Die Aufhebung der Impfpflicht begründet Rauch damit, dass diese "zur Spaltung beigetragen" habe.

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Eine neue Corona-Welle rollt an, am Freitag wurden 8.933 Neuinfektionen in Österreich gemeldet. Durch die besonders ansteckende Variante BA.5 steigen die Infektionszahlen rascher als erwartet – und das kurz vor der Urlaubssaison. Dennoch wurden die Schutzmaßnahmen bisher nicht verschärft, zuletzt wurde die Abschaffung der Impfpflicht angekündigt. Und auch das Forschungsprojekt "Austrian Corona Panel" wird eingestellt, das seit Beginn der Corona-Krise zur Pandemie forscht.

Krisenzustand nicht aufrechtzuerhalten

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) pochte im Ö1-"Morgenjournal" am Freitag auf "Eigenverantwortung". "Es ist der generelle Trend, ein Leben mit Corona zu ermöglichen", sagte er. Diese Entwicklung zeige sich europaweit. "Im dritten Jahr der Pandemie kann man keinen Dauerkrisenzustand aufrechterhalten."

Eine Verschärfung der Maßnahmen schloss er dennoch nicht aus. Die Lage werde wöchentlich evaluiert. Man versuche aber, keine "Maske-rauf-Maske-runter-Spielchen zu spielen". Einen Zickzackkurs sieht Rauch dabei angesichts dessen, dass die Maskenpflicht erst mit Juni für drei Monate ausgesetzt wurde, dennoch nicht. Es sei nicht gerechtfertigt, sie stets aufrechtzuerhalten. "Wenn wir mit dem Virus leben lernen wollen, dann brauchen wir auch Selbsteinschätzung", befand Rauch.

"Wenn ich morgens im Stoßverkehr mit der U-Bahn fahre, werde ich die Maske tragen – wenn ich spätabends mit dem Zug unterwegs bin, nicht", sagte Rauch. "Diese Form von Solidarität und Eigenverantwortung muss gelernt werden." Eine Wiedereinführung der Maskenpflicht sei bei einer Überlastung des Gesundheitssystems nicht ausgeschlossen.

Rauch: Impfpflicht trägt zur Spaltung bei

Einen Balanceakt zwischen Eigenverantwortung und Freiheit sieht Rauch auch beim am Freitag beginnenden Donauinselfest. "Gescheit ist es wahrscheinlich nicht", sagte er über die Veranstaltung, die vor der Pandemie Millionen Menschen anzog. "Aber zu verhindern ist es auch nicht. Man kann jetzt im Sommer nicht alle Menschen einsperren." Er empfiehlt Besucherinnen und Besuchern, sich im Vorfeld zu testen.

Die am Donnerstag angekündigte Aufhebung der Impfpflicht begründete Rauch damit, dass diese "zur Spaltung beigetragen" habe. Sie sei ein massiver Eingriff in Persönlichkeits- und Freiheitsrechte, und laut Einschätzung der Impflichtkommission wäre ein Scharfstellen der Impfpflicht bisher nicht verhältnismäßig gewesen. "Ich kann nicht einfach eine Maßnahme setzen, die einen wirklich deutlichen Eingriff darstellt, wenn sie nicht sowohl fachlich wie auch rechtlich gerechtfertigt ist, und das war sie nicht."

Derzeit gebe es zahlreiche Krisen, die einen Zusammenhalt der Gesellschaft voraussetzen, der so nicht gegeben sei. Auch Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) sehe die Impfpflicht als "nicht geeignete Maßnahme", um Menschen zum Stich zu überzeugen, das habe man nun eingesehen. "Es ist das Gegenteil eingetreten, wir haben eine Steigerung der Spaltung in der Gesellschaft." (muz, 24.6.2022)