Im Verhandlungssaal 202 hört ein Schöffengericht eine wahrhaft erstaunliche Verteidigungslinie eines 24-jährigen Vorbestraften.

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Wien – Auch wenn man täglich mit möglichen Gesetzesbrechern zu tun hat, gibt es mitunter Gerichtsverhandlungen, die einen fast an der Menschheit verzweifeln lassen. Der Prozess gegen den 24-jährigen Asad A., dem vom Staatsanwalt versuchte Vergewaltigung und Raub vorgeworfen wird, ist so ein Fall. Denn vor dem Schöffensenat unter Vorsitz von Stefan Huber verteidigt sich der dreifach vorbestrafte Iraker mit einer wirklich seltsamen Argumentation.

Es geschah am späten Abend des 1. April, als eine 26 Jahre alte Studentin auf dem Treppelweg neben dem Donaukanal im Bereich der Spittelau spazierenging. Der arbeits- und unterstandslose A. schnorrte die EU-Bürgerin laut Anklage zunächst an, dann sagte er: "Geld oder Sex", und zeigte ihr ein Kondom. Als sie sich weigerte, forderte er nochmals "Sex!", als sie "Nein!" sagte, antwortete er: "Warum nicht?", erinnert sich die Zeugin.

Verräterische DNA-Spur

Der Angeklagte drückte sie zunächst gegen die Wand, dann riss er sie zu Boden, legte sich bekleidet auf sie und simulierte minutenlang stöhnend Geschlechtsverkehr. Als er sie küssen wollte, konnte sie mit einer Hand sein Gesicht wegdrücken, wodurch sein Speichel auf ihre Hand gelangte, der Gerichtsgutachterin Christina Stein bei der Auswertung einen Treffer in der DNA-Datenbank verschaffte.

"Nachdem er unter der Hose mein Gesäß berührt hat, dachte ich, er will mich nun vergewaltigen, und bot ihm Geld an", schildert die Zeugin die bangen Momente. Stattdessen griff A. in ihre Handtasche, nahm das Mobiltelefon der jungen Frau und forderte ihren PIN-Code. Den verriet sie ihm nicht, stattdessen konnte sie eine rund 100 Meter entfernt stehende Frau auf sich aufmerksam machen, worauf A. davonlief.

Vor dem Senat bekennt sich der 24-Jährige teilweise schuldig. Den Raub gibt er zu, die versuchte Vergewaltigung, wegen der Anklage erhoben wurde, nicht. "Ich habe versucht, Liebe mit ihr zu machen", lässt er übersetzen, hält dann aber auch fest, er habe nicht gegen ihren Willen mit ihr Sex haben wollen.

Dritte Version des Angeklagten

Bei der Polizei leugnete er nach seiner Festnahme noch jegliche Beteiligung, bei der Verhängung der Untersuchungshaft bekannte er sich schuldig, nun liefert er eine dritte Version. "Ich habe versucht, die Frau zu entführen", behauptet er zur Überraschung des Vorsitzenden. "Wohin?", fragt Huber daher. "Wohin?" – "In einen Keller." – "Was wollten Sie dort mit ihr machen?" – "Ich hätte die anderen angerufen, die hätten sie mitgenommen und von ihrer Familie Geld gefordert", behauptet der Angeklagte, zwei Iraner hätten ihn angestiftet.

"Warum haben Sie die Frau dann nicht entführt?" – "Da ich Schwestern habe. Und das ist nicht mein Beruf", lautet die überraschende Auskunft. Es habe für ihn zwei Möglichkeiten gegeben, sagt er: Entweder er entführt oder er vergewaltigt sie. Letzteres erschien ihm humaner, hören die erstaunten Anwesenden. "Mir ist alles klar", lehnt danach ein Schöffe die Möglichkeit für Fragen an den Angeklagten ab.

Die Privatbeteiligten-Vertreterin des Opfers fordert für das Handy, das A. kurz nach dem Raub zerstört hat, 100 Euro und 880 Euro Schmerzensgeld, was der Angeklagte zunächst ablehnt. "Ich habe kein Geld, wovon soll ich die Strafe bezahlen?", erklärt A. Huber und Verteidigerin Ulrike Prokes erläutern ihm das Wesen eines Privatbeteiligtenanschlusses, worauf er doch zustimmt.

Höherer Strafrahmen wegen Vorstrafen

Nach den Aussagen der beiden Zeuginnen erörtert der Vorsitzende noch Rechtliches: Da zwei der zwischen 2018 und 2021 verhängten Vorstrafen A.s – wegen schwerer Körperverletzung und gefährlicher Drohung – einschlägig seien, komme im Falle einer Verurteilung die Regelung der Strafschärfung bei Rückfall zur Anwendung. Dadurch erhöht sich die mögliche Strafe sowohl für die versuchte Vergewaltigung als auch für den Raub von zehn auf 15 Jahre. Andererseits stellt Huber auch in den Raum, dass der Senat auch zu dem Schluss kommen könnte, dass es sich gar nicht um einen Vergewaltigungsversuch, sondern um geschlechtliche Nötigung gehandelt habe.

Es ist nicht sonderlich überraschend, dass das Gericht nach 45 Minuten Beratung dann auch so urteilt. Wegen Raubes und geschlechtlicher Nötigung wird A. zu sechs Jahren unbedingter Haft verurteilt, dem Opfer muss er die 980 Euro zahlen. Die Vergewaltigung sei "eindeutig freizusprechen", begründet Huber die Entscheidung. Erstens habe der Angeklagte während des Überfalls keine Anstalten gemacht, sich oder das Opfer auszuziehen. Und selbst wenn A. einen Vorsatz gehabt hätte, sei er freiwillig von dem Versuch zurückgetreten, als die junge Frau ihm Geld anbot, ist der Vorsitzende überzeugt.

Die vollendete geschlechtliche Nötigung sei allerdings "massiv", erläutert Huber weiter. "Es ist, gelinde gesagt, ein Horrorszenario für eine junge Frau, die einfach nur am Abend spazieren gehen will", daher sei eine "massive Strafe" notwendig. A. ist mit der Entscheidung absolut nicht einverstanden und meldet Berufung gegen die Strafhöhe an, der Staatsanwalt gibt keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 24.6.2022)