Das ÖFB-Team wird verabschiedet, Manuela Zinsberger macht ein Foto. Sie wird mit Sicherheit dem EM-Kader angehören.

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Man kann sprichwörtlich, also bekanntlich nicht in Menschen hineinschauen. Und das ist auch gut so. Auch in ÖFB-Teamchefin Irene Fuhrmann nicht. Und auch das ist gut so. Man konnte sich aber das Testspiel des Frauennationalteams am Mittwoch in der Südstadt anschauen. Da quasi alles im Leben einen Sinn hat, außer vielleicht, sich eine Kiwi auf den Kopf zu legen oder Majoran zu rauchen, ist die Frage nach ebendiesem zumeist einfach beantwortet.

Das Match der ÖFB-Frauen gegen Montenegro ist da schon ein schwierigerer Fall. Zu den Fakten: In nicht einmal zwei Wochen trifft Österreich bei der Europameisterschaft im Auftaktspiel auf England. Der Test gegen Montenegro wurde 4:0 gewonnen. Fuhrmann setzte in den 90 Minuten 22 Spielerinnen ein. Montenegro ist 87. der Weltrangliste, also kein kompletter Jausengegner, aber ein leichtes, bekömmliches Frühstück. Montenegro sprang als Gegner für Schottland ein.

Sichtungstest

Am Sonntag steht ein letztes Testspiel in Lier gegen Belgien auf dem Programm. Am Montag will Fuhrmann den endgültigen Euro-Kader bekanntgeben. Das ist recht spät. Die Gruppengegner England und Norwegen haben ihre jeweils 23 Spielerinnen bereits nominiert, Nordirland lässt sich so wie Österreich noch Zeit. Aber weil man in die Teamchefin nicht hineinschauen kann, wäre es unzulässig, ihr Unschlüssigkeit zu unterstellen.

Vor dem Spiel gegen Montenegro forderte Fuhrmann, dass man "den Gegner in jeder Phase des Spiels dominiert". Gesagt, getan: Keeperin Manuela Zinsberger hatte in Halbzeit eins den Ball ein Mal in der Hand, Ersatztorfrau Isabella Kresche im zweiten Durchgang gefühlt gar nie – die Montenegrinerinnen kannten die Mittellinie nur von den Anstößen nach Gegentoren. Taktische Adaptionen waren nicht vonnöten, offensichtlich war nur, dass man sich in Halbzeit zwei besonders schwer tat, spielerische Lösungen zu finden.

Das klingt mit einem Blick aufs Resultat grundsätzlich nach einem gelungenen Test. Die Eindimensionalität der 90 Minuten bringt aber Zweifel auf. Die Reaktionen nach dem Spiel strotzten auch nicht unbedingt vor Aussagekraft. Fuhrmann: "Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass wir physisch noch mehr gefordert werden. Ich denke, wir haben den Test nützen können, vielen Spielerinnen Spielminuten zu geben." Es erinnerte zeitweise mehr an ein Sichtungstraining als an den vorletzten Gradmesser vor der Euro. Spielfluss war nur selten vorhanden.

Ticktack

Die zu erwartende Stammformation wurde zweigeteilt und in den Halbzeiten mit Euro-Kandidatinnen, also quasi Sichtungsspielerinnen aufgefüllt. In Halbzeit eins zeigte vor allem Julia Hickelsberger-Füller eine starke Leistung. Die zukünftige Hoffenheim-Legionärin setzte sich immer wieder mit Dribblings, Tempo und gelungenen Aktionen in Szene. Hervorzuheben war auch Torschützin Maria Plattner, die in ihren 72 Einsatzminuten immer wieder ihr Können unter Beweis stellen konnte. Nach dem Spiel sagte sie: "Ich denke, wir haben den Gegner über 90 Minuten dominiert." Der Auftrag wurde also erfüllt. Nicht weniger, aber auch wirklich nicht mehr.

Mit der Wahl hat man sprichwörtlich, also bekanntlich auch eine Qual. Es spricht für die Entwicklung und die Qualität des österreichischen Frauenfußballs, dass es für Fuhrmann nach eigenen Aussagen ("Leichter haben sie es uns nicht gemacht. Ich möchte mir das bis zum Ende offenhalten") eine Aufgabe ist, das Team für die Euro zu besetzen und auf Schiene zu bekommen. Doch die Zeit drängt: Am Donnerstag wurde das Team offiziell von Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen verabschiedet. Dabei erinnerte er sich in der Hofburg fünf Jahre zurück. Damals brachen die Fußballerinnen zum Kontinentalturnier in den Niederlanden auf – und kehrten als Halbfinalistinnen zurück. "Wir drücken alle die Daumen, dass Sie weit kommen. Alles ist möglich, aber Sport ist Sport", sagte Van der Bellen. (Andreas Hagenauer, 23.6.2022)