Deutschland ruft die Alarmstufe des Gas-Notfallplans aus, Österreich stellt die Reaktivierung von höchst klimaschädlicher Kohlekraft in Aussicht. Beide Länder suchen dringend nach Wegen aus der Energiekrise. Zwei Vorschläge gelten als vielversprechend: der Energiesparbonus und die Gas-Auktions-Plattform. Taugen sie etwas?

1. Der Energiesparbonus

Foto: APA/AFP/INA FASSBENDER

Es war bisher lediglich ein Vorschlag aus der Wissenschaft: der Energiesparbonus. Nun kündigt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler im STANDARD-Gespräch erstmals an, dass die Idee politisch geprüft werde. "Das haben wir im Haus schon in Auftrag gegeben." Worum geht’s? Vor einigen Wochen hat das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) in Wien ein Bonuskonzept für das Energiesparen vorgeschlagen. Funktionsweise: Ein Konsument erklärt sich gegenüber seinem Strom- und Gasversorger bereit, seinen Energieverbrauch zu reduzieren. Es können etwa zehn Prozent im Vergleich zur durchschnittlichen Verbrauchsmenge der letzten drei Jahre sein.

Wie der Konsument dann spart, obliegt ihm selbst. Gelingt das Vorhaben, kassiert der den Bonus. Falls nicht, winkt keine Strafe, aber auch kein Extrageld. Ausbezahlt werden könnte der Bonus vom Energieversorger oder vom Staat.

"Der Energiebonus würde Anreize dafür bieten, mit dem Energieverbrauch runterzugehen", sagt Angela Köppl, Wifo-Ökonomin mit Schwerpunkt Energie und Klimaschutz. Und die Potenziale an Energieeinsparungen sind durchaus groß: Laut Franz Angerer, dem Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur, wären "zehn Prozent Einsparung über alle Sektoren hinweg ohne zusätzliche Investitionen relativ leicht möglich".

Werden Verschwender belohnt?

Denkbar sei aber, den Bonus oder eine ähnliche Initiative nicht nur für Private zur Verfügung zu stellen, sondern auch für Klein- und Mittelbetriebe, so Köppl. Denn weil Energie bis vor einigen Monaten billig war, spielte sie in vielen Fällen in deren Kostenrechnungen eine geringe Rolle im Vergleich zu jetzt. Die Folge: "Nicht nur bei Privatpersonen, auch beispielsweise in überhitzten Einkaufszentren und Fertigungshallen ließe sich einsparen, wenn man die Temperatur etwas zurückdreht", so Köppl. Auch für Kühlenergie könne das eine Rolle spielen.

Es gibt jedoch ein Problem am Konzept: Es profitieren eher jene, die bisher wenig sparsam waren. Sie tun sich nun leichter, den Energieverbrauch zu drosseln, als jene, die auch ohne Bonus schon sparsam unterwegs waren.

Das Manko am Energiesparbonus sei nicht zu verleugnen, sagt Köppl. Aber: "Wir befinden uns in einer angespannten Situation, in der wir schlicht alle Potenziale erschließen müssen, die vorhanden sind." Immerhin: Die Regierung stellt gerade die Reaktivierung der – höchst klimaschädlichen – Kohlekraft in Aussicht. Da ist der Bonus wohl noch immer das kleinere Übel.

2. Die Gas-Auktions-Plattform

Foto: imago/Jochen Tack

Die aktuelle Bürde seines Amtes war dem deutschen Minister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck (Grüne) anzumerken, als er am Donnerstag die Öffentlichkeit informierte. "Die Lage ist ernst, die Drosselung der Gaslieferungen ist ein ökonomischer Angriff auf uns", sagte er. Zwar ist die Gasversorgung in Deutschland derzeit noch gesichert. Dennoch sah sich Habeck gezwungen, die zweite von drei Eskalationsstufen des "Notfallplans Gas" auszurufen. Eine solche liegt vor, wenn eine Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage zu verzeichnen ist, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt. Der Markt ist aber noch in der Lage, diese Störung oder Nachfrage zu bewältigen.

Habeck begründete den Schritt mit der Verringerung der Gaslieferungen aus Russland durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1. Zudem ist im Juli eine Wartung geplant, zehn Tage lang wird gar kein Gas kommen. Normalerweise greift Deutschland in dieser Zeit auf Gasspeicher zurück. Aber im Moment will sich niemand darauf verlassen, dass die Versorgung via Pipeline nach der Wartung weitergeht. Und die Speicher sollen sich für den Winter füllen. Derzeit sind sie zu 57 Prozent gefüllt, das entspricht ungefähr einem Viertel des jährlichen Gasverbrauchs in Deutschland.

Anreize für die deutsche Industrie

Der Minister ahnt, dass für viele Bürgerinnen und Bürger in Deutschland Energiesparen derzeit noch kein Thema ist. Erstens herrschen sommerliche Temperaturen, der Gedanke an Frieren ist für viele weit weg – erst recht nach dem harten Pandemie-Winter. "Man will ohne politischen Trübsal den Sommer genießen", sagt Habeck. Aber: "Wir sind in einer Gaskrise. Gas ist von nun an ein knappes Gut. Die Preise sind jetzt schon hoch, und wir müssen uns auf weitere Anstiege gefasst machen."

Deshalb will Habeck mit einem Gas-Auktions-Modell für die Industrie gegensteuern. Dabei bekommen die Unternehmen in Deutschland finanzielle Anreize, um Gas einzusparen. Die Idee hat die Bundesnetzagentur schon vor einigen Wochen gehabt, analog zu vergleichbaren Modellen am Kohle- und Strommarkt.

"Ziel ist es, dass industrielle Verbraucher anders als bisher ihre Abschaltpotentiale dem Regelenergiemarkt zur Verfügung stellen und so möglichst viele Mengen für etwaige Engpasssituationen im kommenden Winter bereitzustellen", heißt es bei der Bundesnetzagentur.

Diese kann Gasmengen, die eingespart werden sollen, ausschreiben. Unternehmen sind dann aufgerufen, ihre Gebote abzugeben. Man erklärt, worauf man verzichten kann, der Preis wird über die Auktion geregelt. Der Staat würde den Interessenten aus Industrie und Wirtschaft sozusagen das Gas abkaufen und in die Speicher strömen lassen.

Marktwirtschaftlicher Effekt

Der Zuschlag soll an das niedrigste Gebot gehen. Die Idee der Bundesnetzagentur und von Minister Habeck dahinter: Wer keine hohen Gebote abgibt, kann offensichtlich auf Gas verzichten – und bekommt dennoch Geld vom Staat dafür.

Unterstützung kommt von der Industrie. Siegfried Russwurm, der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) nennt das Vorhaben einen "gescheiten Mechanismus". In der Industrie gebe es Einsparpotenziale, die bislang aus Kostengründen nicht genutzt würden. Durch die Auktion aber lasse sich dieses Problem mit einem marktwirtschaftlichen Hebel angehen.

Allerdings hat der deutsche Mittelstand Bedenken. "Die kleinen und mittleren Unternehmen werden beim Bieten mit der Großindustrie nicht mithalten können", befürchtet Markus Jerger, Geschäftsführer des Bundesverbands der Mittelständischen Wirtschaft. Er sorgt sich, dass der Mittelstand zwischen dem Energiebedarf der Privaten und der Großindustrie den Kürzeren zieht. (Birgit Baumann, Joseph Gepp, 24.6.2022)