Klagenfurt, Ende Mai 2016: Marc Janko (links) im internen Kopfballduell mit Martin Hinteregger, Österreich schlägt Malta 2:1.

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Wien, Oktober 2019: Aleksandar Dragovic, Martin Hinteregger und Julian Baumgartlinger bejubeln einen Treffer gegen Israel. Österreich gewinnt 3:1, Hinteregger scort.

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Marc Janko will keinen Nachruf auf Martin Hinteregger halten, weder im STANDARD noch anderswo. "Auch wenn es danach klingt." Was den Mittelstürmer und den Innenverteidiger verbindet? Beide sind keine Fußballprofis mehr. Der 39-jährige Janko seit Juli 2019, der 29-jährige Hinteregger seit Donnerstag. Der Kärntner aus Sirnitz hatte die Eintracht aus Frankfurt um Auflösung seines Vertrags ersucht, dem Wunsch wurde entsprochen. Janko bestritt 70 Länderspiele, Hinteregger 67.

"Er ist speziell", sagt Janko, "und ich meine es nicht negativ. Er hat seinen eigenen Kopf gehabt." Hinteregger sei ein Unikat. "Mir ist noch nie ein Profifußballer untergekommen, der beim Eisstockschützenverein und bei der Feuerwehr ist. Mit Begeisterung. Und dann ist er noch leidenschaftlicher Jäger. Smartphone besitzt er auch keines, das gibt es tatsächlich."

Alabas Angst

Janko erinnert an ein Trainingslager des Nationalteams, es muss acht oder neun Jahre her sein. "Die damals noch jungen David Alaba und Marko Arnautovic haben sich vor dem Jäger Hinteregger gefürchtet. Natürlich aus Spaß, sie sind vor ihm davongelaufen." Ob Hinteregger das lustig fand, möchte Janko nicht beurteilen, es ist auch völlig wurscht. "Er war ein Einzelgänger, ist nur schwer aufgetaut. In Wahrheit blieb er immer halbgefroren."

Aleksandar Dragovic bildete mit "Hinti" eine halbe Ewigkeit lang Österreichs solides Abwehrzentrum. Der 31-Jährige ist bei Roter Stern Belgrad sehr aktiv, seine Teamkarriere könnte nach 100 Einsätzen allerdings vorbei sein. Ralf Rangnick hatte ihn nicht für die Nations League einberufen, es herrscht im Lande ein Überangebot an ausgezeichneten Innenverteidigern.

"Er hat sein Ding durchgezogen"

Dragovic will sich dem Deutschen trotzdem durch Leistungen aufdrängen, die Hoffnung stirbt bekanntlich ganz spät. Ad Hinteregger: "Der Rücktritt kommt schon überraschend, passt aber irgendwie zu ihm. Er hat sich nie von seiner Linie abbringen lassen, sein Ding durchgezogen und ist immer dazu gestanden. Das verdient Respekt, ich habe gerne mit ihm im Team gespielt und gut harmoniert."

Der 34-jährige Julian Baumgartlinger, er befindet sich auf Vereinssuche, wurde von Rangnick auch nicht nominiert. Als ehemaliger Kapitän war er Hinteregger quasi vorgesetzt. Baumgartlinger ersucht um Verständnis, sich mit dem Thema nicht groß befassen zu wollen. "Er war anders, ist auf eine gewisse Art normal gewesen, deshalb positiv aufgefallen. Er hat aber auch angeeckt. Mehr will ich dazu nicht sagen." Wie Dragovic hofft Baumgartlinger auf Rangnicks Anruf.

Nie ungut

Janko ist von solchen Begehrlichkeiten befreit, er analysiert für Sky. Und er spricht ausführlich über den Ex-Kollegen Hinteregger. "Auf dem Spielfeld konnte man sich auf ihn verlassen, er hat alles gegeben. Seine Karriere verdient Respekt, vielleicht wär mehr möglich gewesen." Hinteregger schrieb in seiner Biografie Innensicht über Depressionen. Janko: "Es hatte den Anschein, dass er mit vielen Dingen nicht klarkommt. Er war nie ungut. Ich hatte keinen schlechten Draht zu ihm."

Eskapaden waren zwar nicht an der Tagesordnung, aber sie sind passiert. "Das hat er wohl gebraucht. Aber es war so getimt, dass die Ausrutscher keine gravierenden Auswirkungen hatten. Manche Trainer konnten mit ihm, manche taten sich schwer." Der Schweizer Marcel Koller konnte mit "Hinti".

Unterm Teppich

Während eines Trainingslagers ist es zu einer durchzechten Nacht gekommen, der Fußballbund versuchte, den Vorfall unter diverse Teppiche zu kehren. Janko stellt Jahre später klar: "Hinteregger war nicht allein." Irgendwann hat sich der Sirnitzer einen sündteuren Lamborghini geleistet. Es war nicht so, dass er Luxus völlig abgelehnt hat. Janko: "Ich finde solche Diskussionen unnötig, er hat das Geld verdient, niemanden bestohlen." Der Rücktritt sei gar nicht so überraschend gewesen. "Dass er von heute auf morgen passiert, passt zu seinem Charakter. Er ist konsequent." Hinteregger ist nicht nur eisstockschießender Jäger, sondern auch Hubschrauberpilot. Wo er landet, weiß Janko nicht. (Christian Hackl, 24.6.2022)