seine Bodenständigkeit war nicht aufgesetzt. Es gehört ein gewisser Mut dazu, zu sagen, dass "meine Lieblingssendung der 'Bergdoktor'" ist. Andererseits: warum nicht? Dass er hin und wieder einen über den Durst trank, wurde ihm meist verziehen. In seiner Biografie ("Innensicht") schrieb er über "depressive Phasen".

Seine Welt war (ist) Sirnitz mit 277 Einwohnern und Haberern aus der Schulzeit. Entspannt hat er beim Jagen und beim Wirt, nicht mit dem Smartphone. Sein Pech oder Glück war, dass er ein verdammt guter Fußballer wurde. Diese Leidenschaft konnte Sirnitz nicht befriedigen. Immerhin hat er gut verdient. Was von Hinteregger im Fußball bleibt? 67 Länderspiele (vier Tore), zwei EM-Teilnahmen, Europa-League-Sieg mit Frankfurt, fünf Meistertitel und vier Cupsiege mit Salzburg. Und, vielleicht wesentlicher als Pokale: Er war ein Unikat. (Christian Hackl, 23.6.2022)