Höllisch heiße Temperaturen, kaum ein Wölkchen am Himmel – und wer nicht gerade eine Klimaanlage sein Eigen nennt, der wird die Abkühlung wohl eher in schattigen Gastgärten, im Freibad oder am Badesee suchen. Der Nachteil: Dorthin können wir weder die Spielkonsole noch den High-End-PC mitnehmen, und an und für sich portable Gaming-PCs entwickeln sich in einem solchen Umfeld rasch zur Kochplatte, auf der man mühelos ein Spiegelei braten könnte. Wie also sonst dem liebsten Hobby nachgehen? Auf dem Handy etwa? Igitt – klingt wie ein schlechter Aprilscherz!

"Diablo Immortal" als Brücke?

Freilich ist es so, dass das Smartphone in der Masse das am meisten genutzte Gaming-Gerät ist, laut Studie des Branchenverbands ÖVUS spielen 3,4 Millionen Menschen in Österreich mehr oder weniger regelmäßig Spiele auf ihrem Handy, während nur zwei Millionen auf dem PC spielen. Die Gaming-Community rümpft hier freilich die Nase: Denn Spiele am Handy, das ist wohl eher etwas wie Candy Crush oder Farmville – aber nichts, das durch gute Grafik, eine packende Story oder innovative Spielkonzepte zu überzeugen weiß.

Diablo Immortal hätte diese Lücke schließen können, indem ein unter altgedienten Gaming-Veteranen beliebtes Franchise den Weg auf mobile Geräte fand – und obendrein auch noch die Möglichkeit zu Cross-Play und Cross-Save zwischen PC und Smartphone bietet. Stattdessen beklagen aber diverse Mitglieder der Community – darunter auch wir hier beim STANDARD – das von Geldgier getriebene Micropayment-System, das eigentlich sehr seelenlose Gameplay und letzten Endes auch die Tatsache, dass dieses Spiel den Core-Gamern regelrecht ins Gesicht rief: Ihr seid uns egal, ihr seid nicht mehr die Zielgruppe.

Es gibt genug Alternativen

Grund genug also, unterwegs gänzlich auf Spiele zu verzichten? Mitnichten! Denn auch wenn Diablo Immortal ein Schlag ins Gesicht war, so gibt es doch so manches Spiel, das es sich auf dem Handy zu spielen lohnt.

Da wären etwa Games, die auch auf dem kleinen Bildschirm mit einer auf mehrere Stunden ausgelegten Story punkten. Eines davon ist Thimbleweed Park – ein Adventure von Ron Gilbert in liebevoller Pixelgrafik, das es sich wohl gerade im Vorfeld des kommenden Return to Monkey Island-Releases zu spielen lohnt. Und wer ganz motiviert ist, der kann sich auch via ScummVM die Lucasarts-Klassiker der 1980er und 1990er auf dem Smartphone installieren.

Ron Gilbert

Grafisch in eine gänzlich andere Kerbe schlägt hingegen das auf Apple Arcade veröffentlichte Fantasian. Dieses JRPG mit rundenbasierten Kämpfen weiß vor allem durch seine ungewöhnliche Grafik zu überzeugen: Die Handlungsorte wurden als reale Dioramen gebaut, dann abgefilmt und die Figuren hineinanimiert. Die Story ist zwar eher generisch, aber allein wegen des Erscheinungsbilds zahlt sich ein Blick in das Werk von Final Fantasy-Macher Hironobu Sakaguchi aus.

So schön sieht "Fantasian" – auch auf dem Handy-Screen – aus.
Foto: Screenshot

Gemeinsam mobile Stärken nutzen

Andere Mobile Games wiederum leben davon, dass der Multiplayer-Aspekt voll ausgereizt wird – Among Us, anyone? –, und wieder andere nutzen die auf dem Smartphone verfügbaren Sensoren, um Spielerfahrungen zu schaffen, die auf PC und Konsole so nicht möglich wären: Ja, ich rede mal wieder mal von Pokémon Go.

Das Spiel ist mittlerweile sechs Jahre auf dem Markt und erfreut sich – auch dank diverser Updates und Verbesserungen – noch immer einer treuen Fanbase. Das liegt nicht nur an dem Pokémon-Franchise per se, sondern auch am Multiplayer-Aspekt und am geschickten Ausnutzen diverser Smartphone-Features: etwa des Schrittzähler oder der Kamera inklusive AR-Funktion. Und daran, dass die Pay-to-Progress-Mechaniken deutlich angenehmer gestaltet sind als in so manchem anderen Titel.

Streamen, streamen, streamen!

Pokémon sind Ihnen zu kindisch? Auch kein Problem. Denn das Streamen von vollwertigen Spielen auf das Smartphone oder den Tablet-PC ist über Cloud-Services wie den Game Pass Ultimate oder Geforce Now ebenso wie direkt von der Playstation 5 möglich. Und hier wird das Angebot stetig erweitert.

"The Witcher 3: Wild Hunt" auf dem Smartphone: nicht wirklich praktikabel, aber immerhin technisch möglich.
Foto: Screenshot

Klar, es ist nicht das Gleiche, ob man Skyrim und Wild Hunt auf dem großen Fernseher oder dem kleinen Handyscreen spielt – aber um ein paar virtuelle Meter zurückzulegen und Dialoge durchzuspielen, ist die Steuerung auf dem Touchscreen durchaus ausreichend, bevor man sich später wieder an den Controller setzt, um sich komplexen Bosskämpfen zu widmen. Auf diese Weise habe ich Cyberpunk 2077 via Google Stadia durchgespielt.

Oder aber man pfeift unterwegs auf die komplexen RPGs und setzt auf dem Handy via Streaming erst recht auf ein Spiel, das schlichtweg unterhaltsam ist, wenn man es für ein paar Minuten zockt. Unpopular Opinion: Minecraft Dungeons ist – niederschwellig gestreamt aus der Cloud, ohne dass man es installieren muss – schon ein recht netter Zeitvertreib.

Und das ist alles erst der Anfang. Es ist zu erwarten, dass hier noch recht viel passieren wird – entweder durch nativ für das Smartphone entwickelte Spiele oder durch entsprechende Streaming-Angebote. Liebe Gamerinnen und Gamer, man wird uns also nicht im Regen stehen lassen: Irgendwas wird es immer für uns zu spielen geben. Auch wenn wir gerade nicht im dunklen Kämmerlein hocken. (Stefan Mey, 26.6.2022)