Katharina Müller und Martin Melzer, beide Rechtsanwälte mit Schwerpunkt Erbrecht und Vermögensweitergabe, erklären im Gastblog, was Sie im Erbrecht wissen sollten, um Konflikte zu vermeiden.

Angenommen sei folgender Fall: Eine junge Mutter stirbt und hinterlässt einen Ehemann und zwei Kleinkinder. Ein Testament ist nicht vorhanden. Einziges Vermögen von Wert ist ein Einfamilienhaus, das im gemeinsamen Eigentum beider Eheleute steht. Der Wert des Hälfteanteils der Verstorbenen beträgt 210.000 Euro. Gesetzliche Erben sind der Witwer zu einem Drittel, die Kinder zu zwei Dritteln. Die Kinder haben damit einen Anspruch auf Abgeltung ihres Erbteils oder zwei Drittel des Hälfteanteils des Hauses.

Das Ableben eines Elternteils kann zu Situationen führen, in denen neben dem verbliebenen Elternteil auch die minderjährigen Kinder Anspruch auf das Vermögen der verstorbenen Person haben.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Der Witwer hat zwei Möglichkeiten: Er kann den Betrag von 140.000 Euro in bar an die Kinder zahlen; dieses Geld wird dann unter Aufsicht des Pflegschaftsgerichts verwaltet. Oder er teilt das Eigentum mit den minderjährigen Kindern; auch dann hat das Pflegschaftsgericht bei der Verwaltung der Liegenschaft mitzureden. Zu dieser schwierigen Konstellation kommt es, weil für den Todesfall nicht testamentarisch vorgesorgt wurde. Dies sollte daher aus mehreren Gründen getan werden.

Verwaltung einer Liegenschaft mit minderjährigen Miteigentümern

Ganz allgemein steht die Vermögensverwaltung von Minderjährigen unter gerichtlicher Aufsicht. Wichtige Verfügungen können nur mit Genehmigung des Gerichts erfolgen und müssen im ausschließlichen Interesse der Minderjährigen liegen. Über die Vermögenswerte kann nur mit Zustimmung des Pflegschaftsgerichts verfügt werden. Ohne Genehmigung getroffene Maßnahmen oder Vertretungshandlungen sind unzulässig und unwirksam.

Diese Anordnung kann so weit gehen, dass etwa auch schon gröbere Renovierungsarbeiten erfasst sind und dem Gericht zur Genehmigung vorgelegt werden müssen. Möchte der Witwer gar den Wohnsitz ändern und dazu das Haus verkaufen, ist auch dies ohne gerichtliche Genehmigung nicht möglich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Liegenschaft nur im Notfall oder zum offenbaren Vorteil der Kinder veräußert werden darf. Davon ist etwa auszugehen, wenn die Veräußerung mit Gewinn erfolgt.

Zahlt der Ehemann die Kinder aus, um Alleineigentümer der Liegenschaft zu sein, besteht die Pflicht, Bargeld auf Zahlungskonten der Kinder möglichst fruchtbringend anzulegen. Die Geldanlage für Minderjährige unterliegt strengen gesetzlichen Bestimmungen. Sie ist mündelsicher auszugestalten. In Zeiten von Niedrigzinsen und hoher Inflation ist ein Vermögensverlust damit kaum vermeidbar.

Alternative Gestaltungsvarianten

Zurück zum Ausgangsfall: Es empfiehlt sich in der angeführten Konstellation, die Kinder auf den Pflichtteil zu setzen und den Ehemann zum testamentarischen Erben zu bestimmen. Der Pflichtteil beträgt allerdings immer noch die Hälfte des gesetzlichen Erbrechts. In unserem Ausgangsbeispiel beträgt der Pflichtteilsanspruch der Kinder 70.000 Euro.

Die Pflichtteilsforderung ist als Geldforderung prinzipiell sofort zu erfüllen. Dies kann zu erheblichen Liquiditätsproblemen führen. Eine Möglichkeit, dies abzuschwächen, liegt in der Stundung des Pflichtteils, die testamentarisch angeordnet werden kann.

Um Komplikationen präventiv zu vermeiden, kann es ratsam sein, im Testament gewisse Modalitäten für das Erbe der Kinder festzulegen.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Mit der Stundung kann die Erfüllung des Pflichtteils auf bis zu zehn Jahre hinausgeschoben werden. Im Testament kann die Mutter zunächst eine Stundung bis zu fünf Jahren anordnen. Um die zehn Jahre zu erreichen, ist unter Umständen die Verlängerung durch das Gericht möglich. Der Pflichtteilsberechtigte kann seinen Pflichtteil dann erst am Ende des angeordneten Zeitraums (allerdings mit vier Prozent Zinsen pro Jahr) fordern. Darüber hinaus kann im Testament eine Ratenzahlung angeordnet werden. Mit dieser Lösung kann im konkreten Fall Flexibilität für den Vater geschaffen und gleichzeitig der Pflichtteil der Kinder abgesichert werden. Die Einflussnahme des Gerichts ist dann auf das absolut Notwendige beschränkt.

Minderjährige Gesellschafter

Ist schon die Verwaltung einer Liegenschaft mit minderjährigen Eigentümern umständlich, ist es nachvollziehbar, dass der Eintritt eines minderjährigen Kindes in die Gesellschafter-Stellung eines Elternteils unbedingt zu vermeiden ist. Da gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in aller Regel nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören (zum Beispiel Gewinnausschüttung oder -thesaurierung), ist dafür in der Regel die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich.

Fazit und Empfehlung

Generell sollten größere Erbschaften an minderjährige Kinder vermieden werden. Es empfiehlt sich daher, diese zunächst auf den Pflichtteil zu beschränken und allenfalls eine Stundung anzuordnen.

In der Praxis besteht oft der Wunsch von Eltern oder auch Großeltern, den Kindern langfristig doch bestimmte Vermögenswerte zukommen zu lassen. Um die oben dargestellten Probleme zu vermeiden, kann man die Anordnung einer Nacherbschaft in Betracht ziehen. In diesem Fall wird etwa der Ehegatte zum Vorerben eingesetzt und die Kinder zu Nacherben, sodass sie das zugedachte Vermögen zu einem späteren Zeitpunkt, etwa mit Volljährigkeit, erlangen. Der Vorerbe hat dann das Vermögen bis zur Volljährigkeit zu verwalten und darf auch die Erträge daraus behalten. Er darf die Sache aber nicht veräußern oder weitergeben. Damit kann sichergestellt werden, dass Vermögen langfristig in der Familie bleibt. Auch in diesem Fall sind aber die Pflichtteilsansprüche zu bedenken, wobei dann diffizile Bewertungsfragen rund um den Wert einer Nacherbschaft zu berücksichtigen sind. (Katharina Müller, Martin Melzer, 28.6.2022)