Mit seinem Bühnenprogramm "A Way Back to Lucky Land" füllt der Comedian derzeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz erneut Hallen.

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"Keine Bühne für Täter", skandierte Donnerstagabend eine kleine Gruppe von Feministinnen und Feministen vor der Wiener Stadthalle. Die Kundgebung richtete sich gegen den Auftritt des deutschen Comedians Luke Mockridge, der seit einigen Wochen wieder durch den deutschsprachigen Raum tourt. Zwei Jahre lang hatte der 33-Jährige pausiert – allerdings nicht nur wegen der Corona-Pandemie.

Denn seit einem Jahr werden ihm öffentlich sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Zuerst in sozialen Medien unter dem Hashtag #KonsequenzenFürLuke, später in Medienberichten. Der "Spiegel" veröffentlichte die Erfahrungen von mehr als zehn Frauen, die von aggressivem und übergriffigem Verhalten des Entertainers berichteten. Darunter auch Mockridges Ex-Partnerin Ines Anioli, die ihn nach dem Ende ihrer Beziehung 2019 wegen mutmaßlicher sexueller Nötigung angezeigt hatte. Das Verfahren wurde 2020 eingestellt, es stand Aussage gegen Aussage.

Obwohl sich viele vor allem männliche Kulturschaffende öffentlichkeitswirksam hinter Mockridge stellten, veranlassten die Medienberichte den TV-Sender Sat.1 dazu, alle für 2022 geplanten Shows mit dem Moderator abzusagen. Daraufhin trat auch Mockridge selbst den Rückzug an: Im September 2021 kündigte er in einem reuigen Video auf Instagram an, eine Pause zu machen, um die Vorwürfe gegen ihn "zu verstehen" und "zu heilen".

Cancel-Culture ohne Auswirkung

Die Pause sollte aber nicht lange anhalten: Schon kurz vor Weihnachten warb Mockridge für seine anlaufende Tour. Seine vorherigen Videos, in denen er die Vorwürfe beklagt hatte, waren inzwischen gelöscht. Stattdessen machte er sich in einem weiteren Kurzvideo über seine gebeutelte Reaktion auf die Berichte lustig. In seinem Bühnenprogramm prangert der Comedian nun – unter tosendem Applaus – Empörung auf Social Media und politische Korrektheit an.

Die vielbeschworene Cancel-Culture, die von Beginn an von Mockridges Unterstützern geortet wurde, gibt es in diesem Fall – wie auch in vielen anderen – jedenfalls nicht. Der Comedian ist gefühlt noch fulminanter auf die Bühne zurückgekehrt und darf sich in Social Media über Rückenwind seiner Fans freuen. Sie sehen in ihm das wahre Opfer und gratulieren ihm zum Comeback. Die mutmaßlichen Betroffenen sexueller Übergriffe werden hingegen lächerlich gemacht und als Lügnerinnen dargestellt, die auf Schadenersatz und Prominenz aus sind. Reich oder berühmt geworden ist im Gegensatz zu dem beliebten und gut vernetzten Comedian aber keine von ihnen.

Es sei Mockridge unbenommen aufzutreten. Auch Fans sollen seine Show genießen dürfen. Einen bitteren Nachgeschmack hat seine Selbstdarstellung aber: Mockridges Rückhalt gibt Betroffenen sexueller Übergriffe zu verstehen, dass ihnen noch immer nicht geglaubt wird. Und wenn sie Pech haben, werden im Netz und auf offener Bühne auch noch Witze über sie gemacht. (Davina Brunnbauer, 24.6.2022)