"Die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen ORF sollte gestärkt werden, zugleich braucht es ein faires duales Mediensystem, das private Medien in ihren digitalen Aktivitäten nicht beschädigt", schreiben die Chefredakteurinnen und Chefredakteure in einer gemeinsamen Aussendung.

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Wien – Kleine Zeitung und Kurier, STANDARD und Presse, Oberösterreichische, Salzburger und Vorarlberger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung und Volksblatt, Falter und Furche, News, Profil und Trend, heute und auch der Auflagenriese Krone unterstützen die resolute Resolution: Die Medienvielfalt im Land sei in Gefahr durch die geplante Reform des ORF-Gesetzes mit mehr Möglichkeiten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk online. Also warnen Chefredakteurinnen und Chefredakteure des Großteils österreichischer Tageszeitungen und vieler Wochentitel gemeinsam die Medienpolitik.

"Dramatisch verschlechterte Lage"

Mehr Online-Spielraum für den ORF sei "für den digitalen Printjournalismus existenzbedrohlich", formuliert der Verein der Chefredakteurinnen und Chefredakteure; auch die Chefredaktion der Kronen Zeitung unterstütze die Positionen.

Wegen "dramatisch sich verschlechternder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen für die Medienbranche" verlangen die Redaktionschefs eine rasche Reform und den Ausbau der Medienförderung. Sie sei nach "transparenten und überprüfbaren Kriterien" zu vergeben, "die redaktionelle Qualität, journalistische Ressource, Recherche und Ausbildung sowie digitale Innovation fördern und unterstützen". Sie verlangen "umfassende finanzielle Unterstützung" für den "systemrelevanten Beitrag" der Medien für die Demokratie. Und sie fordern "endlich ein modernes Informationsfreiheitsgesetz".

Rote Ampel für ORF-Novelle

Spätestens seit Mittwoch sieht es nach monatelangen Verhandlungen nicht nach einer raschen Digitalnovelle aus. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und die Mediensprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, orderten von ORF, Zeitungsverband und Privatsendern eine Art Ampelliste über erzielte Kompromisse, Kompromissmöglichkeiten und No-Gos.

Der ORF hat seine Liste dem Privatsenderverband und dem Zeitungsverband geschickt. Viel Grün und Zartgrün für Kompromissmöglichkeiten sollen sie zieren. Aber auch Rot in zentralen Punkten etwa für die Verleger.

Viele von ihnen sehen in ORF.at – in den Worten eines Verlegers – "eine Gratiszeitung, die durch Gebühren finanziert ist". Und die sei eine massive Marktverzerrung gegenüber Onlineangeboten privater Medienhäuser mit Printhintergrund. Die Verleger forderten eine Halbierung des Textangebots auf allen ORF-Seiten von ORF.at über Sport.orf.at bis oe3.at.

Limits von Textlängen und Meldungszahl

Für den ORF wäre schon eine Halbierung des Angebots auf der "blauen Seite" ORF.at ein Problem – wobei ORF-Chef Roland Weißmann bereit schien zu Limits von Textlängen und Meldungszahl vor einer Anmeldeschranke, womöglich mit GIS-Teilnehmernummer.

Mittwoch soll sich Medienministerin Raab eher skeptisch geäußert haben über die von den Verlegern gewünschten Einschränkungen des ORF-Onlineangebots. Spätestens seither scheint die Ampel der Verleger für die Novelle auf Rot zu stehen.

Nach der Chefredakteursresolution kündigte Raab Freitag auf Medienanfragen "gerechten Interessenausgleich" zwischen ORF und Privaten an. Den verlangten die Chefredakteure wortgleich, und: Eine Reform dürfe "andere Marktteilnehmer in ihrer publizistischen, digitalen und wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit nicht benachteiligen", private Medien nicht beschädigen. "Ein gebührenfinanzierter ORF mit erweiterten Möglichkeiten im Onlinebereich ist für den Digitaljournalismus existenzbedrohend", schreiben sie.

Kommende Woche soll Medienministerin Raab beim 4GameChangers-Festival diskutieren – mit Weißmann und ProSiebensat1Puls4-Chef Markus Breitenecker. Dessen Forderung nach umfassendem Zugriff Privater auf ORF-Inhalte soll der ORF auch rot markiert haben. (Harald Fidler, 24.6.2022)