Die am NHM Wien untersuchten Exemplare von Jullienella foetida.
Foto: NHM Wien

Sie sind beachtliche Unterwasser-Bauarbeiterinnen, die aber olfaktorisch unangenehm auffallen können: Die Spezies "Jullienella foetida" baut im Meer vor der Westküste Afrikas Strukturen, die Korallenriffen ähneln. Als sie 1890 entdeckt und erstmals beschrieben wurden, dürfte der Gestank so beeindruckend gewesen sein, dass er in den Artnamen einfloss, "foetidus" bedeutet im Lateinischen "stinkend". Weshalb sie ungut riechen, konnte ein Forschungsteam mit Beteiligung des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) nun herausfinden.

Jullienella foetida zählt zu einer Gruppe einzelliger Lebewesen, die Foraminiferen genannt werden. Sie bauen ihre eigenen festen Gehäuse, die an Muschelschalen oder Schneckenhäuser erinnern können. Die Lebewesen gibt es wahrscheinlich schon seit mehr als 560 Millionen Jahren. Normalerweise sind die Vertreter dieser Gruppe winzig klein und werden nicht größer als wenige Millimeter.

Die Gehäuse der stinkenden Spezies im 3D-Modell: links sind die äußeren Gehäuse zu sehen, rechts lediglich die Hohlräume im Inneren des festen Materials.
Bild: 2022 Langer et al., https://doi.org/10.7717/peerj.12884/fig-4

Das Innere der Gehäuse

Manche von ihnen – die agglutinierenden Foraminiferen – vergrößern ihr Gehäuse, indem sie winzige Sand- und Mineralkörner auf ihrer Oberfläche aufkleben und so mehrere Zentimeter groß werden. Zu dieser Gruppe gehört auch die nun analysierte Spezies, die in Wassertiefen von bis zu einhundert Metern vor der Westküste Afrikas vorkommen.

Ein internationales Forschungsteam, dem auch Anna Weinmann vom NHM Wien angehörte, hat nun mit verschiedenen bildgebenden Verfahren Gehäuse dieser größten Flachwasser-Foraminiferen untersucht und die Ergebnisse im Fachjournal "PeerJ" veröffentlicht. "Solche modernen, dreidimensionalen Aufnahmen erlauben uns, auch das Innere der Gehäuse zu untersuchen und zu verstehen, wie solche großen und trotzdem stabilen Gehäuse aufgebaut sind", erklärt Weinmann in einer Aussendung.

Versteckte Reste an Zellplasma

Die Aufnahmen zeigen, dass die Gehäuse von internen Trennwänden durchzogen sind. Sie stützen die äußeren Wände und kanalisieren gleichzeitig das Zellplasma der Einzeller. Bei einigen Exemplaren fanden sich auch Reste vom Zellplasma innerhalb der Gehäuse – die wohl für den beschriebenen üblen Geruch verantwortlich sind.

In diesem Mikro-CT-Bild ist das im Inneren übriggebliebene Zellplasma farblich hervorgehoben, das für unangenehme Gerüche sorgen dürfte.
Bild: 2022 Langer et al., https://doi.org/10.7717/peerj.12884/fig-6

Mit Hilfe der Aufnahmen konnte auch die wahrscheinliche Biomasse von Jullienella foetida berechnet werden, die vermutlich zu den größten unter den heute lebenden Foraminiferen gehöre, betonten die Fachleute. Um eine so große Biomasse zu bilden und aufrecht zu erhalten, ist die Art auf entsprechende Nahrungsquellen angewiesen, die sie in den besonders nährstoffreichen Küstenabschnitten des östlichen Atlantiks findet.

NHMWien

Mangels anderer gerüstbildender Organismen wie Korallen stellt die Spezies in ihrem Lebensraum vermutlich den einzigen größeren, festen Untergrund zur Verfügung, der wiederum von anderen Organismen besiedelt werden kann. So spielt die Art eine bedeutende Rolle für die Diversität im lokalen Ökosystem, sagt Weinmann. (red, APA, 24.6.2022)