Die Antwort auf die Frage, wann die vierte Impfung für einen selbst am sinnvollsten ist, ist von mehreren Faktoren abhängig.

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Es ist kompliziert. Zwar gibt es Empfehlungen, für wen der vierte Stich schon jetzt Sinn macht. Bei allen anderen tun sich Fachleute mit allgemeingültigen Empfehlungen aber schwer. Zu individuell ist nach über zwei Jahren Pandemie der Schutzstatus, die Gesellschaft lässt sich kaum noch in homogene Gruppen teilen: So ist etwa der Immunstatus von zuerst Infizierten und dann Geimpften ein anderer als bei Viruskontakt in umgekehrter Reihenfolge. Damit wird die vierte Impfung zur persönlichen Abwägungssache. Eine Entscheidungshilfe.

Im Kern geht es um den Schutzstatus. Wie gut man aktuell vor Infektion und schweren Verläufen geschützt ist, ist für die meisten das wichtigste Argument bei der Entscheidung bezüglich des vierten Stichs. Dabei gilt: Jene mit vier Viruskontakten müssen sich noch keine Gedanken machen, findet Dorothee von Laer, Virologin von der Med-Uni Innsbruck: "Jene, die dreimal geimpft und genesen sind, können zuwarten, sofern das letzte Ereignis, sei es Impfung oder Infektion, weniger als sechs Monate zurückliegt."

Risikofaktoren nicht unterschätzen

Dazu kommt das Berücksichtigen von Risikofaktoren. Menschen mit Vorerkrankungen profitieren von der vierten Impfung am meisten – deshalb gilt für sie auch die Empfehlung. In der persönlichen Entscheidungsfindung warnt von Laer davor, manche Risikofaktoren auf die leichte Schulter zu nehmen: "Auch Übergewicht, Diabetes, Asthma oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind ein massives Risiko. Das wird oft vergessen."

Zudem spielt auch die persönliche Exponierung eine zentrale Rolle: Welche Art von Urlaub ist geplant? Wie viel hat man – privat und beruflich – mit Menschen zu tun? "Wenn man sich aus Ansammlungen gut heraushalten oder Maske tragen kann, kann man noch etwas zuwarten", sagt die Virologin.

"Im Zweifelsfall impfen"

Nicht zuletzt überlegen manche, mit dem Viertstich auf den angepassten Impfstoff zu warten. Die von Moderna veröffentlichten Daten wurden lange als vielversprechend gehandelt, aber man müsse diese "vorsichtig interpretieren", findet Markus Zeitlinger, Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der Med-Uni / AKH Wien. Der Vorteil sei marginal: "Der neue Impfstoff ist besser, wenn es darum geht, Omikron zu neutralisieren. Aber der Unterschied ist relativ gering." Deshalb ist das Argument, mit dem vierten Stich auf den angepassten Impfstoff zu warten, für Zeitlinger nicht mehr so relevant – zumindest was Moderna betrifft. Auch Pfizer hat ein angepasstes Vakzin zur Zulassung eingereicht, bisher aber noch keine Daten veröffentlicht.

Auch für die Virologin von Laer ist das Warten auf den angepassten Impfstoff nur für wenige eine Option: "Die Zahlen steigen so stark, dass sich alle anderen im Zweifelsfall schon jetzt für den vierten Stich entscheiden sollten."

Antikörpertest als Orientierungshilfe

Wer dennoch unsicher ist, kann laut von Laer die Antikörper bestimmen lassen, obwohl in Fachkreisen die Bedeutsamkeit von Antikörpertestungen differenziert gesehen wird. Das liegt daran, dass die Antikörper im Blut gemessen werden, das Virus aber über die Schleimhäute in den Körper eindringt und man hier die Antikörper-Barriere bräuchte. Es dürfte allerdings eine Korrelation geben, das heißt: Sind die Antikörper im Blut hoch, sind sie das wohl eher auch auf den Schleimhäuten: "Ist der Wert unter 1.000, sollte man sich den vierten Stich holen", sagt die Virologin.

Aber auch die vierte Impfung werde nur kurzfristig vor Ansteckung schützen, warnt von Laer: "Die Impfung schützt nicht sehr gut vor Infektion, das heißt: Man hat selbst eher einen leichten Verlauf, kann aber andere anstecken." Im Umgang mit älteren und vulnerablen Menschen mit Risikofaktoren sei deshalb weiterhin besondere Vorsicht geboten: "Ganz egal, welchen Impfstatus man hat: Wenn man mit vulnerablen Menschen zu tun hat, sollte man sich regelmäßig testen und beim Treffen Maske tragen." (Magdalena Pötsch, 24.6.2022)