Deutschland hat Robert Habeck. Der Wirtschaftsminister hat soeben die zweite Warnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen und hält es für möglich, dass Russland überhaupt kein Gas mehr liefert, um die Unterstützung der EU für die Ukraine zu brechen.

Österreich hat Leonore Gewessler. Und Bundeskanzler Karl Nehammer. Der Notfallplan bleibt auf Stufe eins, und Gewessler sagt, Österreich sei besser aufgestellt als Deutschland. Freitag meinte sie dann doch: "Niemand in diesem Land ist gelassen. Wir sind uns des Ernstes der Lage bewusst, und wir arbeiten daran, bestmöglich aus dieser Krise zu kommen." Konkretes blieb aber weiterhin aus.

Ein Teil einer Erdgasleitung am Gelände der Gas Connect Austria Verdichterstation in Baumgarten an der March.
Foto: APA/HARALD SCHNEIDER

Leute, bereitet euch auf den Winter vor. Wenn die Regierung die Gaskrise so vernudelt wie die Corona-Krise (letztes Beispiel Impfpflicht), dann müssen wir uns warm anziehen. Und zwar sowohl die privaten Verbraucher wie große Teile der Industrie, deren Produktion auf Gas angewiesen ist. Das ist jetzt ein bisschen unfair. Gewessler hat, wie sie in einem STANDARD-Streitgespräch sagte, mit Habeck eine Idee besprochen, dass der Staat der Industrie jene Gasmengen in Form einer Auktion einkauft, die diese einsparen kann. Die privaten Verbraucher könnte man mit einem Bonus fürs Sparen belohnen.

Illusionen über Putin

Der Unterschied zwischen Deutschland und Österreich besteht allerdings darin, dass Habeck und Co auf den Feigheitspopulismus verzichten und der Bevölkerung die harte Wahrheit sagen, während man in Österreich noch Beschwichtigungspolitik betreibt. Zwar sagt auch die Leiterin der Gasabteilung der E-Control, Carola Millgramm, dass es noch nie einen so großen Rückgang bei den Gaslieferungen gegeben habe: "Typisch für den Sommer ist die Situation also nicht." Aber das ist eben kein Mitglied der Regierung. Also das Versprechen von Wladimir Putin an Kanzler Nehammer bei seinem Besuch vor einigen Wochen, er müsse sich wegen Gas keine Sorgen machen, wird stark relativiert.

Österreich hat sich lange Illusionen über Putin gemacht und scheint damit irgendwie fortfahren zu wollen. Dabei sollte zumindest jetzt klar sein, dass der russische Imperialist alles versuchen wird, um bei seinem Krieg gegen die Ukraine irgendwie einen Erfolg zu erzielen. Dazu muss er die EU-Länder, die Waffen und Geld an die Ukraine schicken, einschüchtern beziehungsweise deren Bevölkerung durch Entbehrungen aufwiegeln. Habeck und andere sagen auch klar, dass es unangenehm werden kann. Gewessler, Nehammer und andere vermeiden eine ähnlich realistische Sprache.

Menschen mit Eigenverantwortung (im Zusammenhang mit Corona das neue Lieblingswort der Regierung) sollten daher nachdenken, wie sie einem möglicherweise kalten Herbst und Winter begegnen könnten. In Privatinitiative. Das reicht von Geldzurücklegen (für dramatisch erhöhte Heizpreise) bis zu Überprüfen von Geräten und Verbrauchsgewohnheiten. Das deutsche Science Media Center verschickt bereits praktische Anweisungen von Experten zur Senkung des Gasverbrauchs im Privathaushalt. Darüber sollte demnächst bei uns ausführlich zu lesen sein – durch detaillierte Informationen der zuständigen Stellen und Ministerien. Aufgabe von uns Bürgern muss aber sein, uns selbst zu informieren – mithilfe der Medien, aber auch durch Befassung der Hausverwaltungen. Auf übergeordneter Ebene und längerfristiger gibt es ebenfalls genug Pläne für Umstellung, etwa auf Biogas. Putins Aggression, die auch darauf gerichtet ist, Europa zu unterwerfen, um das eigene Reich zu stützen, hat das aber akut gemacht. (Hans Rauscher, 24.6.2022)