Die Schildkröte von Pompeji ist erstaunlich gut erhalten.
Foto: Parco Archeologico Pompei / Reuters

So manche Grabungsbeauftragte sind schon über Tiere gestolpert, die Zeugnis über das Leben antiker Stätten vor einer Katastrophe ablegen. Erst im vergangenen Jahr fand ein Team einen Mann und einen Hund, die beim Ausbruch des Vulkans von Santorin vor rund 3600 Jahren verstarben. Ein neues, beeindruckendes Beispiel zeigt sich aktuell in der berühmten Stadt Pompeji in Italien, die im Jahr 79 von Auswürfen des Vesuv verschüttet wurde und deren Untergang auf bedrückende Weise für die Nachwelt festgehalten ist. Hier stießen Archäologinnen und Archäologen auf eine Schildkröte – und auf ein Ei, das nie gelegt wurde.

Eierschalen der Schildkröte: Das Tier verstarb womöglich während der Eiablage.
Foto: Parco Archeologico Pompei / Reuters

Das Tier hatte sich offenbar unter dem Lehmboden einer Werkstatt verkrochen, wie die italienische Nachrichtenagentur ANSA am Freitag berichtete. Es handelt sich um eine kleine Landschildkröte mit relativ intaktem Panzer. "Die Schildkröte war offensichtlich in die Werkstatt eingedrungen und hatte sich dort in einer geschützten Ecke eine Höhle gegraben, um dort ihr Ei abzulegen. Dies misslang, was möglicherweise ihren Tod verursachte", berichtete die italienische Anthropologin Valeria Amoretti. Die Schildkröte verstarb also womöglich schon vor dem Vulkanausbruch.

Archäologinnen und Archäologen waren ob des Fundes unter dem Werkstattboden erstaunt.
Foto: Parco Archeologico Pompei / Reuters

Der ungewöhnliche Fund ist einem Forschungsprojekt der Università Orientale in Neapel, der Freien Universität Berlin und der Universität Oxford zu verdanken, bei dem die Überreste eines Hauses wohlhabender Menschen untersucht wurden. "Pompeji ist eine Schatulle voller Schätze der Geschichte, die die Welt fasziniert", lobte der italienische Kulturminister Dario Franceschini den Fund.

Der Fund wurde sorgsam auspräpariert.
Foto: Parco Archeologico Pompei / Reuters

Versteckte Tiere in der Stadt

"Die Schildkröte ist ein wichtiger Fund, der ein Fenster auf die letzten Lebensjahre der Stadt öffnet", erklärte der Direktor des archäologischen Parks, der deutsche Kulturmanager Gabriel Zuchtriegel. In dieser Zeit sei "Pompeji zu einer großen, pulsierenden Baustelle" geworden. Damit veränderte sich auch das Ökosystem der Stadt. Tiere drangen auch in Baustellen und Werkstätten ein, die mitten im Stadtzentrum lagen.

DER STANDARD

Die Schildkröte reiht sich damit in die neuesten Funde der antiken Stadt ein, bei denen immer wieder neue Facetten des damaligen Lebens offenbart werden. Im vergangenen Jahr entdeckte man ein gut erhaltenes Sklavenzimmer mit Reitzubehör und die mumifizierten Überreste eines Ex-Sklaven, der zu Ansehen kam und erstaunlicherweise Theateraufführungen in griechischer Sprache abhalten ließ. Zuletzt wurde erstmals ein komplettes menschliches Genom eines Verstorbenen von Pompeji analysiert – es lieferte neue Hinweise darauf, dass der Mann an fortgeschrittener Tuberkulose gelitten haben dürfte. (red, APA, 24.6.2022)