Kein moderner Fleischfresser, sei es zu Land oder zu Wasser, kann sich auch nur annähernd mit ihm messen: Otodus megalodon – oder meist nur kurz Megalodon – war mehrere Millionen Jahre lang der ultimative Räuber der Ozeane. Der riesige Hai hatte, noch bevor er auf die Welt kam, nichts als Fressen im Sinn. Schon im Mutterleib verschlang er bisweilen seine Geschwister, wie aus einer Studie im vergangenen Jahr hervorging.

Wie außergewöhnlich seine Position in der Nahrungskette jedoch war, untermauert eine neue Arbeit: Die mächtigsten Megalodons ihrer Zeit rangierten nicht nur höher als jeder andere damalige Räuber, sie dürften im Meer auch eine Position innegehabt haben haben, wie sie seitdem kein anderer Meeresräuber mehr erreicht hat.

Wie ein Team um Emma Kast von der Princeton University berichtet, standen auf dem Speisezettel von Megalodon und seinen unmittelbaren Verwandten ausschließlich andere Spitzenprädatoren, die wiederum selbst hauptsächlich weiteren großen Räubern nachgestellt haben. Wahrscheinlich fraßen Megalodons demnach auch ihresgleichen.

Lebensgroßes Modell eines Megalodonkopfes. In seiner Zeit gab es nichts, das der Riesenhai nicht fressen konnte – einschließlich seiner eigenen Spezies.
Foto: AP/Richard Drew

Komplexe ozeanische Nahrungsketten

"Ozeanische Nahrungsketten sind in der Regel komplexer als die Gras-Hirsch-Wolf-Nahrungskette von Landtieren, weil sie bei sehr kleinen Organismen beginnt", meint Kast. "Um jene sogenannte trophischen Ebene der Nahrungskette zu erreichen, die wir bei den damaligen Megazahnhaien sehen, müssten wir bei den heutigen Nahrungsnetzen oben noch ein paar Ebenen hinzufügen."

Obwohl Megalodon zweifellos zu den urzeitlichen Superstars zählt, sind noch viele Fragen offen, was Lebensweise und Aussehen betrifft. Wegen ihres Knorpelskeletts erhalten sich Haifossilien schlecht – bis auf die Zähne, die beim Megalodon bis zu 16 Zentimeter groß waren. Auf dieser Grundlage und der einiger weniger anderer Funde gehen Forschende davon aus, dass der Meeresriese eine Länge von über 18 Metern erreicht hat und mit einer Kraft zubiss, die 10,8 bis 18,2 Tonnen entspricht.

Zahn eines Megalodon (links) im Vergleich zu jenem eines Weißen Hais.
Foto: Reuters/MAX PLANCK INSTITUTE

Trotzdem kein Erfolgsrezept

Obwohl er ein so martialischer Räuber war, dürfte es sich bei ihm um kein evolutionäres Erfolgsrezept handeln: Im Vergleich zu vielen anderen Haiarten, die sich teilweise über 50 Millionen Jahre hinweg kaum verändert haben, existierte Megalodon "nur" vom Mittleren Miozän bis zum beginnenden Pliozän, also höchstens 14 Millionen Jahre.

Während seiner Hochblüte freilich war Megalodon unangefochten, wie die Gruppe um Emma Kast und Danny Sigman im Fachjournal "Science Advances" berichtet. Dass der Riesenhai hauptsächlich andere Spitzenprädatoren im Visier hatte, erkannten die Forschenden anhand einer Technik, mit der die Verhältnisse von Stickstoffisotopen im Zahnschmelz bestimmt werden.

Es ist schon seit längerem bekannt, dass man aus der Menge von Stickstoff-15 in einem Organismus auf die Position in der Nahrungskette schließen kann. Entsprechende Analysen bei Haizähnen aus verschiedenen Zeiträumen halfen dem Team nun, Megalodons Rolle im marinen Nahrungsnetz genauer zu bestimmen.

Video: Warum Megalodon ausstarb.
PBS Eons

Kleinere Konkurrenz

Demnach waren die Stickstoff-15-Gehalte bei den untersuchten Megalodonzähnen deutlich höher als bei modernen Weißen Haien, Eisbären oder Schwertwalen. Für das Team um Kast bedeutet dies, dass der riesige Hai signifikant mehr Fleischfresser erbeutet hat als andere lebende oder ausgestorbene Spitzenprädatoren der Meere. Letztlich aber dürfte dann doch die Konkurrenz für das Verschwinden von Megalodon verantwortlich gewesen sein, wie eine Studie im Fachjournal "Nature Communications" unlängst frühere Annahmen untermauert hat.

Ein Team um Jeremy McCormack vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (Leipzig) schloss aus dem Verhältnis der Zink-Isotopen in Zähnen von modernen und ausgestorbenen Haiarten, dass der Weiße Hai und Megalodon während des frühen Pliozäns um dieselbe Beute konkurrierten.

Frühere Studien weisen zudem darauf hin, dass dem Megalodon letztlich seine Größe zum Verhängnis geworden sein könnte: Irgendwann dürfte er Ausmaße erreicht haben, die gegenüber dem Weißen Hai aus evolutionärer Sicht mehr Nachteile als Vorteile boten, was schließlich vor 2,6 Millionen Jahren zu seinem Aussterben beigetragen hat. (tberg, 23.6.2022)