Ausgerechnet die katholische Kleine Zeitung witterte eine "schwarze Götterdämmerung". In Betrachtung der gemeinten Wotanerln lobt man sich da einen soliden Monotheismus, aber woher nehmen? Der Versuch mit einer Kurz-Variante ist so deutlich nach hinten losgegangen, dass Abfall vom türkisen Glauben bis in die höchsten Ränge der einstigen Gebetsliga reicht. Wer einmal für diesen Glauben brannte, dem droht nun Burnout, und dabei war Markus Wallner nicht einmal einer von denen, die so lichterloh in Flammen standen wie viele andere.

In der Welt des hundertprozentigen Parteiobmanns Karl Nehammer gibt es keine Korruption.
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Jetzt hat es ihn erwischt. Dass auch Politiker erkranken, wäre nichts, worüber man normalerweise viele Worte verlieren müsste, und mediale Spekulationen über medizinische Gründe verbieten sich umso eher, als die politische Diagnose sich aus den aktuellen Umständen von selbst ergibt. Wallner leidet an Folgen von Korruption, ob seiner eigenen wird noch untersucht, sicher aber an der, die sich in seiner Umgebung breitgemacht hat. Das zeugt von einer Sensibilität, die in der ÖVP nicht überall zu finden ist. Wenn in seiner Amtszeit als Landeshauptmann auch noch die Legende vom sauberen Vorarlberg wie eine türkise Luftblase zerplatzt, muss das eine zarte politische Psyche belasten.

Erwartbar stellten sich wieder Überlegungen zu der Frage ein, ob Politik krank mache. Wie üblich einseitig, weil nur auf die Politiker bezogen, und nicht auch auf die Menschen, die unter der Tätigkeit von Politikern zu leiden haben. Und das sind viel mehr.

Volkskrankheit Burnout

Politik ist mit Stress verbunden, das weiß jeder und jede, der oder die sich für das Bohren harter Bretter entscheidet, selbst dann, wenn es damit nicht weit her ist. Politiker, die unter zu wenig Anerkennung leiden, wissen von vornherein, dass solche schon im Normalbetrieb über die Parteigrenzen hinweg nur schwer zu erwerben ist – oft nicht einmal innerhalb – und rasch Missgunst waltet, wo sich offensichtliches Unvermögen und/oder Korruptionsverdacht dazuschlägt. Das rechtfertigt nicht Morddrohungen und anonyme Beschimpfungen, wie sie im Zeitalter moderner Medien inflationär geworden sind. Der unter Kurz gepflegte Politikstil war allerdings auch nicht von Anstand geprägt und geeignet, hier dämpfend auf die Gemüter zu wirken.

Burnout gilt heute in unserer von Politikern gestalteten Gesellschaft als eine Volkskrankheit, und das hat viel mit Politik zu tun. Warum also sollten sie frei davon sein? Voller Kraft will Wallner ins Amt zurückkehren und weiterhin Verantwortung für Vorarlberg tragen. Ob bis dahin der Verdacht gegen ihn und seine Wirtschaftsbündler bestätigt oder ausgeräumt sein wird oder ob er dann dort weitermachen muss, wo er unterbrochen hat, hängt von der Justiz und seiner Resilienz ab. Ob er überhaupt weitermacht, wohl auch. Der Ruf einer moralischen Instanz selbst nur in der Volkspartei, den er sich am angeschlagenen Sebastian Kurz erworben hat, wird nicht mehr aufrechtzuerhalten sein.

Karl Nehammer hat ihm Genesungswünsche aus einer anderen Welt gesandt. Denn in der Welt des hundertprozentigen Parteiobmanns gibt es keine Korruption, ihm erscheint die Volkspartei als das, was einst Vorarlberg war: porentief sauber. Daher muss man sich um die Volkspartei keine Sorgen machen, nur weil sich Landeshauptleute absetzen. Jeder ist ersetzlich. (Günter Traxler, 24.6.2022)